EU-Asylreform: Was die Einigung für Geflüchtete bedeutet
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Seit mehr als 20 Jahren wurde auf europäischer Ebene um eine Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) gerungen, insbesondere seit den Jahren 2015/16. Doch bislang ohne Erfolg. Am Donnerstag ist nun beim Treffen der EU-Innenminister*innen in Luxemburg ein Durchbruch gelungen. Die Mehrheit der Mitgliedsstaaten stimmte nach stundenlangen Verhandlungen für eine umfassende Reform des GEAS. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) wertete das am Abend auf Twitter als „historischen Erfolg – für die Europäische Union, für eine neue, solidarische Migrationspolitik und für den Schutz von Menschenrechten“.
Was bedeutet die Einigung inhaltlich?
Grundsätzlich sollen die Asylverfahren nach dem Wunsch einer Mehrheit der Mitgliedsstaaten künftig deutlich verschärft werden. Demnach sollen Menschen aus als sicher geltenden Herkunftsländern nach ihrer Ankunft an den EU-Außengrenzen dort in zentrale Aufnahmeeinrichtungen gebracht werden. In diesen soll innerhalb von zwölf Wochen geprüft werden, ob für sie ein Anspruch auf Asyl besteht. Wenn das nicht der Fall ist, sollen sie unmittelbar wieder abgeschoben werden. Für Menschen aus Ländern mit einer hohen Anerkennungsquote wie Afghanistan oder Syrien soll das nicht gelten.
Zugleich einigten sich die Mitgliedsstaaten auch auf verpflichtendere Solidarität mit den stark belasteten Ländern an den südlichen EU-Außengrenzen. Länder wie Ungarn, die keine Geflüchteten aufnehmen wollen, sollen in Zukunft zu finanziellen Ausgleichszahlungen gezwungen werden.
Außerdem sehen die Reformpläne vor, dass abgelehnte Asylbewerber*innen künftig auch in Nicht-EU-Länder abgeschoben werden, sofern sie eine Verbindung zu diesem Land haben. Wie diese aussehen muss, soll jeweils im Ermessen derjenigen Mitgliedsstaaten liegen, die für das Asylverfahren zuständig sind. Gegebenenfalls könnte es ausreichen, dass die Personen durch das betreffende Land lediglich durchgereist sind.
Wie hat sich Deutschland positioniert?
Nancy Faeser hat der Reform als zuständige Ministerin zugestimmt, auch wenn die Bundesregierung in einigen Punkten von ihrer eigentlichen Position abrücken musste. Sie hatte sich in den Verhandlungen nachdrücklich dafür eingesetzt, dass Familien mit Kindern von den sogenannten Grenzverfahren ausgenommen werden. Um den Durchbruch zu ermöglichen, musste sie allerdings letztlich akzeptieren, dass dies doch möglich sein könnte. Faeser sagte nach der Entscheidung jedoch, dass sich die Bundesregierung gemeinsam mit Portugal, Irland und Luxemburg weiter für Ausnahmen einsetzen werde.
Auch hatte sich die Bundesregierung im Vorfeld dafür stark gemacht, einen reinen Transitaufenthalt nicht als Verbindung zu einem Drittstaat anzuerkennen, in den abgelehnte Asylbewerber*innen abgeschoben werden können.
Welche Länder stimmten gegen die Reform?
Polen, Ungarn, Malta, Bulgarien und die Slowakei stimmten gegen die Reformpläne. Tschechien machte in einer Protokollerklärung deutlich, dass es sich nicht am solidarischen Verteilmechanismus für Geflüchtete beteiligen wolle. Ungarn und Polen hatten das in der Vergangenheit bereits mehrfach deutlich gemacht.
Wie geht es jetzt weiter?
Die Einigung der Innenminister*innen war ein wichtiger, aber noch nicht der finale Schritt für eine Reform des GEAS. Denn in den kommenden Monaten stehen noch Verhandlungen mit dem Europaparlament an, die bis Ende des Jahres abgeschlossen werden sollen, damit die Reform noch vor der Europawahl in einem Jahr in Kraft treten kann. Die Europaparlamentarier*innen haben während dieser Verhandlungen die Möglichkeit, inhaltlich Einfluss auf die Reformpläne zu nehmen und noch Änderungen herbeizuführen.
Welche Reaktionen gibt es?
Dirk Wiese, stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion, sprach von einer wichtigen Einigung in schwierigen Zeiten. „Nach jahrelangem Stillstand haben sich die EU-Staaten auf eine gemeinsame, solidarische und humanitäre Steuerung und Ordnung der Migration verständigt. Danke Nancy Faeser!“, kommentierte Wiese auf Twitter. Lob kam auch von Michael Roth, dem Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag. „Endlich gibt es einen akzeptablen Kompromiss“, schrieb er. Die Ampel habe in einer mehrheitlich konservativen Europäischen Union einiges erreicht.
Deutlich kritischer äußerte sich die entwicklungspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Sanae Abdi. „Unfassbar enttäuscht, beschämt, wütend und traurig. Das hätte nicht passieren dürfen“, schrieb sie auf Twitter. Auch Sebastian Roloff, SPD-Abgeordneter und Vorsitzender des Forums Demokratische Linke 21, kritisierte: „Der heutige Tag hat dem Europäischen Gedanken und der Europäischen Union als Wertegemeinschaft sicher keinen Gefallen getan. Ganz im Gegenteil.“
ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo