Regierungsbefragung im Bundestag

Boris Pistorius macht klare Ansagen: Ja zum Zwei-Prozent-Ziel der NATO

Lars Haferkamp24. Mai 2023
Klar und deutlich: Verteidigungsminister Boris Pistorius bei der Regierungsbefragung am 24.05.2023 im Bundestag.
Klar und deutlich: Verteidigungsminister Boris Pistorius bei der Regierungsbefragung am 24.05.2023 im Bundestag.
Im Bundestag redet Verteidigungsminister Boris Pistorius Klartext: Für eine einsatzfähige Bundeswehr brauche er deutlich mehr Geld. Ein Ende deutscher Waffen für Kiew bedeute das Ende der Ukraine, warnt der Minister. Er zeigt aber auch Humor.

Er ist das beliebteste Mitglied der Bundesregierung: Kein anderer Minister und keine andere Ministerin kommt an die Zustimmungswerte von Verteidigungsminister Boris Pistorius heran. Warum das so ist, konnte man bei der Befragung des Ministers am Mittwoch im Bundestag erleben.

Da zeigt Pistorius nämlich, was viele an ihm schätzen. Er beantwortet jede Frage, klar und präzise, ohne lange um die Sache herumzureden. Und wenn er eine Frage nicht beantworten konnte, räumt er auch das offen ein. Zugleich zeigt er, wie Führung geht: Eine klare Richtung vorgeben, sie gut begründen und dann um Unterstützung kämpfen.

Pistorius gibt die Richtung vor

Eine klare Richtung gibt Pistorius zum Beispiel beim lange in der SPD umstrittenen Thema Zwei-Prozent-Ziel der NATO vor. Es war Bundeskanzler Olaf Scholz, der in seiner berühmten Zeitenwende-Rede im Bundestag, wenige Tage nach dem russischen Angriff auf die Ukraine, die Einhaltung dieses Zieles zu einem Kernvorhaben seiner Regierung erklärte.

Doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg, bei dem es um viel Geld geht. Da hilft es, wenn im Verteidigungsministerium ein Amtschef die Zügel in Händen hält, der für dieses Ziel kämpft. „Die Zeiten der Friedensdividende für Europa sind vorbei“, macht Pistorius gleich zu Beginn seines Eingangsstatements im Bundestag klar. „Das zeigt uns der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine mit brutaler Deutlichkeit.“

„Putin darf mit seiner Aggression nicht durchkommen“

Um dann ebenso deutlich zu betonen: „Eins muss klar sein: Putin darf mit seiner völkerrechtswidrigen und menschenverachtenden Aggression nicht durchkommen.“ Die Konsequenz für Pistorius: „Deshalb stehen wir zur Ukraine bei ihrer Selbstverteidigung. Wir stehen ihr unverrückbar zur Seite, so lange das nötig ist.“ Gerade erst habe die Bundesregierung ein Unterstützungspaket von 2,7 Milliarden Euro geschnürt.

Zugleich müsse aber dafür gesorgt werden, dass auch Deutschland und seine Sicherheit verteidigt werden könne. Dafür seien die Fähigkeiten zur Landes- und Bündnisverteidigung entscheidend. Pistorius wird konkret: „Wir brauchen eine Bundeswehr, die in allen Bereichen einsatzfähig, kaltstartfähig und durchhaltefähig ist.“ Dafür müsse man „erheblich“ in die Bundeswehr investieren und mehr Personal für die Streitkräfte gewinnen.

Verteidigungsminister will mehr Geld

„Das alles kostet viel Geld“, lässt der Minister keinen Zweifel aufkommen. Mit dem von Bundeskanzler Olaf Scholz in seiner Zeitenwende-Rede angekündigten Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr sei eine wichtige Weiche gestellt worden. „Das allein, meine Damen und Herren, wird aber nicht reichen“, stellt Pistorius klar. Und wird konkret: „Wir werden dauerhaft mindestens zwei Prozent unseres Bruttoinlandsprodukts für die Verteidigung ausgeben müssen.“ Dafür bittet er den Bundestag um Unterstützung. Seine Begründung: „Es ist gut angelegtes Geld für unsere Sicherheit.“

In der anschließenden Befragung des Ministers durch die Abgeordneten will die CDU/CSU-Fraktion wissen, wieviel mehr Geld genau denn Pistorius von Bundesfinanzminister Lindner in den Etatverhandlungen fordern werde. 10 Milliarden Euro? Der Minister antwortet konkret: Das Verteidigungsministerium habe eine Bedarfsplanung erstellt, die den Mehrbedarf auf 9,1 Milliarden Euro beziffere. „Ich habe diese Summe gegenüber dem Finanzminister nie persönlich kommuniziert“, erklärt Pistorius. Aber sie sei „in der Welt“ und sie sei „zutreffend“. Wo man bei den Haushaltsberatungen dann herauskommen werde, das werde sich zeigen. „Entscheidend ist für mich am Ende, dass wir das Zwei-Prozent-Ziel erreichen. Und daran arbeiten wir intensiv.“ Erneut nutzt der Minister also die Gelegenheit dieses Ziel zu bekräftigen.

Applaus im Bundestag für Pistorius

Auch mit unsachlichen Fragen und unrichtigen Behauptungen weiß Pistorius souverän umzugehen. Das zeigt sich, als ein fraktionsloser Abgeordneter – zuvor Mitglied der AfD-Fraktion – ihn befragt. Er behauptet, der ukrainische Präsident Selenskyj führe einen „Angriffskrieg“ auf das „russische Kernland“. Mit der Lieferung von Waffen an die Ukraine werde Deutschland so zur Kriegspartei. Ob der Minister sich darüber bewusst sei, will der Abgeordnete wissen. Pistorius kontert: „Da ich diese – erlauben Sie mir den Begriff – schwer nachvollziehbare bis krude Hypothese nicht teile, ist es mir unmöglich, Ihre Frage zu beantworten.“ Kräftiger Applaus im Bundestag. In seiner Nachfrage möchte der Abgeordnete ein Ende deutscher Waffenlieferungen. Pistorius antwortet kurz und deutlich: „Wenn wir aufhören Waffen zu liefern, wäre das Ende der Waffenlieferungen heute das Ende der Ukraine morgen. Das mögen Sie wollen und akzeptieren, wir tun es nicht.“ Wieder kräftiger Applaus im Plenum für den Minister.

Noch einmal wird das Zwei-Prozent-Ziel der NATO Thema. Diesmal von Seiten der SPD-Bundestagsfraktion. Ihr Abgeordneter Joe Weingarten möchte nämlich von Pistorius wissen, ob in den letzten 16 Jahren, als die Union Kanzler und Verteidigungsminister stellte, ihm „irgendeine konkrete Initiative zur Erreichung des Zwei-Prozent-Zieles in Erinnerung“ ist. Lachen im Plenum. Pistorius antwortet: „Sehr geehrter Herr Abgeordneter, es kann an meinem Gedächtnis liegen, aber: nein.“ Applaus und Lachen im Bundestag. Auch Pistorius lächelt. Mit gutem Grund. Dürfte er doch mit seinem souveränen Auftritt bei seiner Befragung einen Grund mehr geliefert haben, warum die Deutschen ihn so schätzen.

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Kommentare

Pistorius - „warum die Deutschen ihn so schätzen“

Weil er „Klartext redet“, „zeigt, wie Führung geht“ und dabei sogar „auch Humor“ entwickelt. In der Tat ist es eine seltene Eigenschaft unserer Politiker, „Klartext“ zu reden, es sei denn, sie erklären uns die Notwendigkeit des „Zwei-Prozent-Zieles der NATO“. Dann fallen ihnen Sätze ein wie „die Zeiten der Friedensdividende für Europa sind vorbei“ oder „es ist gut angelegtes Geld für unsere Sicherheit“. Eine etwas tiefergehende Begründung zu erwarten, ist nach dem Überfall auf die Ukraine nicht erforderlich aber auch nicht mehr zulässig.
Vielleicht aber schätzen die Deutschen Pistorius, weil sie durch ihn jetzt wissen, dass „ein Ende deutscher Waffen für Kiew das Ende der Ukraine bedeutet“, Pistorius ihnen also die Existenz der Ukraine wie einen Mühlstein um den Hals gehängt hat.
Der letzte SPD-Verteidiungsminister (- Lambrecht streiche ich mal aus der Liste -), Peter Struck, war übrigens auch sehr beliebt. „Er prägte ... den viel zitierten Satz „Deutschland wird auch am Hindukusch verteidigt““ (bmvg, ohne Datum). Alle kennen das Desaster, das 20 Jahre „Verteidigung Deutschlands“ dort (auch geopolitisch) hinterlassen haben.

Das „Zwei-Prozent-Ziel der NATO“

einzuhalten, lobt Pistorius, hat „Bundeskanzler Olaf Scholz ... zu einem Kernvorhaben seiner Regierung erklärt“, vom Bundeswehr-Sondervermögen, das ihm und Frau Högl nicht reichen, mal abgesehen. Als Vorschuss verlangt er schon mal 10 Mrd. obendrauf. Wie die zu finanzieren sind, hat ihm Klingbeil (21.6.22) angedeutet: „Wir müssen ... Budgets neu verhandeln“. Vielleicht steigt ja noch Pistorius` Beliebtheit, wenn die Bevölkerung merkt, welche Budgets da gemeint sind.

Bisher war es in der SPD nicht ganz einfach, mit Verweis auf die riesige russische Bedrohung - und eine andere gibt es ja nicht – Geld für den Militärsektor bereitzustellen. Mit Putins Krieg gegen die Ukraine verdampften alle Bedenken. Dabei beweist doch gerade der Ukraine-Krieg das Nato-Narrativ von der übermächtigen Armee der Russischen Föderation, die für die Nato-Staaten eine echte Gefahr darstelle, als Chimäre.

Der kalte Krieg ist zurück.

Nein, das ist keine Chimäre. Denn Russland wird auch nach der strategischen Niederlage in der Ukraine und nach dem Ende Putins nicht einfach seine imperialistischen Fantasien hinter sich lassen. Rumpfarmeen wie wir sie in Europa derzeit haben können mit dem derzeitigen Mobilisierungspotential und Kriegswirtschaft nicht mithalten. Russland kann zwar derzeit seine Verluste nicht ausgleichen, sobald die aber keine Verluste mehr haben stehen die in 5 Jahren stärker da als vor dem Krieg. Beispiel Panzerproduktion: Mit Aufrüstung + Neubau kommen die auf etwa 70 im Monat. Jetzt ist der Russische saldo dank Verlusten noch negativ. Aber rechnen Sie nun mal 5 Jahre ohne Verluste durch. Und dann vergleichen Sie das mit dem Zeitraum in denen KMW 70 Panzer an Tschechien liefern wird. 10 Jahre.