Inland

Frühwarnstufe, Alarmstufe, Notfallstufe: Das steht im Gas-Notfallplan

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat im März 2022 den Notfallplan Gas in Kraft gesetzt. Worauf sich die Bundesregierung vorbereitet, wann ein Importstopp droht und was Putin damit zu tun hat – die wichtigsten Fragen zu den drei Stufen.
von Benedikt Dittrich · 30. März 2022
Gas-Notfallplan: Die Versorgung für private Haushalte ist gesichert.
Gas-Notfallplan: Die Versorgung für private Haushalte ist gesichert.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat den „Notfallplan Gas“ ausgerufen. Was genau bedeutet das?

Droht ein Engpass oder ein Lieferstopp bei Erdgas, kann die Bundesregierung einen Notfallplan ausrufen. Der Plan enthält mehrere Stufen, von denen Wirtschaftsminister Habeck im März die erste Stufe, die „Frühwarnstufe“, ausgerufen hat. Die kann ausgerufen werden, wenn Hinweise vorliegen, dass die Versorgung mit Gas sich verschlechtern könnte. (Hier geht's zum kompletten „Notfallplan Gas“).

Dem folgte am 23. Juni die „Alarmstufe“, die auf eine Störung der Gas-Versorgung hinweist. Ab dieser Stufe gibt es die Möglichkeit, dass die Politik den Versorgungsunternehmen erlaubt, Preissteigerungen direkt an die Verbraucher*innen weiterzugeben. Außerdem ist die Stufe die Voraussetzung dafür, dass Kohlekraftwerke für die Energieversorgung aus der Reserve geholt werden können.

In der dritten Stufe, der „Notfallstufe“, könnte die Bundesnetzagentur dann direkt in die Gasversorgung eingreifen und vorschreiben, welche Unternehmen, welche Industriezweige noch mit Gas versorgt werden – und welche nicht. Privathaushalte und kritische Infrastruktur haben dann Priorität.

Gibt es denn schon einen Lieferengpass?

Laut Wirtschaftsminister Habeck ist „Gas nun ein knappes Gut in Deutschland“. Der Grund: Russland hatte jüngst die Gas-Lieferungen durch die Pipeline Nord Stream 1 erheblich reduziert – mit einer aus deutscher Sicht vorgeschobenen Behauptung dringend notwendiger Reparaturen.

Aktuell ist die Versorgung in Deutschland noch gesichert. Sorgen bereitet der Bundesregierung offenbar aber der nächste Winter. Denn durch die reduzierten Lieferungen füllen sich die Gasspeicher nun langsamer, bis zu Beginn der Heizperiode sollten sie aber möglichst gefüllt sein. Außerdem wird Gas auch in anderen europäischen Ländern benötigt, das knappe Gut wird also auch innerhalb von Europa verteilt. Das macht die deutsche Versorgungslage so kritisch, denn Deutschland ist gegenwärtig darauf angewiesen, dass Flüssiggas von LNG-Terminals der europäischen Nachbarländer nach Deutschland geschickt wird. Ein eigenes Terminal hat Deutschland nicht.

Wie verhält sich Russland?

Im März hatte der Russische Präsident mit einem Lieferstopp gedroht, wenn die Zahlung nicht von Euro auf Rubel umgestellt wird. Dazu kam es bisher nicht. Die reduzierten Gas-Lieferungen jetzt nannte die Bundesregierung aber einen „Angriff“ auf Deutschland. Habeck sprach außerdem davon, dass Russland Energie als Waffe einsetze, auch um die europäische Solidarität untereinander und mit der Ukraine zu brechen. Offen ist, ob die Gaslieferungen aus Russland vielleicht irgendwann sogar ganz eingestellt werden.

Die Gaslieferungen wurden von Gazprom, den russischen Energieversorgungsunternehmen, immer wieder reduziert, dann im Juli für eine Reparatur sogar unterbrochen. Seitdem fließt das Gas wieder, aber nur im geringen Umfang. (Stand: 26. Juli), Gazprom hat eine Reduzierung auf 20 Prozent angekündigt und begründet das ebenfalls wieder mit notwendigen Reparaturen, die Bundesregierung hält das für einen Vorwand.

Wie schätzen die SPD-Fachpolitiker*innen die Situation ein?

Energieexperte Matthias Miersch aus der SPD-Bundestagsfraktion unterstützte bereits im März den Aufruf von Habeck: „Jede eingesparte Kilowattstunde macht uns unabhängiger von Putins Gas.“ Miersch warnte nun auch vor drohenden Energiesperren im Herbst und Winter, wenn Verbraucher*innen ihre Rechnung nicht mehr zahlen können – und fordert nun vorsorglich ein Gesetz, um das zu verhindern.

Auch die energiepolitische Sprecherin der Fraktion, Nina Scheer, rief dazu auf, Energie zu sparen, wo möglich – und schlug außerdem vor, mit einem Einsparbonus diese Bemühungen zusätzlich zu belohnen. Ausgearbeitet hat sie den „Einsparbonus“ mit dem Ökonomen Jens Südekum.

Was passiert jetzt?

Im Bundeswirtschaftsministerium gibt es einen Krisenstab, der sich aus Energieversorgungs-Unternehmen und verschiedenen Behörden wie beispielsweise der Bundesnetzagentur zusammensetzt. Es geht um eine engere Absprache und regelmäßigen Informationsaustausch. Auch die EU-Kommission ist in die Kommunikation eingebunden. Verbraucher*innen – egal ob Privat oder Unternehmen – sind dazu angehalten Energie zu sparen, Kohlekraftwerke in der Reserve können für die Energieversorgung hochgefahren werden.

Aber erst ab der „Notfallstufe“, würde der Staat direkt in den Gasmarkt eingreifen. In der aktuellen „Alarmstufe“, sind weiterhin die Energieunternehmen in der Verantwortung, die Versorgung sicherzustellen.

Und wenn Putin die Gaslieferung ganz einstellt?

Dann könnte die „Notfallstufe“ ausgerufen werden. Die Bundesregierung könnte dann direkt in den Markt eingreifen und zum Beispiel Gaslieferungen an Unternehmen reduzieren oder ganz stoppen. Diese Aufgabe würde die Bundesnetzagentur übernehmen. Wer zuerst verzichten müsste, ist noch unklar – ebenso, wie genau sich ein Importstopp auf die deutsche Wirtschaft auswirken würde. Da vor allem die Industrie aber stark abhängig ist von fossilen Energieträgern wie Erdgas, sind Verwerfungen vorprogrammiert.

Privathaushalte und die kritische Infrastruktur, darunter vor allem Krankenhäuser, Pflegeheime und die Polizei, gelten im Notfallplan indes als „geschützte Kunden“. Sie werden bis zuletzt weiter mit Gas beliefert. Allerdings: Teurer dürfte es für alle werden – denn die Preise sind schon jetzt sehr hoch und dürften in den kommenden Monaten auch ohne Preisklausel nach und nach an die Verbraucher*innen weitergegeben werden.

Kann Deutschland mehr Erdgas aus anderen Ländern importieren?

Über die Hälfte des in Deutschland verbrauchten Gases werden aus Russland importiert. Komplett ersetzen lässt sich das zur Zeit nicht. Mit knapp 30 Prozent Anteil ist für Deutschland Norwegen der zweitgrößte Gaslieferant. Das Land hatte im Frühjahr auch angekündigt, seine Liefermenge zu erhöhen. Eine weitere Möglichkeit ist der Import von Flüssiggas (LNG) über Schiffe. Dafür fehlt Deutschland aber ein Terminal, um das Gas direkt ins deutsche Netz einspeisen zu können. Ein Umweg über andere EU-Staaten wie den Niederlanden ist möglich, allerdings sind auch diese Kapazitäten begrenzt.

Dieser Artikel wurde zuerst im März veröffentlicht und am 26. Juli 2022 aktualisiert.

Autor*in
Benedikt Dittrich

war von 2019 bis Oktober 2022 Redakteur des „vorwärts“.

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