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Delara Burkhardt: Sie will mehr als Europa-Fahnen schwenken

Das Durchschnittsalter im Europäischen Parlament beträgt 59 Jahre. Delara Burkhardt ist 26. Die jüngste SPD-Kandidatin will Europa aufwecken und „Trumps Säbelrasseln“ eine neue Friedenspolitik entgegensetzen.
von Jonas Jordan · 19. Februar 2019
Delara Burkhardt aus Schleswig-Holstein kandidiert für die SPD bei der Europawahl.
Delara Burkhardt aus Schleswig-Holstein kandidiert für die SPD bei der Europawahl.

Es reicht ihr nicht, „Europa-Fahnen-schwenkend für das beste Friedensprojekt aller Zeiten“ zu werben. Delara Burkhardt will mehr. Sie will ins Europaparlament. Die 26-Jährige aus Schleswig-Holstein hat beste Chancen, nach dem 26. Mai als Abgeordnete in Brüssel und Straßburg tätig zu sein. Sie kandidiert für die SPD bei der Europawahl auf Platz fünf. „Ich bin erst mal vom Stuhl gefallen, als ich das erfahren habe“, sagt Burkhardt zur überraschenden Entscheidung, die sie als „starkes Zeichen des Parteivorstands“ für eine Verjüngung der SPD wertet.

Politisiert durch G8

Burkhardt wird wahrscheinlich bald die jüngste SPD-Europaabgeordnete sein. Mit 26 Jahren verfügt sie trotzdem über reichlich parteipolitische Erfahrung. Mit 15 tritt die gebürtige Hamburgerin in Schleswig-Holstein in die SPD ein. Ausschlaggebend ist damals, dass die schwarz-gelbe Landesregierung plant, das Abitur nach zwölf Jahren einzuführen. „Es hat mich super genervt, dass eine Entscheidung getroffen wird, die meine Generation betrifft, wir aber nicht mitentscheiden durften“, beschreibt Burkhardt ihren persönlichen Antrieb, sich politisch zu engagieren. 

Auch ihre Familie spielt eine große Rolle bei Burkhardts Politisierung. Ihre Mutter flieht aus politischen Gründen aus dem Iran, ihr Vater ist früher selbst in der SPD aktiv. Kurz nach ihrem Eintritt in die SPD wird Burkhardt Juso-Kreisvorsitzende. Später gehört sie dem Vorstand des Landesverbands in Schleswig-Holstein an. Inzwischen ist die Norddeutsche stellvertetende Juso-Bundesvorsitzende. Zu Beginn des vergangenen Jahres reift in ihr der Entschluss, für das Europaparlament zu kandidieren: „Ich habe das Gefühl, dass diejenigen, die aktuell in der Europäischen Union Verantwortung tragen, Europa eher verwalten. Es fehlt der Drive, um Europa fit für die Zukunft zu machen.“

Politische Stimme der Jugend

Zu jung für die Aufgabe fühlt sie sich nicht. Die stellvertretende Juso-Bundesvorsitzende tritt selbstbewusst auf und bekommt die Rückendeckung von einflussreichen SPD-Politikern wie Ralf Stegner und Kevin Kühnert. Dennoch unterliegt Burkhardt Anfang November bei der Abstimmung um Platz eins in Schleswig-Holstein knapp gegen Enrico Kreft. Auf der Bundesliste steht sie nun auf Platz fünf, Kreft auf Rang 30. Das sorgte für Kritik auf ihrem Landesverband. „Ich habe schnell klar gemacht, dass ich diesen Platz nicht als Schleswig-Holsteinerin, sondern als stellvertretende Juso-Bundesvorsitzende bekommen habe“, sagt Burkhardt. Es ist für sie ein Zeichen der Stärke, dass der Nachwuchsverband so prominent berücksichtigt wurde: „Wir haben gezeigt, dass die Partei mit uns Zukunftsideen bekommt.“

Ähnlich souverän reagiert sie auf Kritik, sie sei zu jung für ein Mandat als Abgeordnete. Die Parole „Kreißsaal, Hörsaal, Plenarsaal“ hört sie immer wieder, meistens von Männern. Dazu sagt Burkhardt: „Das diskreditiert die Erfahrungswelt junger Menschen.“ Die 26-Jährige, die zuletzt für eine Hamburger Kommunikationsagentur gearbeitet hat, ist überzeugt: „Diese Lebensrealitäten brauchen eine politische Stimme.“ Es geht ihr allerdings nicht nur darum, dass junge Menschen im Parlament vertreten sind. Sie möchte in erster Linie solidarische Politik auf europäischer Ebene mitgestalten. „Da sitzen zu viele Leute im Parlament, die das so nicht mehr machen.“ Welche Forderungen Burkhardt stellt, machte sie bereits Anfang Oktober in einem Interview mit dem „vorwärts“ deutlich: „Wir haben vier Ansprüche und fordern: ein offenes Europa in Bezug auf Grenzen und Mobilität, ein junges Europa, das zukunftsfähig ist, ein gerechtes Europa hinsichtlich der Verteilung des Wohlstands und ein nachhaltiges Europa mit Blick auf ökologische Themen.“

Delara Burkhardt international

Der Wahlkampf der SPD steht unter dem Slogan „Europa ist die Antwort“. Die dazu gehörige Frage ist für Burkhardt vielschichtig: „Wie können wir solidarisch gegensteuern in einer Welt, in der es für Großkonzerne unfassbar leicht ist, das Maximum für sich herauszuholen, in der Menschen ertrinken, obwohl genug Länder bereit sind, diese Menschen aufzunehmen, in der gut ausgebildete Menschen in Spanien es nicht schaffen, einen Job zu finden?“ Burkhardt möchte Lösungen auf diese Fragen durch internationale Zusammenarbeit finden. Im Bundesvorstand der Jusos ist sie zuständig für Internationales. Sie ist im Vorstand des Fördervereins des Willy-Brandt-Centers, das seinen Sitz in Ost-Jerusalem hat und sich für eine friedliche Lösung des Nahost-Konfliktes einsetzt, und brachte jungen Menschen in Tunesien, Mexiko und Bosnien-Herzegowina die Sozialdemokratie näher. Im EU-Parlament möchte Delara Burkhardt künftig gerne im Auswärtigen Ausschuss arbeiten und insbesondere die Länder im Ostseeraum besser miteinander vernetzen.

„Dänemark ist mir näher als Bayern“, sagte Burkhardt im Interview mit dem „vorwärts“. Trotzdem würde sie jederzeit auch mit bayrischen Genossen ein Weißbier trinken. Die Gelegenheit dazu hat sie demnächst bei einem Wahlkampftermin in Regensburg. Ohnehin ist die 26-Jährige momentan quer durch die Republik für Europa unterwegs. Innerhalb weniger Tage ist sie in Kiel, Halle, Berlin, Bremen und Bayern. Die Zeit zwischen den Terminen nutzt sie zum Beispiel, um via Instagram Fragen zu ihrer politischen Arbeit zu beantworten. „Social Media war für mich immer wichtig, um mein politisches Engagement zu zeigen“, sagt die Kandidatin. Mehr als 2.000 Menschen folgen ihr auf Instagram. Die Zahl ist deutlich gestiegen seit das junge Medienportal ze.tt ihren Account in einem Artikel angepriesen hat. 

Ihr Interview wird zum Bestseller

Am 9. Januar schreibt Burkhardt auf Instagram: „Heute haben mich Lilly und Teetje vom ,Der Heimgärtner', der Schülerzeitung der Heimgartenschule in Ahrensburg, zu meiner Kandidatur für das Europaparlament befragt. Danke für das coole Gespräch.“ „Der Heimgärtner“ wird 2018 zur besten Schülerzeitung des Landes Schleswig-Holstein gewählt. Die Ausgabe mit Burkhardts Interview ist auf dem Schulhof schon nach der zweiten Pause ausverkauft. Sich mit Schulklassen zu treffen gehört für Burkhardt zu ihren liebstenn Termine im Wahlkampf. Es ist für sie die Möglichkeit, mit jungen Menschen ins Gespräch zu kommen, zu erfahren, was deren Vorstellungen von europäischer Politik sind und über ihre eigenen Inhalte zu reden.

Da geht es für Burkhardt – auch aufgrund ihrer eigenen Familiengeschichte – vor allem um Migrationspolitik. Sie kritisiert den Kurs der Europäischen Union: „Menschen ersaufen im Mittelmeer vor den Grenzen des Friedensprojektes, während Europa zuschaut.“ Dagegen lobt sie Gesine Schwan, die sie „extrem beeindruckend“ findet. Schwan hat ein Konzept entwickelt, nach dem Geflüchtete auf Städte und Kommunen verteilt werden sollen, die sich freiwillig zur Aufnahme bereit erklären. Diese sollen nicht nur das Geld für die Integration der Geflüchteten bekommen, sondern zusätzlich die gleiche Summe für Investitionen in Bildung und Infrastruktur. Delara Burkhardt wünscht sich weitere solidarische Lösungen in der europäischen Außenpolitik: „Was gegen die Trumps dieser Welt hilft, ist nicht Säbelrasseln oder Aufrüsten, sondern Zusammenarbeit auf Augenhöhe.“

Dafür kämpft sie bis zum 26. Mai. Denn Burkhardt möchte zeigen, dass Europapolitik kein Randthema ist. „Europa ist ein Lebensraum, der alle Menschen betrifft. Deswegen ist es mir wichtig, Schleswig-Holstein im Europaparlament zu vertreten.“ Kevin Kühnert traut ihr das in jedem Fall zu. „Delara ist in Pinneberg und Husum genauso zu Hause wie in Bratislava oder Lissabon. Immer hat sie für den Internationalismus gebrannt“, sagt der Juso-Bundesvorsitzende. Die letzte Etappe ihres Wahlkampfs steht am 25. Mai an. Dann startet sie mit einer Staffel beim „Lauf zwischen den Meeren“ in Schleswig-Holstein. Delara Burkhardt läuft die letzten acht Kilometer bis zum Strand von Damp an der Ostsee. Es wird für sie der Endspurt eines langen Wahlkampfs, den sie auf zwei Ebenen gleichzeitig führt, in Schleswig-Holstein und bundesweit für die Jusos.   

Autor*in
Jonas Jordan
Jonas Jordan

ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo

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