Steigende Energiepreise

Doppel-Wumms: Wie die Gaspreisbremse funktionieren könnte

Kai Doering30. September 2022
Die Gaspreisbremse kommt. Wie sie aussehen wird, steht aber noch nicht fest.
Die Gaspreisbremse kommt. Wie sie aussehen wird, steht aber noch nicht fest.
Die Gaspreise in Deutschland sollen deutlich sinken. Das ist das erklärte Ziel der Bundesregierung. Wie aber könnte eine solche Gaspreisbremse aussehen? Drei Vorschläge

200 Milliarden Euro. So hoch soll die Summe sein, mit der die Bundesregierung die Energiepreise für Privatverbraucher*innen und Betriebe absenken will. Eine Strompreisbremse wird bereits vorbereitet. So ist es im dritten Entlastungspaket vereinbart. Hinzu soll nun noch eine Bremse für den Gaspreis kommen. Bundeskanzler Olaf Scholz spricht deshalb von einem „Doppel-Wumms“.

Das Modell von Ministerpräsident Stephan Weil

Wie die Gaspreisbremse genau aussehen soll, erarbeitet gerade eine Expert*innenkommission, die im September von der Bundesregierung eingesetzt wurde. Ihre Ergebnisse sollen bis Mitte Oktober vorliegen. Erste Fingerzeige gibt es aber bereits. So hat Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil einen eigenen Vorschlag für eine Gaspreisbremse vorgelegt. Entwickelt hat er ihn mit seinem Umwelt- und Energieminister Olaf Lies, der in diesem Jahr auch Vorsitzender der Energieministerkonferenz der Länder ist. Nach dem Modell übernähme der Staat die Hälfte der Preissteigerung bei den Gaskosten. Die andere Hälfte trügen die Verbraucher*innen. Grundlage für die Berechnung soll der individuelle Gasverbrauch des Vorjahres sein.

Nach Aussage von Weil hätte das Modell gleich mehrere Vorteile: Zum einen würde die Unterstützung schnell und unbürokratisch bei den Menschen ankommen. Zum anderen könne der Plan jederzeit flexibel an Entwicklungen beim Gaspreis angepasst werden. Einen dritten Vorteil nennt Energieminister Lies: „Unser Modell für eine Gaspreisbremse entlastet Haushalte und Gewerbe und belohnt die, die mehr Energie sparen“, schrieb er auf Twitter.

Der Gaspreisdeckel von Weber und Dullien

Bereits im Frühjahr hatten die Wirtschaftswissenschaftler*innen Isabella M. Weber und Sebastian Dullien einen Gaspreisdeckel vorgeschlagen. Ein Grundverbrauch von 8000 Kilowattstunden im Jahr würde danach vom Staat subventioniert, sodass Verbraucher*innen nur 7,5 Cent pro Kilowattstunde bezahlen müssten, egal, wie hoch der reale Gaspreis liegt. „Das würde eine Energiegrundsicherung für alle zu bezahlbaren Preisen sicherstellen“, schrieben Weber und Dullien im „Wirtschaftsdienst“ des Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft.

Aus Sicht der beiden Wirtschaftswissenschaftler*innen hätte der Gaspreisdeckel gleich mehrere Vorteile: So würden genau die Haushalte entlastet, die mit Gas heizen und so einer besonders hohen Kostenbelastung ausgesetzt sind. Haushalte mit kleinen Wohnungen würden davon prozentual stärker profitieren. Das Gaspreisdeckel würde zudem die Inflationsrate drücken. So würde auch „der Konflikt zwischen den Tarifparteien entschärft ob Firmen oder Beschäftigte die Energiekostenlast tragen müssen“. Und: Da nur der Grundverbrauch subventioniert würde, bliebe der Anreiz zum Energiesparen auch bei einem Gaspreisdeckel bestehen.

Der Energiesparbonus von Nina Scheer

Um zusätzliche Anreize zu setzen, Energie zu sparen, hatte SPD-Energieexperin Nina Scheer im Sommer bereits einen „Energiesparbonus“ vorgeschlagen. Damit sollen Verbraucher*innen „im Verhältnis zu ihren Einsparungen entlastet werden“. Die Idee: Wer am Ende des Jahres weniger Energie verbraucht hat als im Vorjahr, also Energie gespart hat, soll dafür rückwirkend mit einem zusätzlichen Preisnachlass belohnt werden.

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Kommentare

Nur Angebotsausweitung senkt Preise

Deshalb muss in Deutschland mehr Strom produziert und Gas gefördert werden.

„Energiekrieg“ – „Abwehrschirm“ – „Doppelwumms“_1

Unsere Regierung versucht das volkswirtschaftliche, gesellschaftliche und politische Beben, das das Ausbleiben des russischen Erdgases bei uns ausgelöst hat, mit einem 200 Mrd. € „Abwehrschirm“ zu bändigen. Zusammen mit vorherigen Entlastungspaketen setzt sie etwa 300 Mrd. € ein, um die akuten Nöte der Bevölkerung und der Wirtschaft zu lindern und „den Wohlstand in Deutschland zu erhalten“. Das ist gut so, weil dringend nötig - und eine gewaltige Summe.

„Die Gaspreise in Deutschland sollen deutlich sinken (um) eine Energiegrundsicherung für alle zu bezahlbaren Preisen sicherzustellen“. Erreichen soll das z. B. das Modell Weber/Dullien (– nichts Genaues weiss man nicht –) mit dessen Eckdaten man errechnen kann, dass bei angenommenem 20.000 kWh Gasverbrauch und einem Gaspreis von 20 ct/kWh der Endverbraucher 1.000 € (25% des Marktpreises) einspart. Das ist doch toll, wird darum auch von unserer Regierung unermüdlich verbreitet.

Ich fürchte allerdings, dass der Endverbraucher, der von seinem bisherigen Preis (7,5 ct/kWh laut Modell) ausgeht und trotz der Preissubvention statt 1.500 € plötzlich 3000 € zu überweisen hat,

„Energiekrieg“ – „Abwehrschirm“ – „Doppelwumms“_2

eher auf die Verdoppelung seiner Gasrechnung blickt als auf die versprochene (und auch gegebene) staatliche Preissubvention. Vielleicht wird er auch noch merken, dass der für den Grundverbrauch (8.000 kWh) zumutbare Preis von 7,5 ct/kWh, schon um 42% höher liegt als der vor einer entsprechenden Preiserhöhung zum 1.8.
Mit dieser dramatischen Gas-Preissteigerung ist es aber noch nicht getan. „Da Gas an vielen Stellen unserer Wirtschaft ein unumgänglicher Energieträger ist, strahlen diese Preissteigerungen auf nahezu alle Bereiche der Wirtschaft aus“ (G. Horn), setzten die „wechselseitigen Sanktionen mit Russland“ eine Entwicklung in Gang, die bei uns erst 2023 voll sichtbar wird, aber auch bei den Lebensmitteln schon jetzt unübersehbar eingesetzt hat. Verteuerte Lebenshaltung trifft so auf unvermeidbare Geldschröpfung beim Gas; da ist eine Rezession, also eine deutliche Senkung des Lebensstandards, unvermeidlich. Und ein Ende dieses Zustandes ist nirgends in Sicht, denn „der Krieg in der Ukraine hat wohl das Ende des sehr erfolgreichen deutschen Wirtschaftsmodells markiert: Billige (russische) Energie und Vorleistungsgüter importieren,

„Energiekrieg“ – „Abwehrschirm“ – „Doppelwumms“_3

hochwertige Produkte in die Welt exportieren“ (Wirtschaftswoche, 28.9.22). Trotzdem ist die Abhängigkeit unserer Gesellschaft vom Gas geblieben, nur eben jetzt von den lupenreinen Demokratien der VAE und dem klimaschädlichen, mondpreisigen (Habeck) Fracking-Gas der USA. Nebenbei wurde dadurch die „Klimapolitik der Bundesregierung auf den Kopf gestellt“ (WAZ) und „die Zukunft von Milliarden Menschen“ (Spiegel) prekärer.

Für mich ist erstaunlich, dass die Doppelfrage, warum konnten wir den Krieg nicht verhindern, warum nicht die für uns so überaus schädlichen Sanktionen vermeiden, nicht gestellt wird. Natürlich geht sie nicht leicht von den Lippen, weil sofort entgegnet wird, sie kolportiere Putin-Narrative. (Das jüngste Putin-Narrativ ist der Hinweis auf Atomwaffen der Russischen Föderation.) Wenn aber unsere Wirtschaft kollabiert, was durchaus möglich ist, uns hoffentlich aber erspart bleibt, dann schützt die Totschlag-Vorhaltung „Putin-Narrativ“ nicht mehr, genau so wenig wie „Bazooka“, „Wumms“ und „Abwehrschirm“.