Bundespräsident Steinmeier mit großer Mehrheit wiedergewählt
Florian Gaertner
Frank-Walter Steinmeier ist wiedergewählt. Die Bundesversammlung wählte ihn am Sonntag im ersten Wahlgang mit 1.045 Ja-Stimmen für eine weitere Amtszeit zum Bundespräsidenten. Das bedeutet eine Zustimmung von 73,3 Prozent Prozent der abgegebenen, gültigen Stimmen. Vor fünf Jahren erhielt Steinmeier bei seiner ersten Wahl rund 73,9 Prozent Ja-Stimmen.
Für Die Linke erhielt Gerhard Trabert 96 Ja-Stimmen, für die AfD Max Otte 140 Stimmen und für die Freien Wähler Stefanie Gebauer 58 Stimmen. Die 17. Bundesversammlung hat 1.472 Delegierte. Das Kräfteverhältnis der Parteien sieht aktuell so aus: 445 Delegierte stellt die CDU/CSU, 390 die SPD, 233 die Grünen, 155 die FDP, 151 die AfD, 71 die Linke, 18 die Freien Wähler, 2 der Südschleswigsche Wählerverband (SSW) und 7 Delegierte sind fraktionslos.
Steinmeier: Stehe an der Seite der Demokraten
In einer Antrittsrede nach seiner Wiederwahl bedankt sich Steinmeier bei der Bundesversammlung. „Ich danke für das Vertrauen derer, die für mich gestimmt haben, und ich bitte um das Vertrauen derer, die das heute nicht tun konnten.“ Das Amt des Bundespräsidenten sei ein überparteiliches, so Steinmeier. Er verspricht den Delegierten: „Überparteilich werde ich sein, ja. Aber ich bin nicht neutral, wenn es um die Sache der Demokratie geht. Wer für die Demokratie streitet, der hat mich auf seiner Seite. Wer sie angreift, wird mich als Gegner haben.“
Überschattet wird der Wahltag von der Sorge vor einem russischen Einmarsch in der Ukraine. Diese Sorge bestimmt auch die Rede des wiedergewählten Bundespräsidenten, der zuvor viele Jahr Außenminister der Bundesrepublik war. „Frieden ist nicht selbstverständlich. Er muss immer wieder erarbeitet werden: im Dialog, aber wo nötig auch mit Klarheit, mit Abschreckung, mit Entschlossenheit.“
Für aktuelle Eskalation „trägt Russland die Verantwortung.“
Dann spricht Steinmeier direkt Russland und seinen Präsidenten an. Es sei überhaupt nicht darüber zu diskutieren, wie es zu der aktuellen Bedrohung der Ukraine gekommen sei: „Dafür trägt Russland die Verantwortung.“ Der Bundespräsident lässt keinen Zweifel: „Russland Truppenaufmarsch kann man nicht missverstehen. Es ist eine Bedrohung der Ukraine und soll es ja auch sein.“
Die Menschen in der Ukraine hätten aber auch „ein Recht auf ein Leben ohne Angst und Bedrohung, auf Selbstbestimmung und Souveränität“. An die Adresse Russlands fügt Steinmeier hinzu: „Kein Land der Welt, hat das Recht, das zu zerstören. Und wer es versucht, dem werden wir entschlossen antworten.“
Steinmeiers Appell und Warnung an Putin
Deutschland stehe an der Seite Osteuropäer. „Sie können sich auf uns verlassen.“ Die Bundesrepublik als Teil der NATO und der EU stehe „ohne jede Zweideutigkeit“ zu ihren Verpflichtungen als Bündnispartner. Die Gemeinschaft der Demokratien stelle „die Stärke des Rechts über das Recht des Stärkeren“. Er wisse, so Steinmeier, das autoritäre Herrscher Demokratien für schwach und naiv hielten, ja sie sogar verachteten.
Und dann wendet sich der Bundespräsident direkt an den russischen Präsidenten: „Ich kann Präsident Putin nur warnen: Unterschätzen Sie nicht die Stärke der Demokratie!“ Steinmeier appelliert an seinen Amtskollegen im Kreml: „Ich appelliere an Präsident Putin, lösen Sie die Schlinge um den Hals der Ukraine! Suchen Sie mit uns einen Weg, der Frieden in Europa bewahrt!“
Roland Kaiser: Steinmeier stärkt unsere Demokratie
Frank-Walter Steinmeier hatte sich bereits im Mai 2021 zu einer erneuten Kandidatur für das Amt des Bundespräsidenten bereit erklärt. Damals, noch vor der Bundestagswahl im September 2021, noch ohne klare Mehrheit in der Bundesversammlung. Im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP gab es keine Regelung zur Präsidentenwahl. Die FDP erklärte am 23. Dezember 2021 ihre Unterstützung für Steinmeier, am 4. Januar 2022 folgten Bündnis 90/Die Grünen. Einen Tag später erklärten CDU und CSU ihren Kurswechsel: Die Union wollte ursprünglich eine eigene Kandidatin bzw. einen eigenen Kandidaten aufstellen, verzichtete aber schließlich auf dieses Vorhaben und unterstützte ebenfalls Steinmeier.
Einer der zahlreichen Prominenten, der von der SPD in die Bundesversammlung entsandt wurden, ist der Schlagerstar Roland Kaiser. Er weist anlässlich der Wahl darauf hin, dass sich unter den 1742 Wahlleuten „ganz unterschiedliche Persönlichkeiten, die die Vielfalt unserer Gesellschaft abbilden“, befinden: „Künstler wie ich, Friseur*innen, Krankenpfleger*innen, Journalist*innen, Sozialarbeiter*innen und Sportlerin*innen.“ Kaiser betonte, für ihn sei es „eine große Ehre, Mitglied der größten parlamentarischen Versammlung der Bundesrepublik Deutschland sein zu dürfen“. Er zeigt sich überzeugt, dass Frank-Walter Steinmeier „weiterhin gerade in diesen aufgewühlten Zeiten die Demokratie und den Zusammenhalt in unserem Land stärken“ werde.
Bärbel Bas: „Trauen wir uns Veränderung und Fortschritt zu“
Dazu ruft auch Bundestagspräsidentin Bärbel Bas auf, die die Bundesversammlung leitete. Trotz aller aktueller Krisen und Sorgen – um den Frieden in Europa, die Folgen der Corona-Pandemie, den Klimawandel oder die Inflation – machte sie „aus vollster Überzeugung“ Mut. „Die Tugend des Mutes ist unterbewertet, weil es uns seit Generationen sehr gut geht“, zitierte sie den früheren Bundespräsidenten Joachim Gauck. Trotz aller Schwierigkeiten, „trauen wir uns Veränderung und Fortschritt zu“, so Bärbel Bas. „Lassen wir uns nicht einreden, dass wir anstehende Probleme nicht lösen können.“ Im Gegenteil, man werde die Herausforderungen meistern. „Denn Deutschland hat eine starke und bewährte Verfassung.“ Die Bundestagpräsidentin lässt keinen Zweifel: „Unser Staat funktioniert, auch in schwieriger Zeit.“
Lars Klingbeil: Ganz besonderer Tag für die SPD
Von einem ganz besonderen Tag für die SPD spricht an diesem Wahltag der Co-Parteivorsitzende Lars Klingbeil, „wenn ich sehe, dass eine Bundestagspräsidentin der Sozialdemokratie heute die Versammlung eröffnet, zwei Plätze weiter sitzt ein sozialdemokratischer Bundeskanzler und wir wählen heute mit Frank-Walter Steinmeier jemanden, der auch aus der sozialdemokratischen Familie kommt“. Das sei „etwas ganz Besonderes“, bringe aber auch „eine Verpflichtung mit sich“. Die SPD sei in einer verantwortlichen Position, sie wolle das Land voranbringen. Es gehe mit Frank-Walter Steinmeier um die Wahl eines Bundespräsidenten, „der das Land zusammen halten kann in seiner schwierigen Zeit“. Klingbeil zeigt sich „fest überzeugt“ davon: „Er ist der Richtige.“
Auch wenn Frank-Walter Steinmeiers Mitgliedschaft in der SPD in der Zeit seiner Präsidentschaft ruht – bedeutet seine erneute Wahl in der Bundesversammlung die erste Wiederwahl eines sozialdemokratischen Staatsoberhauptes. Zum ersten Mal seit Reichspräsident Friedrich Ebert (1919-1925) und den Bundespräsidenten Gustav Heinemann (1969-1974) und Johannes Rau (1999-2004) wurde ein Staatsoberhaupt aus den Reihen der SPD wiedergewählt.