Inland

„Energiekrieg“: So sieht der Abwehrschirm der Bundesregierung aus

Mit einem „Doppelwumms“ will Olaf Scholz die Energiekosten in Deutschland dämpfen, Haushalte und Unternehmen schützen. Der „Abwehrschirm“ kostet 200 Milliarden Euro, beinhaltet eine Strom- und Gaspreisbremse, die Schuldenbremse soll bleiben.
von Benedikt Dittrich · 29. September 2022
Mit einer Preisbremse für Gas und Strom will die Bundesregierung Bürger*innen entlasten.
Mit einer Preisbremse für Gas und Strom will die Bundesregierung Bürger*innen entlasten.

Energie als Waffe, ein Angriff auf die deutsche Wirtschaft und Gesellschaft, ein Energiekrieg: An deutlicher Sprache mangelte es der Bundesregierung um Bundeskanzler Olaf Scholz an diesem Donnerstag nicht. Scholz (SPD) und ebenso Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sowie Finanzminister Christian Lindner (FDP) machten an diesem Tag klar: Deutschland wird sich wehren – allerdings mit seinen eigenen Waffen: Einer robusten Wirtschafts- und Finanzkraft. Mit einem „Doppelwumms“ will Olaf Scholz einen „Abwehrschirm“ aufspannen, wie er aus seiner Corona-Isolation heraus erklärte.

200 Milliarden Euro will die Bundesregierung dafür in die Hand nehmen. Damit sollen die Lasten der steigenden Energiekosten gedämpft und der Wohlstand in Deutschland erhalten bleiben. Mit dem Geld sollen private Haushalte, aber auch Betriebe unterstützt werden – konkret mit einer Preisbremse auf Strom und Gas. Die Strompreisbremse werde bereits vorbereitet, für die Gaspreisbremse erwarte man zeitnah Vorschläge aus der dafür eingesetzten Kommission, so Scholz. In dem schriftlichen Eckpunktepapier heißt es weiter, dass für private Haushalte und kleine- bis mittelständische Unternehmen ein sogenannter „Basisverbrauch“ subventioniert werden soll. Größere Unternehmen sollen in ähnlicher Weise entlastet werden.

Wer mehr verbraucht, soll aber den dafür üblichen Marktpreis zahlen. So solle auch der Anreiz erhalten bleiben, weiterhin Energie einzusparen, wie Wirtschaftsminister Habeck am Donnerstag betonte. Der Verbrauch müsse weiterhin sinken, „Spitzenverbräuche“ würden nicht subventioniert werden. Wie hoch der „Basisverbrauch“ ausfallen wird, ist zur Zeit noch unklar.

Sabotage von Nordstream als „weitere Eskalationsstufe“

Warum das alles überhaupt nötig ist, daraus machte Scholz mit Verweis auf die Explosionen entlang der Gas-Pipelines Nordstream 1 und 2 kein Geheimnis: Durch die Zerstörung der Pipelines „wird auf absehbare Zeit aus Russland kein Gas mehr geliefert werden“. Schriftlich heißt es dazu außerdem: Mit den Sabotageakten sei „eine weitere Eskalationsstufe erreicht“.

Auf diese Situation habe man sich zwar vorbereitet, so Scholz, aber: „Das führt dazu, dass die Preise hoch sind.“ Die Bundesregierung hatte in den vergangenen Monaten Industriebetrieben den Umstieg auf andere fossile Energieträger ermöglicht, Kohlekraftwerke wieder ans Netz genommen sowie für viel Geld Gas auf dem Weltmarkt eingekauft, um deutsche Gasspeicher zu füllen. Aktuell sind sie zu über 90 Prozent gefüllt. Nun müssten die Energiepreise aber runter, ergänzte Scholz. Und dafür werde jetzt ein großer Abwehrschirm gespannt. Der solle allen zu Gute kommen – vom Handwerk bis zur Industrie, Rentner*innen und Familien – kurz: allen, die sich aufgrund der steigenden Kosten für Gas, Wärme und Strom Sorgen machen.

Kein negativer Einfluss auf Inflation

Finanzminister LIndner erhofft sich von der Ankündigung der Regierung außerdem klare Signale an den Markt, wie er aus dem Bundeskanzleramt am Donnerstag erklärte. Er hofft auch darauf, dass mit den zusätzlichen Milliarden die Inflation nicht weiter angefeuert wird. Scholz wertet die Entscheidung außerdem als ein gutes Signal in Richtung der Bundesländer, die am vergangenen Tag eine Energiepreisbremse gefordert hatten.

Das Geld soll über den Wirtschafts- und Stabilisierungsfonds fließen, der mittels neuer Kredite gefüllt werden soll. Der Fonds war ursprünglich in der Wirtschafts- und Finanzkrise 2008 eingerichtet worden um taumelnde Unternehmen und Banken zu stützen. In der Coronakrise wurde er ab 2020 erneut genutzt und mit mehreren hundert Milliarden aufgefüllt. Auf diesem Weg – so erklärte es Bundesfinanzminister Lindner – soll 2023 die Schuldenbremse wieder eingehalten werden können, da der Fonds nicht aus dem laufenden Staatshaushalt finanziert wird.

Zusammen mit den bisher geschnürten Entlastungspaketen und dem Sondervermögen für die Bundeswehr steigen die Mehrausgaben für die aktuelle Krise damit auf vorläufig 400 Milliarden Euro, verteilt auf mehrere Jahre. Der Wirtschafts- und Stabilisierungsfonds soll voraussichtlich bis April 2024 aktiv bleiben.

Gasumlage wird zurückgenommen

Im Zuge der Energiepreisbremse ist die Gasumlage, die eigentlich ab dem 1. Oktober erhoben werden sollte, nun endgültig vom Tisch. Eine Entscheidung, die sich bereits in den vergangenen Tagen abgezeichnet hatte und auch von der SPD-Bundestagsfraktion deutlich gefordert worden war. „Sie wird nicht mehr gebraucht“, so Scholz knapp und klar, da die Unternehmen, die damit gerettet werden sollten, nun direkt gestützt werden. Die niedrigere Mehrwertsteuer auf Gas werde allerdings bleiben, ergänzte Robert Habeck. Der Wirtschaftsminister ging am Donnerstag außerdem davon aus, dass bereits bezahlte, höhere Abschläge an die Energieversorgungsunternehmen nun überprüft würden.

Die schriftliche Vereinbarung zum „Abwehrschirm“ der Bundesregierung

0 Kommentare
Noch keine Kommentare