Drittes Entlastungspaket: So viel SPD steckt im 65-Milliarden-Paket
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65 Milliarden Euro. So viel Geld soll das dritte Entlastungspaket umfassen, auf das sich die Ampel-Koalition am ersten September-Wochenende geeinigt hat. Zusammen mit den beiden vorherigen Paketen wächst damit das Volumen auf beinahe 100 Milliarden an, mit dem die Menschen in Deutschland unterstützt werden sollen. Das dritte Paket ist damit auch größer als die beiden vorigen zusammen, wie Bundeskanzler Olaf Scholz am Sonntag im Bundeskanzleramt stolz verkündete. Dort hatte man noch bis tief in die Nacht verhandelt, um all die Maßnahmen zu entscheiden, die die Menschen möglichst zielgenau erreichen sollen.
Dabei ist an vielen Stellen sichtbar, dass die Forderungen der SPD auch auf Zustimmung bei FDP und Grünen trafen, auch der gemeinsame Tenor in der Ampel stimmt: Die Entlastungen sollen vor allem die erreichen, die besonders stark von Inflation und steigenden Energiekosten betroffen sind. Das können die Verbraucher*innen konkret erwarten:
Einmalzahlungen
Erwerbstätige bekommen Ende September eine Energiepreispauschale, so war es schon in der Vergangenheit beschlossen worden. Neu ist, dass diese Einmalzahlung nun auch auf Rentner*innen und Studierenden ausgeweitet werden soll: 300 Euro sollen auch an Rentner*innen ausgezahlt werden, Studierende erhalten 200 Euro. Das hatten SPD-Politiker*innen in den vergangenen Monaten immer wieder gefordert, weil diese Menschen ebenso oder gar stärker von der Inflation betroffen sind.
Laut Bundeskanzler Olaf Scholz sollen diese Einmalzahlungen noch in diesem Jahr auf den Weg gebracht werden.
Strompreisbremse
Für den Grundverbrauch soll künftig der Strompreis gedeckelt werden. Wie hoch dieser kalkulierte Basisverbrauch und der Grundpreis pro Kilowattstunde Strom sein wird, ist allerdings noch unklar. Die Absicht ist aber klar: „Die Haushalte werden so finanziell spürbar entlastet und gleichzeitig bleibt ein Anreiz zum Energiesparen erhalten“, heißt es in dem Ergebnispapier. Auch diese Preisbremse war Teil der ursprünglichen SPD-Forderungen, die die Bundestagsfraktion nach ihrer Klausur erhoben hatte.
Bundeskanzler Olaf Scholz zeigte sich am Sonntag zuversichtlich, dass so langfristig die hohen Preise für Strom wieder sinken, die für ihn teils von Spekulationen getrieben sind.
Wer kurzfristig trotz allem nicht in der Lage ist, Betriebskosten oder Rechnungen für Strom und Heizung zu zahlen, muss sich außerdem nicht sorgen: Durch Anpassungen im Energie- und Mietrecht soll niemand seine Wohnung verlieren oder eine Gas- oder Stromsperre fürchten müssen.
Abschöpfen von Übergewinnen
Um die Preisbremse zu finanzieren, sollen Übergewinne abgeschöpft werden, die derzeit bei den Energieunternehmen anfallen, die aufgrund der hohen Marktpreise zusätzliche Gewinne einfahren, während der Produktionspreis gleich bleibt. Für diese „Zufallsgewinne“, wie sie die Koalitionspartner*innen am Sonntag nannten, soll es möglichst auf europäischer Ebene eine Einigung geben. „Die vielen Milliarden, die wir dabei erlösen, werden wir einsetzen, um die Bürger zu entlasten“, versprach Olaf Scholz. Länder wie Spanien und Italien gehen bereits einen ähnlichen Weg. Die Rede war am Sonntag auch von einer „umgekehrten EEG-Umlage“, auf der finanzielle Struktur der im Sommer abgeschafften Umlage könne man aufbauen.
Schwieriger ist es hingegen bei Heizung und Wärme, wie der Bundeskanzler durchblicken ließ. Denn anders als bei der Stromproduktion seien die Preise für Gas und Öl nicht so leicht beeinflussbar, „die enstehen global auf dem Weltmarkt“. Laut Eckpunktepapier werden dazu aber ebenso bereits Möglichkeiten in der EU diskutiert.
Kindergeld und Kinderzuschlag
Da auch Familien von stark steigenden Preisen bei Lebensmitteln und auch Heizung und Strom betroffen sind, soll das Kindergeld um 18 Euro pro Person und Monat erhöht werden. „Das wird für viele eine Verbesserung der wirtschaftlichen Situation bedeuten“, so Scholz am Sonntag. Der Kinderzuschlag für geringere Einkommen soll auch erhöht werden.
Steuerreformen
Viele verschiedene Maßnahmen beziehen sich auf die Steuerpolitik, die an unterschiedlichen Punkten greifen. Zum einen sollen Rentenbeiträge künftig vollständig von den Steuern abgesetzt werden können. Hinzu kommt eine bereits angekündigte Reform, die die kalte Progression bekämpfen soll – die Einkommenssteuertarife sollen dafür im Herbst angepasst werden, wenn die entsprechenden Daten dafür vorliegen.
Besonders entlastet werden sollen außerdem diejenigen, die wenig Geld verdienen: Die Grenze für sogenannte „Midi-Jobs“, bei denen schon geringe Sozialbeiträge gezahlt werden müssen, soll erst ab 2000 Euro greifen. Zum 1. Oktober mit Einführung des höheren Mindestlohns von 12 Euro wird sie bereits von 1.300 auf 1.600 Euro angehoben, die 2000-Euro-Grenze soll dann ab Januar gelten.
Abgabenfreie Prämien
Auch in der jetzigen Energiekrise können Arbeitgeber*innen ihren Mitarbeiter*innen eine Prämie auszahlen, um sie bei den steigenden Energiekosten zu entlasten. Wie auch in der Corona-Krise werden solche Prämien wieder Steuern- und Abgabenfrei sein, verkündete Scholz nun. Er verknüpfte damit auch eine gewisse Erwartungshaltung: „Mein Gefühl ist: Das wird in großem Umfang auch gemacht werden.“
Wohngeldreform
Ab Januar sollen dauerhaft Klima- und Heizkostenkomponenten in die Berechnung des Wohngelds einfließen, außerdem soll der Kreis der Anspruchsberechtigten ansteigen. Die Rede war am Sonntag von zwei Millionen Haushalten, derzeit sind es rund 700.000. Für diese soll es als kurzfristige Maßnahme außerdem einen Heizkostenzuschuss geben: Der liegt bei einmalig 415 Euro für einen Ein-Personen-Haushalt, 540 für zwei Personen, für jede weitere Person 100 Euro.
Da in der Vergangenheit immer wieder die Rede davon war, dass Menschen sich schämten, solche oder andere Leistungen des Staates in Anspruch zu nehmen, betonte die SPD-Parteivorsitzende Saskia Esken am Sonntag außerdem in aller Deutlichkeit: „Das sind keine Almosen!“ Die Menschen hätten ein Anrecht auf diese staatlichen Leistungen.
Nachfolge 9-Euro-Ticket
Auf einen konkreten Preis haben sich Bund und Länder noch nicht geeinigt, auf Bundesebene macht die Ampel-Koalition jetzt aber den ersten Schritt: Um eine Nachfolge des 9-Euro-Tickets zu etablieren, soll es 1,5 Milliarden Euro zusätzlich vom Bund geben. In Verhandlungen mit den Ländern soll nun geklärt werden, welchen Preis ein bundesweites Nahverkehrsticket für Bus und Bahn haben soll.
„Nicht zu dem Preis von 9 Euro“, schränkte Scholz zwar ein, im Verlauf der Pressekonferenz ließ Grünen-Chef Omid Nouripour aber durchblicken, dass seine Partei auf ein 49-Euro Ticket hofft – ein Preis, der auch innerhalb der SPD-Bundestagsfraktion immer wieder als guter Kompromiss genannt wird.
Das Eckpunktepapier des Koalitionsausschuss auf spd.de zum nachlesen.