Corona-Krise: Warum für viele Soloselbstständige die Hilfe nicht reicht
Ute Grabowsky/photothek.net
Frau Mirschel, Sie beraten selbständig tätige verdi-Mitglieder. Mit welchen Problemen sehen sich Selbstständige in der Corona-Krise konfrontiert?
Derzeit geht es massiv um die Unklarheit bei den ausgezahlten Soforthilfen. Nordrhein-Westfalen und Berlin haben zu Beginn der Krise ja unkompliziert Soforthilfen bereitgestellt. Als die Töpfe dann leer waren, kam der Bundeszuschuss, der jedoch ausschließlich für betriebliche Ausgaben zur Verfügung steht. Viele Kolleg*innen haben die finanzielle Hilfe genommen, im Vertrauen darauf, dass sie sie auch für Lebenshaltungskosten ausgeben können. Man muss dazu sagen, dass die Bedingungen, unter denen diese Zuschüsse ausgezahlt wurden, zum Teil einfach unverständlich beschrieben waren.
Soloselbstständige sind bei den zugrundeliegenden Überlegungen durchgefallen. Sie haben in der Regel keine Betriebsstätte zu unterhalten, sondern ihren Kopf und ihren Magen. Das Private ist bei ihnen nicht zu trennen vom Betrieb, da ist das Ich der Betrieb.
Wer sind diese Soloselbstständigen, die ver.di vertritt, wen kann man sich darunter vorstellen?
Das sind mehrheitlich, unserem historischen Kontext entsprechend, Kultur- und Medienschaffende. Dazu kommen freischaffende Dozent*innen im Bildungsbereich oder Gesundheitswesen wie Physiotherapeut*innen oder Yogalehrer*innen. 95 Prozent dieser Kolleg*innen haben keine erheblichen betrieblichen Ausgaben, maximal ein Zimmer als Büro in der Wohnung, das sie steuerlich absetzen können.
Wie stehen diese Betroffenen zum Antrag auf Grundsicherung?
Den vom Bundesarbeitsministerium eingeführten erleichterten Zugang zur Grundsicherung empfinden sie zum Teil als entwürdigend. Auch wird von Menschen, die sich nicht unbedingt gut mit Bürokratie auskennen, ein Antrag auf Hartz IV nicht gerade als leicht empfunden, denn es sind eine Menge Unterlagen auszufüllen, von den geforderten Nachweisen ganz zu schweigen. Eigentlich müsste es reichen zu sagen, ich brauche das jetzt.
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Müssen die Kolleg*innen jetzt zwei Anträge ausfüllen, die Grundsicherung und den Bundeszuschuss?
Es gibt ein gutes Referenzmodell: Baden-Württemberg hat ein Antragsformular und festgelegt, dass die Landeshilfe in Höhe von monatlich 1180,- Euro zum Leben verwendet werden kann. Gleichzeitig lassen sich mit dem gleichen Formular auch betriebliche Ausgaben beantragen, wenn es Ausgaben geben sollte. Damit erleichtert man nicht nur den Antragsteller*innen das Leben, sondern entlastet auch dem ganzen Verwaltungsapparat.
Reichen die Hilfemaßnahmen aus?
Bei vielen Selbstständigen setzt die Krise ja jetzt erst ein, die hatten noch Aufträge abzuarbeiten, bei anderen hat sie sofort zugeschlagen, bei jenen, die im Veranstaltungsbereich tätig sind. Die Hoffnung auf neue Aufträge zieht sich in diesem Bereich immer weiter hinaus, je länger die Krise anhält. Da sind die Soforthilfen bereits verpufft. Die Soforthilfen für Selbstständige waren anfangs für drei Monate gedacht, da ist bereits absehbar, dass das für viele nicht reichen wird.
Was muss jetzt passieren?
Es muss jetzt vor allem zügig gehandelt werden, denn man kann diese Menschen nicht einfach im Regen stehen lassen. Allerdings macht die Krise auch überdeutlich sichtbar, wie schlecht die Absicherung von Soloselbständigen im Alltag ist. Kolleg*innen im Bildungsbereich oder freischaffende Journalist*innen wurden bisher so schlecht bezahlt, dass sie schon ohne Krise kaum über die Runden gekommen sind, an Rücklagen gar nicht zu denken. Wenn wir also eine Lehre aus der Krise ziehen, dann die, das selbständige Arbeit in vielen Bereichen finanziell deutlich besser bewertet werden muss.
Veronika Mirschel ist Bereichsleiterin bei der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) im Referat Selbstständige und Freie
hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.