Meinung

DGB-Jugend zum 1. Mai: Corona-Krise nicht auf die junge Generation abwälzen

Seit Bildungsministerin Anja Karliczek den Dialog mit der Gewerkschaftsjugend verweigert hat, ist klar: Azubis, Studierende und junge Beschäftigte dürfen in der Corona-Krise nicht durchs Netz fallen. Dafür streiten wir nicht nur am 1. Mai.
von Manuela Conte · 28. April 2020
Klarer Appell der Gewerkschaftsjugend zum Tag der Arbeit: Auszubildende dürfen in der Corona-Krise nicht durchs Netz fallen.
Klarer Appell der Gewerkschaftsjugend zum Tag der Arbeit: Auszubildende dürfen in der Corona-Krise nicht durchs Netz fallen.

Soziale Kämpfe sind die DNA der Gewerkschaftsbewegung. Unser Motor für diese sozialen Kämpfe ist seit Jahrzehnten unser Wissen um die Kraft der Vielen und unser Wissen um die Kraft der Solidarität. Ebenso lange, wie diese sozialen Kämpfe wirkungsmächtig von uns geführt werden, müssen wir die Art und Weise, wie wir sie führen, an gesellschaftliche Bedingungen anpassen.

Wir demonstrieren online

Ob Globalisierung, Digitalisierung, Neoliberalismus oder damit einhergehende Wirtschaftskrisen: Wir haben uns nie von den gesellschaftlichen Veränderungen und Bedingungen treiben lassen. Im Gegenteil. Wir gestalten sie. Wir haken ein, wir widersprechen, wir korrigieren. Veränderungen bedeuten für uns zu allererst immer eines: Den Handlungsauftrag, sie im Interesse der Vielen mitzugestalten. Das gelingt uns mit der Kraft der Solidarität. Diese Kraft, sie ist und bleibt die krisenresistente Konstante gewerkschaftlicher Organisierung.

Mit diesem Startpunkt möchte ich vorschlagen, die historisch einmalige Entscheidung des DGB mit euch zu betrachten, dass die 1. Mai-Kundgebungen dieses Jahr wegen der Corona-Pandemie erstmals nicht auf Straßen und Plätzen stattfinden werden. Es gilt das Gebot der physischen Distanz, um soziale Nähe füreinander leben zu können. Corona ist also die gesellschaftliche Bedingung, welche die Art und Weise verändert, wie wir den 1. Mai 2020 als Kampftag der Gewerkschaft begehen. Corona ändert hingehen nichts daran, dass wir ihn begehen. Und dabei unüberhörbar, unübersehbar, laut, bunt und gemeinsam sein werden. Denn auch, wenn dieses Jahr alles anders ist, als die Jahre zuvor: Wir sind da. Wir sind viele. Und wir demonstrieren. online!

Krise nicht auf dem Rücken junger Generation abwälzen

Das müssen wir auch. Bereits vor Corona war das einzige, das für uns junge Menschen sicher war, dass es für uns wenig Sicherheit gibt: Die zähe Suche nach einem guten Ausbildungsplatz, Befristung über Befristung für junge Berufseinsteiger*innen, der Druck das Studium in Regelstudienzeit abschließen zu müssen oder die Niedriglohnjobs um sich über Wasser zu halten. Das Ergebnis: kaum Chancen auf dem Wohnungsmarkt, keine Chancen auf einen Kredit, keine planbare Zukunft.

Das nehmen wir nicht hin. Wir nehmen unsere Zukunft selbst in die Hand und sehen deshalb auch jetzt nicht tatenlos zu, wenn die Corona-Krise auf dem Rücken unserer Generation abgewälzt werden soll. Wir sehen aktuell in einigen Antworten der Bundesregierung auf die Corona-Krise und den Forderungen von Wirtschaft und Arbeitgebern einen massiven Angriff auf die Schutzrechte von Auszubildenden, von Studierenden und von jungen Beschäftigten. Deshalb werden wir diesen 1. Mai dafür nutzen, um eine klare Botschaft zu senden: Solidarisch kommen wir durch die Krise!

Karliczek, Azubi-Schreck

Erst dieses Jahr haben wir erreicht, dass das grundlegende Gesetz für die Berufsausbildung, das Berufsbildungsgesetz, erneuert wird. Wir haben damit Ausbildung spürbar besser gemacht und echte Verbesserungen durchgesetzt: Mindestausbildungsvergütung, Freistellung am Tag vor der Abschlussprüfung, kostenlose Fachliteratur und die Abschaffung der Rückkehrflicht in den Betrieb nach einem langen Berufsschultag. Wir haben richtig was geschafft und nach 50 Jahren Reformstau ein richtiges Upgrade für das Berufsbildungsgesetz erreicht. Diese Verbesserungen werden wir im Ausbildungsalltag spüren.

Während Bildungsministerin Karliczek den Dialog mit der Gewerkschaftsjugend verweigert hat, war es innerhalb der Koalition die SPD, die sich für die Rechte von Auszubildenden stark gemacht und ein Upgrade für das Berufsbildungsgesetz gefordert hat. Diese starke Stimme brauchen Auszubildende auch jetzt in der Koalition. Sie dürfen nicht den Entscheidungen von Frau Karliczek ausgeliefert werden. Denn die mehr als 1,3 Millionen Auszubildenden in Deutschland sind keine regulären Arbeitnehmer*innen, sondern dringend benötigte Nachwuchskräfte, die die Lerninhalte einer dualen Berufsausbildung nach festen gesetzlichen Regularien auf Basis eines gesonderten Ausbildungsvertrags lernen müssen.

Ausbildung retten

Es muss sichergestellt werden, dass sie ihre Ausbildung fortführen können und auch weiterhin die volle Ausbildungsvergütung erhalten, bis alles wieder in geordneten Bahnen verläuft. Es muss alles dafür getan werden, dass Auszubildende, die vor dem Ende ihrer Ausbildung stehen, spätestens, wenn die Ausbreitung eingedämmt wurde, ihren Abschluss machen können und in der Zwischenzeit im Ausbildungsverhältnis verbleiben können. Entlassungen von zukünftigen Fachkräften müssen unter allen Umständen vermieden werden.

Zukunft ist nicht, was morgen kommt. Zukunft ist, was wir heute daraus machen. Gerade deshalb darf im Heute nicht unter dem Deckmantel der Krise Politik auf dem Rücken von Auszubildenden gemacht werden. Dafür sind wir als Gewerkschaftsjugend am und rund um den 1. Mai laut. Denn eins ist klar: Wir wehren uns gegen jeden Rückschritt, der die Schutzrechte von Auszubildenden angreifen möchte.

Karliczek, Studi-Schreck

An deutschen Hochschulen studieren 2,9 Millionen Studierende und eine immer steigende Zahl dual Studierender. Für Studierende und dual Studierende gilt: „Viele Sudierenden-Jobs“, wie beispielsweise in der Gastronomie, liegen aufgrund der Corona-Krise brach. Darüber hinaus gibt es die Angst um den Abschluss. Klar ist: Studierende brauchen schnelle und unbürokratische Hilfen. Jetzt! Denn die Krise offenbart die Lücken im bestehenden Sozialsystem und trifft sie besonders hart. Studierende müssen aktuell um ihre Existenzsicherung fürchten, denn auf BAföG haben längst nicht alle Studierenden Anspruch.

Und dual Studierende? Ihre Rechtslage ist vor allem in praxisintegrierten Studiengängen katastrophal undurchsichtig. Auch deshalb, weil es versäumt wurde, ihnen endlich bundeseinheitliche Schutzrechte zuzugestehen und sie im Zuge der Reform des Berufsbildungsgesetzes in den Geltungsbereich des Gesetztes mit aufzunehmen. Das muss jetzt nachgeholt werden!

Vollzuschuss beim BAföG

Für Studierende fordern wir ein beschleunigtes, unbürokratisches Verfahren der Neu- und Aktualisierungsberechnung von BAföG-Ansprüchen. Darüber hinaus muss der Ausschluss weiter Teile der Studierenden vom BAföG in der Krise aufgehoben und die Förderung in einen Vollzuschuss umgewandelt werden. Ein Notlagenfonds soll all jene in Not geratene Studierende unterstützen, die trotz dieser Öffnung kein BAföG erhalten können.

Als Alternative zum Notfallfonds sehen wir die Möglichkeit, das ALG II so umzubauen, dass Studierende anspruchsberechtigt werden.  Denn Jobverluste treffen erwerbstätige Studierende hart. In der Regel haben sie aber auf Grund ihres Sozialversicherungsstatus weder Anspruch auf ALG noch aus Leistungen aus dem SGB II (ALG II). Deshalb muss es im Fall von Ereignissen wie Naturkatastrophen oder Epidemien, die den Arbeitsmarkt in Härte treffen, Sonderregelungen für Studierende geben. Gegen all das stellt sich Bundesministerin Karliczek quer. Ihr einziger Beitrag in Richtung Studierender bisher: „Verschuldet euch doch!“. Mit zinslosen Krediten. Keine Pointe. 

Macht mit! Solidarität ist die Kraft der Vielen

Dieser 1. Mai, er ist anders. Und dennoch: Wir sind da. Wir sind die Kraft der Vielen. Wir sind die Kraft der Solidarität. Macht mit! Lasst uns gemeinsam diesen 1. Mai zu einem Fest der Solidarität machen. Lasst uns gemeinsam zeigen, dass wir die junge Generation, Auszubildende, (dual) Studierende und junge Beschäftigte nicht durchs Netz fallen lassen. Lasst uns gemeinsam ein Zeichen setzen: Solidarisch kommen wir durch die Krise!

In ganz Deutschland organisiert die Gewerkschaftsjugend am 1. Mai dezentrale Mitmach-Aktionen in den sozialen Medien, ob Gif- und Emoji-Challenges, Videos, Podcasts, Onlinebasteln von 1. Mai-Nelken, Live-Talks oder Liedersingen. Darüber hinaus begehen wir den 1. Mai bundesweit digital im Livestream. Als Gewerkschaftsjugend bringen wir uns dort zum Beispiel mit unserer Forderung zur Evakuierung der Geflüchteten-Lager in Griechenland ein. Die Bundesminister Braun, Seehofer und Maas haben dazu einen offenen Brief von uns erhalten.

Im Vor- und Nachgang zum 1. Mai ruft die Gewerkschaftsjugend flächendeckend in ganz Deutschland die Bundestagsabgeordneten ihrer Wahlkreise an. Wir erwarten Stellungnahmen und vor allem Unterstützung zu unseren oben beschriebenen Forderungen. Wer sich in dieser Befragung mit Auszubildenden solidarisch zeigt, erhält den Titel „Azubi-Held*in“ von uns verliehen. Dem gegenüber steht der Titel „Azubi-Schreck“.

Die zuständige CDU-Bildungsministerin Karliczek muss – wenig überraschend – mit letzterem Titel vorlieb nehmen. Darüber hinaus finden sich unsere Forderungen in einer Online-Petition auf change.org „Azubis, Studierende und junge Beschäftigte dürfen in der Krise nicht durchs Netz fallen!“ Lasst eure Solidarität praktisch werden und unterzeichnet sie. Nicht nur für jene jungen Menschen, die sich mit ihren Problemen an unsere Beratungsteams für Studierende und an unseren „Dr. Azubi“ wenden. Sondern für eine ganze Generation, die nicht durchs Netz fallen darf. Wir zählen auf euch.

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