Scheitern der Sondierungsgespräche

Ende von Jamaika: „SPD ist nicht das Ersatzrad für Angela Merkel“

Kai Doering20. November 2017
Auch nach dem Abbruch der Jamaika-Sondierungen hat sich für die SPD nichts geändert: Sie bleibt bei ihrem Nein zu einer großen Koalition.
Auch nach dem Abbruch der Jamaika-Sondierungen hat sich für die SPD nichts geändert: Sie bleibt bei ihrem Nein zu einer großen Koalition.
Die Sondierungen von CDU/CSU, FDP und Grünen zur Bildung einer Jamaika-Koalition sind gescheitert. Unklar ist, wie es nun weitergeht. SPD-Spitzenpolitiker machen aber klar: Eine Neuauflage der großen Koalition wird es auch jetzt nicht geben.

Um kurz vor Mitternacht war am Sonntag endgültig Schluss. FDP-Chef Christian Lindner verließ die Sondierungsgespräche mit CDU, CSU und Grünen für die Bildung einer Jamaika-Koalition und erklärte vor der Hauptstadtpresse: „Es ist besser, nicht zu regieren, als falsch zu regieren.“ Die Unterschiede zwischen seiner Partei auf der einen und CDU sowie CSU auf der anderen Seite seien unüberbrückbar gewesen.

Stegner: Für die SPD hat sich nichts geändert

Wie es nach dem Aus für Jamaika nun weitergeht, ist völlig unklar. Eine Neuauflage der großen Koalition aus CDU/CSU und SPD wird es aber nicht geben – das haben führende Sozialdemokraten bereits klargemacht. „Vor der Bundestagswahl haben die Beteiligten wahlweise Schwarz-Grün, Schwarz-Gelb oder Jamaika herbeigewünscht. Jetzt kriegen sie nix hin. Die SPD ist allerdings nicht das Ersatzrad für den schleudernden Wagen von Frau Merkel“, schrieb der stellvertretende Parteivorsitzende Thorsten Schäfer-Gümbel Montagmorgen im Kurznachrichtendienst Twitter.

„Das Ergebnis der Bundestagswahlen hat sich für die SPD durch die langen Sondierungswochen und Erklärungen anderer Parteien nicht geändert. SPD Wahltaktik (also ein „Weiter so“ durch Verlängerung der großen Koalition) wäre am 24.9. falsch gewesen und das bleibt auch so am 20.11.“, schrieb Stellvertreter-Kollege Ralf Stegner ebenfalls bei Twitter. SPD-Chef Martin Schulz hatte bereits am Freitag betont, dass die SPD bei einem Scheitern der Jamaika-Gespräch nicht für eine Koalition bereitstehe und sich in diesem Fall für eine Neuwahl des Bundestags ausgesprochen.

Weg zu Neuwahl ist schwierig

Für die plädiert auch Natascha Kohnen, Vorsitzende der SPD in Bayern und Kandidatin als stellvertretende Bundesvorsitzende. „CDU-Chefin Merkel ist nicht in der Lage, eine neue Regierung zu bilden. Neuwahlen sind der klarste Weg für unser Land“, erklärte Kohnen am Montagmorgen.

Der Weg dorthin ist allerdings schwierig, da sich der Bundestag nicht selbst auflösen kann. Möglich wäre, dass der Bundespräsident das Parlament auflöst. Am Montag will sich Frank-Walter Steinmeier mit der geschäftsführenden Bundeskanzlerin Angela Merkel über das weitere Vorgehen beraten. Unklar ist auch, ob eine Neuwahl für klarere Verhältnisse sorgen würde. Der aktuelle „Deutschlandtrend“ zeichnet ein anderes Bild. „Was soll die Neuwahl an schwieriger Konstellation ändern, außer dass Ränder gestärkt würden? Einfache Mehrheiten gibt es auch danach nicht“, mahnte der Dortmunder SPD-Bundestagsabgeordnete Marko Bülow.

Maas: FDP verrät ihr Erbe

Die FDP wird unterdessen für ihren Abbruch der Gespräche hart kritisiert. „Wer Politik so unverantwortlich inszeniert wie die FDP, verrät sein großes liberaldemokratisches Erbe von Walter Scheel und Hans-Dietrich Genscher. Die FDP hat diese Sondierungen nur als Bühne benutzt. Dieser parteipolitische Egoismus beschädigt unsere Demokratie“, twitterte Justizminister Heiko Maas.

Gleichzeitig mehren sich die Gerüchte, die Liberalen hätten den Abbruch der Gespräche geplant. „FDP hatte schon Presseerklärung über Abbruch der Gespräche abgegeben, bevor Lindner sich aus der Spitzenrunde verabschiedete“, schrieb Grünen-Politiker Reinhard Bütikofer, der bei den Sondierungsgesprächen dabei war, auf Twitter. Die FDP hat dies dementiert.

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Kommentare

SPD als Ersatzrad?

Die Neuwahl kommt viel zu früh, um mit neuer Perspektive die Wähler gewinnen zu können. Es treten dann personell wieder die an, die im September versagt haben. Und inhaltlich hat doch die Debatte gerade erst angefangen, nach den jetzt abgeschlossenen Regionalkonferenzen. Womit also will man den Wähler überzeugen, jetzt aber SPD zu wählen, noch dazu mit der deutlichen Spaltung von Partei und Fraktion einerseits und SPD-Ministern andererseits. Konsequent wäre es, die Minister zurückzuziehen und so den Druck auf Merkel zu erhöhen, ihrerseits abzutreten.
davon aber ist nichts zu sehen, sie sind halt gerne Minister, jedenfalls lieber Minister sein als Haltung zeigen. So wird das wohl auch bei Neuwahlen nichts!

SPD ist nicht das Ersatzrad für Angela Merkel

Ersatzrad ist die SPD nicht, aber leider auch kein Ersatzmotor. Denn jetzt fehlt uns eine Führungspersönlichkeit wie Helmut Schmidt oder wenigstens wie Gerd Schröder. Das die Jamaika-Koalition der Gegensätze nicht zustande kommt, war nicht unwahrscheinlich. Die SPD ist offenbar nicht darauf vorbereitet. Es gilt immer: erst das Land, dann die Partei, und in dieser Situation kann die SPD nicht im Selbstfindungsmodus verharren und Seifenblasen erzeugen. Oder soll die AfD bei den nächsten Wahlen mehr Stimmen bekommen weil sie mit dem Argument, die "Systemparteien" seien zu einer Regierungsbildung nicht fähig weil mit sich selbst und ihren Befindlichkeiten beschäftigt?

Zuerst das Land, dann die Partei

Wer mit dem Motto 'Zuerst die Partei, dann das Land' verlangt, die SPD solle nun als Notnagel für die nächste Merkel-Regierung dienen, denkt offenbar nur für den Zeitraum der nächsten 4 Jahre. Wäre Deutschland auf Dauer wirklich gedient, wenn sich die SPD von Wahl zu Wahl immer mehr zur Splitterpartei entwickelt? Es kann doch niemand ernsthaft glauben, dass eine Neuauflage der GroKo nicht zu massiven weiteren Stimmverlusten der SPD führen würde. Auf Dauer nützt unserem Land eine starke, vitale Sozialdemokratie doch viel mehr! Deshalb sollten wir jetzt konsequent bleiben. Warum sollte Merkel nicht mit einer Minderheitsregierung und wechselnden Mehrheiten regieren können? Nur weil dieses Modell im Nachkriegsdeutschland noch nie ausprobiert wurde?

Das Problem ist die

Das Problem ist die Glaubwürdigkeit, die euch abhanden gekommen ist- . Glaube doch niemand, dass die SPD in der Wählerschaft gefragt ist. gerade wieder hat Schulz an der zentralen Frage vorbeigesteuert als er die (nach seinem Weltbild) in Fokus stehenden Fragen aufzählte. Da war alles dabei, nur die Steuerung der Zuwanderung nicht, an der doch alles hängt. Warum hilft denn niemand dem Vorsitzenden? Was ist da los in der Parteiführung?
Soll ich es sagen? Na gut: also.
Geht Schulz, müssen die anderen mitgehen- so ist jeder Tag ein gewonnener Tag- aber für eine Trendwende bis zur BTW reicht das doch nicht. Unangenehm ist es zudem: Ich und ich und nicht die anderen

Neuauflage der GroKo

Im Jahre 1966 ist die SPD das erste Mal in eine GroKo gegangen und daraus 1969 so gestärkt hervorgegangen, dass sie den Kanzler stellen konnte. Das Programm stimmte und eine überzeugende Führungspersönlichkeit führte die Partei an. Jetzt fehlt uns sowohl das stimmige Programm als auch die überzeugende Führungspersönlichkeit. Da können wir in einer GroKo auch nicht punkten sondern müssen uns weiter mit Selbstfindung beschäftigen.

SPD kein Reserverad

An den Pinnwänden auf der letzten Regionalkonferenz in Castorp–Rauxel war immer wieder zu lesen, „die Partei muss sich deutlicher von der CDU abgrenzen“. Neuwahlen wäre nach unserer Verfassung (§64GG) nicht das naheliegende, eher die ultimo Ratio und der Bundespräsident hätte hier die Zügel in der Hand und nicht das Parlament. Die SPD hat sehr viel weniger Zeit sich neu aufzustellen, sie sollte gut überlegen, was das vernünftigste für das Land ist – wir wissen wohin uns die nun gescheiterte Koalition geführt hätten – wollen wir dem tatenlos zusehen? Für die FDP ist regieren Mist, das wissen wir jetzt – Was kann die Sozialdemokratie für das Lamd sein?

Korrektur

Gemeint sollte sein § 63 des GG, SORRY

Ersatzrad

Natürlich ist die SPD nicht das Ersatzrad für Merkel, deshalb ist hoffen, dass die Parteiführung standhaft belibt und Wort hält. Andernfalls ist der letzte Rest an Glaubwürdigkeit verspielt.

In der vergangenen Wahlperiode musste die SPD oft genug für Merkel als Ersatzrad herhalten, um Vorlagen zu beschließen, die völlig konträr zu ihren Grundwerten stehen, wie Vorratsdatenspeicherung, Freihandelsabkommen, Privatisierungen etc., während sie an ihren eigenen Vorschlägen Abstriche machen musste bzw. manche trotz Koalitionsvertrag nicht zur Ausführung gelangten.

Sollte es zu Neuwahlen kommen, muss die SPD nun die Forderungen von der Basis in den Vordergrund stellen und die Vorschläge zu mehr sozialer Gerechtigkeit konkreter formulieren, nur dann kann die SPD punkten.

Wenn auch von vielen als zweifelhaft oder unrealistisch hingestellt, wäre eine Minderheitsregierung von Merkel durchaus denkbar, sie müsste dann eben Beschlüsse des Parlaments durchführen, was ihr natürlich in vielen Punkten schwerfiele.

andererseits

ist Merkel so auf den Machterhalt versessen, dass Sie vermutlich auch eine Erhöhung des Mindestlohnes auf 14 € akzeptieren würde, wenn sie denn nur Kanzlerin bleiben dürfte- also , vielleicht doch GroKo, ohne Schulz natürlich

SPD wollte und will nicht antreibendes Rad sein!

Das genau hat die SPD ja nun direkt nach Bekanntgabe der Wahlergebnisse erklärt. Von "Ersatzrad" kann also gar nicht die Rede sein, wenn die SPD sich stehenden Fusses aus der Verantwortung stahl und dadurch die Gespräche über eine CDU/CSU-FDP-Grünen Koalition erst erzwang.

Man konnte wohl in der SPD nicht ernsthaft erwarten, dass man mit diesem lausigen Wahlergebnis dann auch noch den Kanzler stellen würde. Ein Koalition von CDU/CSU-SPD wäre auch keine "grosse" Koaliton, sondern eine mit einer soliden Mehrheit, nicht mehr aber auch nicht weniger.

Man kann natürlich durch Taktiererei den Preis für eine Regierungsbeteiligung in die Höhen treiben wollen. Nur wäre das ebenfalls keine Voraussetzung für eine Regierung, die den Amtseid nach Art. 56 GG erfüllte.

"Ich schwöre, daß ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde. So wahr mir Gott helfe."

Eine Politik der sozialen Vernunft und Verantwortung gegenüber den Bürgern ist das, was man von der SPD erwarten kann.

Große Koalition

Jetzt ist die Situation neu. Angesagt ist jetzt eine neue Große Koalition, durchaus interimsmäßig, aber mit langfristigen Zielen, die bisher aufgeschoben waren: Parlamentsreform (Begrenzung der Überhangmandate), Steuerreform (auch Abschaffung des falsch etikettierten Soli), Einwanderungsgesetz, Föderalismusreform, Energiereform einschl. Diesel- und Kerosinsteuer anpassen, Verkehrspolitik (Höchstgeschwindigkeit endlich einführen!). Da ist viel zu tun, mit vertrauensbildendem Konsens als Basis für manche kontroverse Themen. Neuwahlen würden zur jetzigenZeit keine neue Grundlage geben. Abkehr von Beleidigtsein erforderlich.

recht haben Sie, aber

wenn man berücksichtigt, was Schulz soeben auf der PK von sich gab, ist nichts davon in der Parteizentrale angekommen. Dort glaubt man offensichtlich, 1) der BP werde Neuwahlen und den Weg bringen und 2) bei diesen Neuwahlen werde dann mit demselben Personal ein deutlich besseres Ergebnis eingefahren. Ihr lebt auf einem anderen Planeten, in der Parteiführung . Das erste mag vielleicht noch angehen , setzt aber voraus, dass die Abgeordneten mitspielen und Merkel nicht zur Kanzlerin wählen - so dass im Ergebnis wenigstens die Möglichkeit der Neuwahl in Aussicht steht. Die Abgeordneten müssten also gegen das gerade- in vielen Fällen wohl auch mühsam- errungene eigene Mandat stimmen- sich quasi selbst aus dem BT herauskomplimentieren. Ein besseres Ergebnis nach einer Neuwahl mit unverändertem Personal ist illusorisch. Schulz hat gerade einen Zweifel daran gelassen, dass er auf dem Parteitag in zwei Wochen seine Wiederwahl anstrebt, die ihm dann erneut das Zugriffsrecht auf die Position eines Kanzlerkandidaten eröffnen würde. Er tut, um es kurz zu machen, weiterhin, so als ob (vgl Spiegelbericht zum Wahlkampf). Ein gefundenes Fressen für den Gegenkanditen. Noch naiver geht nicht!