Corona-Hilfe für Studierende: Warum die Jusos Ministerin Karliczek kritisieren
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Lange war von Anja Karliczek wenig zu hören, wie Studierenden in der Coronakrise geholfen werden könnte. Nun steht am Donnerstag ein Gesetzespaket zur Abstimmung, das die finanziellen Nöte lindern soll. Doch die Kritik an dem zentralen Instrument reißt nicht ab: Studierende sollen zinslose Notkredite aufnehmen, wenn ihnen in der Corona-Krise das Geld für Lebensmittel und Miete ausgeht. Für Oliver Nerger, Mitglied im Bundesvorstand der Juso-Hochschulgruppen, sind Kredite aber kein Ersatz für echte Hilfen. Karliczek würde sich nur an Ideologien klammern, statt den Studierenden wirklich zu helfen: „Sie nimmt in Kauf, dass sich Studierende in dieser existenzbedrohenden Krise weiter verschulden müssen.“
Für Nerger ist ein schuldenfinanziertes Studium ohnehin nicht der richtige Weg für einen guten Abschluss: „Studienkredite sind kein Ersatz für ein gerechtes und zeitgemäßes staatliches System der Studienfinanzierung, welches der Lebensrealität der Studierenden entspricht und ein unabhängiges, von finanziellen Nöten freies Studium ermöglicht.“ Schon vor der Krise hatten sich die Juso-Hochschulgruppen deswegen für ein eltern- und einkommensunabhängiges Bafög eingesetzt, dass allen in voller Höhe zustehen soll. Vor der Coronakrise hatten rund ein Drittel der Studierenden einen Nebenjob, um ihr Konto aufzubessern – viele arbeiteten allerdings in der Gastronomie und anderen Branchen, die in der Corona-Krise keine Studierenden mehr beschäftigen können.
Kredit für's Studium – kaum gefragt
Denn auch vor der Krise waren Kredite für die überwiegende Mehrheit der Studierenden offenbar keine Option, erklärt Oliver Nerger mit Blick auf die Statistik: 2019 hatten nach Zahlen des Centrums für Hochschulentwicklung CHE rund 93.000 Studierende eine Kredit für ihr Ausbildung aufgenommen, das sind nur drei Prozent der in Deutschland eingeschriebenen Studierenden, der Trend ist obendrein rückläufig. „Studienkredite spielen bei der Studienfinanzierung nur eine geringe Rolle und werden kaum nachgefragt“, leitet Nerger daraus ab. Für viele sei die Angst vor einer Verschuldung zu groß. Der angehende Jurist ist sich außerdem sicher: „Mit der aktuellen Einigung werden Studierende wesentlich stärker die Nothilfefonds der Studierendenwerke abfragen, als sich auf einen Kredit einzulassen.“ Die gewähren Zuschüsse für Studierende in finanziellen Nöten, die sie nicht als Kredit zurückzahlen müssen.
Deswegen rät Nerger auch anderen Studierenden unabhängig von der Einigung im Bundestag, bei finanziellen Sorgen zunächst die Studierendenwerke zu kontaktieren oder die BAföG- und Sozialberatungsstellen der allgemeinen Studierendenvertretungen vor Ort. Außerdem ist der Bafög-Topf gut gefüllt, wie der Juso schon im April erklärt hatte – rund 900 Millionen Euro wurden im vergangenen Jahr im Haushalt dafür eingeplant, aber am Ende nicht abgerufen.
Weitere Hilfen notwendig
Einen Lichtblick sieht der Juso aber dennoch mit Blick auf die Bundestagsdebatte: „Dass es nun – zusätzlich zu den geplanten Darlehen – unbürokratische, nicht rückzahlbare Zuschüsse für Studierende in akuten Notlagen gibt, ist einzig und allein der SPD zu verdanken.“ Die vereinbarten Hilfen dürften aus seiner Sicht aber nicht ausreichen, um allen derzeit eingeschriebenen Studierenden gleichermaßen zu Helfen. „Die 100 Millionen Euro werden bei Weitem nicht ausreichen, um in Not geratene Studierende zu unterstützen. Hier muss dringend nachgelegt werden!“
Einige Hochschulgruppen, darunter auch der freie Zusammenschluss der Student*innenschaften fzs, hatten indes die Ministerin zum sofortigen Rücktritt aufgefordert. Die Studierenden werfen der Christdemokratin – ebenso wie die Juso-Hochschulgruppen – ein Versagen auf ganzer Linie in der Corona-Krise vor. Einen Rücktritt fordert Nerger nicht, aber seine Kritik ist hingegen nicht weniger deutlich: „Die Union sollte sich die Frage stellen, ob diese Ministerin noch haltbar ist.“