Inland

Warum wir unsere Daseinsvorsorge modernisieren müssen

Ob Wohnungsmarkt, Schulen oder Gesundheitssystem: Öffentliche Güter sind wichtig für alle, denn niemand kann auf sie verzichten. Deshalb spielen Wettbewerb, Gemeinnützigkeit, Stadtwerke und Staat eine wichtige Rolle.
von Gustav Horn · 3. Juli 2023
Besonders beim Wohnungsmarkt könnte Gemeinnützigekeit den Mieter*innen zu mehr Macht verhelfen
Besonders beim Wohnungsmarkt könnte Gemeinnützigekeit den Mieter*innen zu mehr Macht verhelfen

Das Auto im Stau, der Zug überfüllt und unpünktlich, der Arzttermin in einem Vierteljahr, kein Platz im nahegelegenen Krankenhaus, die Wasser-, Strom- und Heizungsrechnungen horrend, die Miete erdrückend und das Bürgeramt geschlossen, während die Kinder in zu großen Klassen in einem notdürftig errichteten Container lernen. Wer kennt ihn nicht, diesen oder ähnlichen Ärger, der das Leben so vieler täglich beschwert und damit den politischen Verdruss im Lande schürt. 

Was sind Güter der Daseinsvorsorge?

So verschieden die Gründe sein mögen, all diesen Beschwernissen ist etwas gemeinsam: Es geht um Güter der Daseinsvorsorge, auch Fundamentalgüter genannt. Sie weisen eine Besonderheit auf. Anders als andere Güter, steht einem nicht frei, ob man diese Güter kauft oder nicht. Man braucht sie einfach. Jeder muss sich fortbewegen, jeder muss heizen oder Strom verbrauchen, alle müssen zur Schule, alle wollen gesund sein und alle müssen wohnen. Zudem sollte der Konsum dieser Güter jederzeit mit Sicherheit gewährleistet sein.

Diese Güter sind also wichtig für uns alle, wichtiger jedenfalls als für deren Anbieter, die immer die Möglichkeit haben, auf ihre Angebot zu verzichten oder es zu reduzieren. Uns, den Konsumentinnen und Konkurrenten, fehlt hingegen bei diesen Gütern weitgehend die Macht des Verzichts. Genau dies ist die Wurzel für den üblen Zustand, in dem sich viele Bereiche unserer Daseinsvorsorge derzeit befinden.

Sicherheit des Angebots garantieren

Viele dieser Bereiche sind in den vergangenen Jahrzehnten privatisiert und damit marktwirtschaftlichen Prozessen unterworfen worden. Das Ziel war, knappe Ressourcen möglichst effizient und günstig zu nutzen. Damit würden die Kosten im Gesundheitssystem oder bei der Energieversorgung möglichst gering gehalten, so die Argumentation. Zwei Dinge wurden dabei jedoch übersehen.

Das erste ist das beschriebene Machtgefälle. Dies ermöglicht privaten Anbieter*innen auf diesen Märkten sogenannte Produzentenrenten abzuschöpfen. Das sind zusätzliche Gewinne, die ihnen durch ihre Marktmacht zufallen und die zu Lasten von Konsument*innen gehen, also uns allen. Es wird also für uns eben nicht billig.

Das zweite betrifft die Sicherheit des Angebots. Sie steht im Konflikt mit dessen Effizienz. Puffer und Vorratshaltung kosten schließlich Geld. Sie werden daher von gewinnorientierten Anbieter*innen möglichst knapp gehalten. Das mag in normalen Zeiten und bei normalen Gütern ausreichen. In Zeiten sich überlappender Krisen und bei Gütern der Daseinsvorsorge führt es genau zu jenen Zuständen, die wir gerade beklagen. 

Gemeinnützigkeit, Stadtwerke, Staat

Es wäre allerdings ein Kurzschluss nun einfach zu fordern, das Angebot dieser Güter zu verstaatlichen. Denn der Staat hat es in der jüngsten Vergangenheit, siehe Bahn, nicht besser gemacht. Wenn wie bei der Bahn im Fernverkehr und bei der Infrastruktur sogar eine faktische Monopolstellung hinzukommt, wiegt diese Verhaltensweise doppelt schwer. 

Der Ausweg besteht in einer stärkeren Förderung eines Dreiklangs von mehr Wettbewerb auf der Anbieterseite vor allem durch gemeinnützige Anbieter*innen. Wo dies nicht möglich ist, braucht es strengere Regulierung sowie finanzielle Anreize, um die Sicherheit des Angebots zu erhöhen. Mehr Wettbewerb durch gemeinnützige Unternehmen würde vor allem auf dem Wohnungsmarkt und im Gesundheitssystem die wirtschaftliche Macht zugunsten der Konsument*innen verändern. Bei der Energieversorgung könnten Stadtwerke, die von ihren Kommunen nicht auf hohe Gewinnerzielung getrimmt werden, eine die Preise stabilisierende Rolle spielen. Nur dort, wo dies alles nicht funktioniert, sollte der Staat selbst als Anbieter auftreten und nicht auf Gewinnerzielung aus sein. Das ist vor allem bei der Infrastruktur im Verkehrssektor zu  empfehlen. Eine Alternative sind streng regulierte, im Wettbewerb stehende private Anbieter.

Modernisierung notwendig

Die Sicherheit des Angebots zu erhöhen, ist vor allem im Energiebereich, bei der Mobilität  und im Gesundheitssektor akut. Hier sind bereits zahlreiche Maßnahmen der Bundesregierung unterwegs. So sind die Anforderungen an die Energiespeicher erhöht worden und werden Netze sowie Erneuerbare Energien beschleunigt ausgebaut. Die geplante Krankenhausreform soll die Grundversorgung in der Fläche stärken und zugleich die Kompetenz in der Spitze fördern. Die Bahn wird nunmehr generalsaniert.      

Politisch heißt dies, der Weg aus weitverbreitetem Ärger und Verdruss führt über eine beherzte Modernisierung unserer Daseinsvorsorge. Es muss endlich wieder das Gefühl entstehen, dass die Güter der Daseinsvorsorge das tägliche Leben leichter und nicht schwerer machen. 

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Gustav Horn

ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Duisburg-Essen. Er gründete und war von 2005 bis 2019 wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der Hans-Böckler-Stiftung.

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