Wo CDU und AfD gemeinsame Sache machen
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Im Frühjahr fand Paul Ziemiak klare Worte. „Die Alternative für Deutschland ist eine in weiten Teilen antidemokratische, geschichtsvergessene, faschistoide und menschenverachtende Partei“, schrieb der CDU-Generalsekretär in einer E-Mail an die Parteimitglieder. Kurz zuvor war der FDP-Politiker Thomas Kemmerich mit den Stimmen seiner Partei sowie denen von CDU und AfD zum thüringischen Ministerpräsidenten gewählt worden.
Die AfD sei eine gefährliche Partei schrieb Ziemiak weiter. „Sie ist antibürgerlich, in Teilen rechtsextremistisch und antisemitisch.“ Deshalb, schloss der Generalsekretär, „sieht die CDU die AfD als politischen Gegner, mit dem es keine Zusammenarbeit geben kann. Koalitionen oder irgendeine andere Art der Zusammenarbeit sind für aufrechte Christdemokraten ausgeschlossen. Das wäre ein Verrat an unseren christdemokratischen Werten.“
Gera: Spekulationen über die Wahl des Stadtratsvorsitzenden
In der politischen Praxis sieht das jedoch ganz anders aus. Auf kommunaler Ebene gibt es mittlerweile zahlreiche Beispiele für die Zusammenarbeit zwischen CDU und AfD. So sorgte Ende September die Wahl des AfD-Politikers Reinhard Etzrodt zum Vorsitzenden des Stadtrats in Gera bundesweit für Aufsehen. Er erhielt 23 von 40 Stimmen. Seine Partei verfügt lediglich über 12 Sitze.
Von welcher Partei die elf Stimmen kamen lässt sich zwar wegen des Wahlgeheimnisses nicht nachvollziehen. Neben zwei Bürgerbündnissen, die jeweils drei Stadtverordnete stellen, sind allerdings nur SPD, Linkspartei und Grüne mit mehr als einem Mandat im Stadtrat vertreten. Dass zumindest Teile der CDU für den AfD-Mann stimmten gilt damit als äußerst wahrscheinlich.
„Bemerkenswerte Einigkeit“ zwischen CDU und AfD
In Zwickau kam es im August vergangenen Jahres zu einer deutlich offeneren Zusammenarbeit. Bei der Besetzung des Verwaltungsrates der kommunalen Sparkasse zog die CDU-Fraktion einen eigenen Kandidaten zurück, um einen AfD-Mann zu stützen. Zwischen den Fraktionen CDU/FDP und AfD im Stadtrat herrsche „bemerkenswerte Einigkeit in wesentlichen Fragen“, schrieb die lokale Presse.
Im Saale-Holzland-Kreis wurde im September 2019 ein AfD-Politiker als Vertreter des Kreises in den Verbandsrat eines überregionalen Zweckverbandes entsandt. Dieser war zuvor bei der rechtsextremen Thügida aufgetreten. In offener Abstimmung erhielt der Mann 30 von 39 Stimmen. Neben den Mitgliedern einer Bürgerinitiative und des Bauernverbands stimmten die Vertreter*innen der CDU und der FDP für den AfD-Mann.
Gemeinsame Fraktionen von CDU und AfD
In Frankenstein in Rheinland-Pfalz bildeten CDU und AfD im vergangenen Jahr vorübergehend eine gemeinsame Fraktion. Nach Protesten wurde die CDU-Vertreterin aus der Partei ausgeschlossen. In Eisleben war ein AfD-Mann, der an Neonazi-Aufmärschen teilgenommen hatte, in die CDU-Fraktion im Stadtrat aufgenommen worden. Nach Medienberichten wurde das wieder rückgängig gemacht. Das Internetportal „Endstation Rechts“ spricht von einem „Handschlag in den Stadträten“ zwischen CDU und AfD.
Doch auch auf Landesebene gab es in den vergangenen Monaten deutliche Lockerungsübungen auf Seiten der CDU. In Mecklenburg-Vorpommern war vor einigen Wochen von einem möglichen „Deal“ zwischen AfD und CDU die Rede, weil der AfD-Fraktionsvorsitzende im Landtag, Nikolaus Kramer, bei der Wahl im kommenden Jahr nicht in seinem eigentlichen Wahlkreis kandidieren will, um nicht gegen den Landesvorsitzenden der CDU anzutreten. Ansonsten würden sich „zwei bekannte Politiker aus dem konservativen Lager gegenseitig pulverisieren“, sagte Kramer der „Schweriner Volkszeitung“.
Eine CDU-Minderheitsregierung toleriert von der AfD
Im Februar dachte der der stellvertretende Vorsitzende der CDU-Fraktion im Landtag von Sachsen-Anhalt, Lars-Jörn Zimmer, öffentlich über eine von der AfD tolerierte Minderheitsregierung der CDU nach. Unterstützung gab es u.a. von Britta Klobe, Mitglied der Frauen Union in Sachsen-Anhalt: „Die AfD gehört ja nun mal mit dazu, weil die wurde ja von den Bürgern und gerade aus der Basis her gewählt“, sagte sie dem ZDF
Zwar schloss CDU-Landeschef Holger Stahlknecht eine solche Konstellation sofort aus, doch die Stimmen aus seiner Partei, die mehr Offenheit gegenüber der AfD fordern, sind seither nicht verstummt. Dass beide Parteien im Magdeburger Landtag nun ein stilles Bündnis gegen die Erhöhung der Rundfunkgebühren bilden, könnte also mehr als ein Zufall sein.
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.