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„Chaos, Bürgerkrieg und Todesfälle“: Ex-Generale drohen Macron

Aus Frankreichs Militär und Polizei gibt es eine Drohung an Präsident Macron: Entweder er verteidige die Nation gegen die Islamisten oder man werde selbst tätig. Die Rechtsextreme Marine Le Pen reibt sich die Hände. Ihre Siegeschancen bei der Präsidentschaftswahl 2022 steigen.
von Kay Walter · 28. April 2021
In Frankreich spielt das Militär traditionell eine wichtige Rolle: Hier zu sehen bei der Militärparade mit Präsident Macron in Paris am Nationalfeiertag im Jahr 2018.
In Frankreich spielt das Militär traditionell eine wichtige Rolle: Hier zu sehen bei der Militärparade mit Präsident Macron in Paris am Nationalfeiertag im Jahr 2018.

20 pensionierte Generale haben mit 1000 Unterstützern aus Militär und Polizei einen Offenen Brief an Präsident Emmanuel Macron geschrieben. Sie warnen vor einem angeblich bevorstehenden Bürgerkrieg, hervorgerufen durch „fanatische Horden des Islamismus“ und linken Kreisen aus den banlieues.

„Für die Rückkehr der Ehre in unsere Regierung“, lautet der Titel des Schreibens, das Frankreich in helle Aufregung versetzt. Allein das ein Affront. Die Unterzeichner warnen Präsident Macron vor Chaos und Bürgerkrieg. Ihre Unterstützung verdienten nur solche politischen Führer, die den Patriotismus verteidigten und mit aller Härte den „Schutz der Nation gewährleisten“.

Ex-Militärs warnen vor „Chaos, Bürgerkrieg und Todesfälle“

Von Tag zu Tag steige die Gewalt, so die Militärs, um dann die Regierung ultimativ aufzufordern, über „das Geschwätz und das schuldhafte Schweigen hinauszugehen“ und endlich zur Tat zu schreiten. Anderenfalls sei die Regierung „für wachsendes Chaos, Bürgerkrieg und Todesfälle“ verantwortlich.

Der Text strotzt vor antidemokratischen, reaktionären Thesen, sowie vor islamfeindlichen und homophoben Grundannahmen. Vieles davon wäre in Deutschland strafbar. Er gipfelt in der Aussage, man werde nicht tatenlos und passiv zusehen, man sei auch nach dem Ausscheiden aus dem aktiven Dienst „der Fahne und dem Vaterland bis in den Tod verpflichtet“ und werde „die aktiven Kameraden zu einer gefährlichen Mission auffordern“, wenn nicht in ihrem Sinn gehandelt werde.  Das kommt einer Putschdrohung schon sehr, sehr nahe.

Marine Le Pen: Militärs sollen sie unterstützen

Entsprechend groß ist die Aufregung in Frankreich. Verteidigungsministerin Florence Parly kündigte umgehend Konsequenzen an. Präsident Macron und Premier Castex straften die Ex-Generale dagegen bislang mit demonstrativer Nicht-Beachtung.

Marine Le Pen bestreitet, in irgendeiner Form am Aufruf beteiligt gewesen zu sein, nur um die Generale aufzufordern, sich ihrer Wahlkampagne anzuschließen. Wobei die Mehrheit der Erstunterzeichner bereits einschlägig bekannt ist. Entweder sind sie Mitglieder von Le Pens Rassemblement Nationale oder stehen der „identitären Bewegung“ nahe. Nichts Neues also. Warum die Aufregung?

Frankreichs Militär kennt keine „innere Führung“

Man mag es für übertriebene Hybris halten, wenn die Generale behaupten, „das französische Volk vertraue nicht seiner Regierung, sondern ausschließlich seiner Armee“. Entscheidender ist die Frage, wieviel Zustimmung derartiges Gedankengut in der französischen Armee findet. Der drittgrößten Armee der NATO gehören neben Luftwaffe, Marine und Heer (inklusive Fremdenlegion) auch die Gendarmerie nationale (mit allein über 100.000 Soldaten), sowie die Feuerwehren von Paris und Marseille an.

Es steht zu befürchten, dass die Unterstützung erheblich ist. Das Prinzip der „Inneren Führung“ kennt man in Frankreich nicht. Mehr noch, es wird abgelehnt. Hier betont man die „Singularität der Armee“. Mag ein realer Putsch auch unvorstellbar sein, dass ein größerer Teil der Menschen unter Waffen heftige Ressentiments gegen den derzeitigen „Zustand der Demokratie“ hegt, scheint mehr als nur möglich.

Brutaler Terror: 17 Anschläge auf Sicherheitskräfte

Es stimmt: Die vielen, extrem brutalen Terrorakte der vergangenen Monate haben die französische Öffentlichkeit nachhaltig verstört. Der Mord an einer Polizistin am Freitag letzter Woche in Rambouillet war der 17. Anschlag auf Sicherheitskräfte in sieben Jahren. Und der auf offener Straße geköpfte Lehrer Samuel Paty und drei erstochene Kirchgängerinnen in Nizza sind eben längst nicht die einzigen Opfer fanatisierter Mörder.

Der Grundkonsens der französischen Politik verschiebt sich gerade nach Rechts. Das Wort „Islamogauchismus“, das die angebliche Allianz von Linken und gewaltbereiten Islamisten beschreiben soll, ist inzwischen in den allgemeinen Sprachgebrauch eingegangen. Und kaum jemand scheint das zu stören. Das klingt nicht nur wie „linksversifft“, das meint auch eben dieses und kommt als dem nämlichen ideologischen Sumpf.

Le Pen diesmal aussichtsreicher als bei letzter Wahl

Natürlich muss man das alles als Vorboten des Wahlkampfs um das Präsidentenamt im kommenden Jahr verstehen, bei dem erneut Marine Le Pen im entscheidenden zweiten Wahlgang erwartet wird. Dieses Mal aussichtsreicher als beim letzten Mal. Sie ist Hauptprofiteurin einer erkennbaren Radikalisierung der Debatte.

Überholt, dass sie für bürgerliche Kreise nicht wählbar ist. Ihre Parolen und Forderungen sind im mainstream angekommen. „Alle Fremden raus“ unterschreiben unterdessen auch viele Konservative und übersehen dabei geflissentlich, dass das Gros derer, die sie meinen, in Frankreich geboren, aufgewachsen und ausgebildet ist. Und natürlich die französische Staatsbürgerschaft besitzt.

Die Linke bleibt bedeutungslos

Der bürgerliche Ex-Minister Xavier Bertrand, forderte jüngst pauschal 50 Jahre Haft für alle Terroristen. Man könne schließlich nicht wissen, wer bekehrt werde und wörtlich: „Wenn man einen Krieg führt, muss man sich auch die Mittel geben, den zu gewinnen.“

Und die Linke? Die ist, man muss es leider so sagen, in der Versenkung verschwunden und mit den Positionen eines Jean-Luc Mélenchon auch weiter zur Bedeutungslosigkeit verurteilt. Das ist Teil des Problems und auch ein Grund dafür, warum der Kompass der französischen Politik auf rechts gedreht hat.

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