Von Zwickau bis Magdeburg

Wo CDU und AfD gemeinsame Sache machen

Kai Doering03. Dezember 2020
Schwarz zu Blau: Obwohl die Bundespartei gemeinsames Handeln ablehnt, kommt es immer wieder zu einer Zusammenarbeit zwischen CDU und AfD.
Schwarz zu Blau: Obwohl die Bundespartei gemeinsames Handeln ablehnt, kommt es immer wieder zu einer Zusammenarbeit zwischen CDU und AfD.
In Sachsen-Anhalt wollen CDU und AfD gemeinsam gegen die Erhöhung der Rundfunkgebühren stimmen. Es ist bei weitem nicht der erste Fall, in dem beide Parteien zusammenarbeiten. Eine Übersicht

Im Frühjahr fand Paul Ziemiak klare Worte. „Die Alternative für Deutschland ist eine in weiten Teilen antidemokratische, geschichtsvergessene, faschistoide und menschenverachtende Partei“, schrieb der CDU-Generalsekretär in einer E-Mail an die Parteimitglieder. Kurz zuvor war der FDP-Politiker Thomas Kemmerich mit den Stimmen seiner Partei sowie denen von CDU und AfD zum thüringischen Ministerpräsidenten gewählt worden.

Die AfD sei eine gefährliche Partei schrieb Ziemiak weiter. „Sie ist antibürgerlich, in Teilen rechtsextremistisch und antisemitisch.“ Deshalb, schloss der Generalsekretär, „sieht die CDU die AfD als politischen Gegner, mit dem es keine Zusammenarbeit geben kann. Koalitionen oder irgendeine andere Art der Zusammenarbeit sind für aufrechte Christdemokraten ausgeschlossen. Das wäre ein Verrat an unseren christdemokratischen Werten.“

Gera: Spekulationen über die Wahl des Stadtratsvorsitzenden

In der politischen Praxis sieht das jedoch ganz anders aus. Auf kommunaler Ebene gibt es mittlerweile zahlreiche Beispiele für die Zusammenarbeit zwischen CDU und AfD. So sorgte Ende September die Wahl des AfD-Politikers Reinhard Etzrodt zum Vorsitzenden des Stadtrats in Gera bundesweit für Aufsehen. Er erhielt 23 von 40 Stimmen. Seine Partei verfügt lediglich über 12 Sitze.

Von welcher Partei die elf Stimmen kamen lässt sich zwar wegen des Wahlgeheimnisses nicht nachvollziehen. Neben zwei Bürgerbündnissen, die jeweils drei Stadtverordnete stellen, sind allerdings nur SPD, Linkspartei und Grüne mit mehr als einem Mandat im Stadtrat vertreten. Dass zumindest Teile der CDU für den AfD-Mann stimmten gilt damit als äußerst wahrscheinlich.

„Bemerkenswerte Einigkeit“ zwischen CDU und AfD

In Zwickau kam es im August vergangenen Jahres zu einer deutlich offeneren Zusammenarbeit. Bei der Besetzung des Verwaltungsrates der kommunalen Sparkasse zog die CDU-Fraktion einen eigenen Kandidaten zurück, um einen AfD-Mann zu stützen. Zwischen den Fraktionen CDU/FDP und AfD im Stadtrat herrsche „bemerkenswerte Einigkeit in wesentlichen Fragen“, schrieb die lokale Presse.

Im Saale-Holzland-Kreis wurde im September 2019 ein AfD-Politiker als Vertreter des Kreises in den Verbandsrat eines überregionalen Zweckverbandes entsandt. Dieser war zuvor bei der rechtsextremen Thügida aufgetreten. In offener Abstimmung erhielt der Mann 30 von 39 Stimmen. Neben den Mitgliedern einer Bürgerinitiative und des Bauernverbands stimmten die Vertreter*innen der CDU und der FDP für den AfD-Mann.

Gemeinsame Fraktionen von CDU und AfD

In Frankenstein in Rheinland-Pfalz bildeten CDU und AfD im vergangenen Jahr vorübergehend eine gemeinsame Fraktion. Nach Protesten wurde die CDU-Vertreterin aus der Partei ausgeschlossen. In Eisleben war ein AfD-Mann, der an Neonazi-Aufmärschen teilgenommen hatte, in die CDU-Fraktion im Stadtrat aufgenommen worden. Nach Medienberichten wurde das wieder rückgängig gemacht. Das Internetportal „Endstation Rechts“ spricht von einem „Handschlag in den Stadträten“ zwischen CDU und AfD.

Doch auch auf Landesebene gab es in den vergangenen Monaten deutliche Lockerungsübungen auf Seiten der CDU. In Mecklenburg-Vorpommern war vor einigen Wochen von einem möglichen „Deal“ zwischen AfD und CDU die Rede, weil der AfD-Fraktionsvorsitzende im Landtag, Nikolaus Kramer, bei der Wahl im kommenden Jahr nicht in seinem eigentlichen Wahlkreis kandidieren will, um nicht gegen den Landesvorsitzenden der CDU anzutreten. Ansonsten würden sich „zwei bekannte Politiker aus dem konservativen Lager gegenseitig pulverisieren“, sagte Kramer der „Schweriner Volkszeitung“.

Eine CDU-Minderheitsregierung toleriert von der AfD

Im Februar dachte der der stellvertretende Vorsitzende der CDU-Fraktion im Landtag von Sachsen-Anhalt, Lars-Jörn Zimmer, öffentlich über eine von der AfD tolerierte Minderheitsregierung der CDU nach. Unterstützung gab es u.a. von Britta Klobe, Mitglied der Frauen Union in Sachsen-Anhalt: „Die AfD gehört ja nun mal mit dazu, weil die wurde ja von den Bürgern und gerade aus der Basis her gewählt“, sagte sie dem ZDF

Zwar schloss CDU-Landeschef Holger Stahlknecht eine solche Konstellation sofort aus, doch die Stimmen aus seiner Partei, die mehr Offenheit gegenüber der AfD fordern, sind seither nicht verstummt. Dass beide Parteien im Magdeburger Landtag nun ein stilles Bündnis gegen die Erhöhung der Rundfunkgebühren bilden, könnte also mehr als ein Zufall sein.

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Kommentare

das ist ja mal interssant- ich dachte

immer, sowas gibt es nur bei der SPD- wie zB. bei de rStadtverwaltung Sassnitz auf Rügen. Dass auch die CDU mit den "rummacht", hätte ich nicht gedacht. Sehr aufschlussreich, vielen Dank und weiter so

für alle

Warum bläht man die AfD zu

Warum bläht man die AfD zu einem Riesen auf? Es kann doch nicht sein, daß Sachentscheidungen in den Hintergrund treten, die AfD in den Vordergrund kommt! Das ist entschieden zu viel Aufmerksamkeit und Ehre für die AfD.

Warum bläht man die AfD zu

Dies trifft vor allem auf die Medien zu. Sie berichten ausführlich über deren Parteitage, obwohl sie oft nicht zugelassen werden; sie geben sofort die Meinungen Gaulands & Co. zu allen Fragen wieder.
In Ba.-Wü wird deren Fraktionsvorsitzender gefragt, bevor die anderen gefragt werden, obwohl die AfD längst nicht mehr die größte Oppositionsfraktion dort ist.
Man sollte sie am besten totschweigen, damit würde man sie sicher stärker treffen als wenn man sie zum Märtyrer macht.

ja, in der Tat,

die Berichterstattung über den Parteitag in Kalkar war besonders umfangreich, selbst der Presseclub wurde von PHÖNIX aus dem Programm genommen, um beim Parteitag bleiben zu können. Das ist fakt, keine Frage. Andererseits darf aber doch nicht übersehen werden, dass sich eben dieser Parteitag in eine Richtung entwickelt hatte, die ein Dranbleiben unbedingt erforderte- das war Alternativlos, denn niemand- auch Sie nicht- hätte Verständnis dafür aufgebracht, wenn einer x´ten Sendung zu Corona der Vorrang gegeben worden wäre, wenn zeitgleich Meuthen aus dem Sattel genommen worden wäre. Fand ja nicht statt, war aber möglich. Ich bin sicher kein enthusiastischer Fan des ÖRR, aber in diesem Punkt haben sie alles richtig gemacht, zumal ja der Presseclub auch noch im 1 Programm gesehen werden konnte- eine der vielen Doppelungen der ÖRR. Wenn man so viele Sender betreibt, hat man nicht immer ausreichend Programm, und überträgt dann auf mehreren Sendern dasselbe Programm. Der Bürger zahlt ja sowieso, also was solls .....
Natürlich wäre es schön gewesen, wenn sich der Parteitag insgesamt als Desaster präsentiert hätte- war aber nicht so, die haben das ziemlich sauber organisiert, .Hut ab dafür

Wo CDU und AfD gemeinsame Sache machen

Spahn hatte vor Jahren in einem Interview betont, die AfD habe von der CDU abgeschrieben, die Rentenkonzepte beider Parteien ähneln sich zunehmend, der frühere SPD-Finanzminister Alex Möller hatte schon 1972 im Bundestag hingewiesen, in wessen Nähe die Union passt.

Ich halte die AfD immer noch

Ich halte die AfD immer noch ein Auffangbecken für frustrierte Wähler, die bei Bedarf wieder in die CDU/CSU zurückgeführt werden können. Die AfD ist genauso wie die Unionsparten eine zutiefst neoliberale Partei.

gelöscht

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gelöscht

Wo sehen Sie unbewiesene Unterstellungen in meinem Kommentar? Ich liefere gerne die Beweise gerne nach! Alles andere ist Zensur und die sollte es im Vorwärts nicht geben!