Inland

Freital: Warnten Polizeibeamte mutmaßliche Rechtsterroristen?

Die Übernahme der Ermittlungen gegen die „Gruppe Freital“ durch den Generalbundesanwalt weckte Hoffnungen auf eine sorgfältige Strafverfolgung. Zum Verdacht des Geheimnisverrats durch die sächsische Polizei schweigt die Behörde jedoch. Warum?
von Robert Kiesel · 29. November 2016
Proteste in Freital
Proteste in Freital

Sprengstoffanschläge auf Asylbewerberheime, eine Attacke auf einen linken Szenetreff in Dresden, die Sprengung des Autos eines Linken-Politikers in Freital: Die Liste der Vorwürfe gegen die Mitglieder der „Gruppe Freital“ ist lang. Neben den acht Verdächtigen steht aber ausgerechnet ein Beamter der sächsischen Bereitschaftspolizei im Fokus der Öffentlichkeit: Er soll einen der mutmaßlichen Rechtsterroristen vor Aktionen der Polizei gewarnt haben.

Schweigen statt Aufklärung

Bekannt geworden war der Verdacht durch eine Zeugenaussage von Timo S., laut Ermittlern einer der Anführer der „Gruppe Freital“. S. hatte während seiner Vernehmung in der Justizvollzugsanstalt Dresden beiläufig erwähnt, sein Mitstreiter Patrick F. - mutmaßlich der zweite Kopf der Gruppe - habe Informationen seitens der Bereitschaftspolizei erhalten. So habe F. im Vorfeld einer Hausdurchsuchung erfahren, wo die Polizisten im Einsatz seien und wie lange sie noch brauchten, zitiert „Zeit Online“ aus der Vernehmung des unter Terroverdacht stehenden Mannes.

Passiert ist seitdem nichts. Zwar übernahm die Behörde des Generalbundesanwalts die Ermittlungen gegen die Mitglieder der „Gruppe Freital“ und erhob Anfang November Anklage vor dem Oberlandesgericht in Dresden, der Verdacht des Geheimnisverrats durch Mitglieder der sächsischen Bereitschaftspolizei an mutmaßliche Rechtsterroristen jedoch wird scheinbar ausgesessen. Ein aktueller Bericht von „Zeit Online“ deckt auf: Sowohl Generalbundesanwalt als auch Staatsanwaltschaft Dresden und Bereitschaftspolizei Sachsen hüllen sich in Schweigen. Lediglich die Staatsanwaltschaft Dresden bestätigte auf Nachfrage die Eröffnung eines Verfahrens, mehr aber nicht.

Drückten die Beamten ein Auge zu?

Der schwerwiegende Verdacht, in Sachsen würden einzelne Polizisten Kontakte zu Rechtsextremen pflegen und diese schützen, lässt sich so nur schwer entkräften. Problematisch zudem, dass auch die während der Vernehmung anwesenden Polizisten die Aussage des Verdächtigen S. nicht zum Anlass nahmen, ihrerseits Anzeigen gegen die Beamten zu erstatten. Genau das wäre nach dem sogenannten Legalitätsprinzip, demzufolge Polizisten unverzüglich nach Kenntnisnahme einer Straftat Anzeige erstatten müssen, ihre Pflicht gewesen.

Mindestens unglücklich ist das Agieren der Behörden auch deshalb, weil die sächsische Polizei im Zusammenhang mit der „Gruppe Freital“ schon einmal in Verdacht geraten war, unsauber zu arbeiten. Einem Insider, der den Beamten detaillierte Informationen über die Kommunikationsstruktur der konspirativ agierenden Gruppe geliefert hatte, wurde Anonymität zugesichert. Bis heute ist unklar, wer der Informant war und woher er seine Informationen hatte. Spekulationen darüber, ob Polizei oder Verfassungsschutz einen Informanten in die Gruppe eingeschleust hatten, wurden nie aufgeklärt.

Chats zwischen Polizisten und Neonazis?

Gerüchte über Verbindungen einzelner Beamter der sächsischen Polizei zu Angehörigen der rechtsextremen Szene sind kein Novum. Einem Leipziger Polizisten wurde vorgeworfen, in verschiedenen Chats mit Neonazis aus Leipzig Verschwörungstheorien und rechtsextremes Gedankengut ausgetauscht zu haben. Das Innenministerium schenkte der Version des Polizisten Glauben, wonach die Chat-Ausschnitte nach dem Diebstahl seines Telefons entstanden seien. Kurz darauf wurde der Beamte an die Polizeifachschule in Leipzig versetzt, als Lehrer.

Autor*in
Robert Kiesel

war bis März 2018 Redakteur des vorwärts.

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