Mit Bollerwagen durch den Wahlkreis: Maja Wallstein auf „Zuhörtour“
Benedikt Dittrich / vorwärts
Fragt man Maja Wallstein danach, was sie in den vergangenen Tagen erlebt hat, muss sie erstmal durchatmen. „Da gibt es so viel zu erzählen“, sagt die SPD-Bundestagskandidatin aus Cottbus. „Ich habe mit so vielen Menschen gesprochen, mir wurde so viel erzählt.“ Sie wüsste gar nicht, wo sie anfangen soll.
Dabei hat ihre „Zuhörtour“ einen klaren Anfang, einen Weg und ein Ziel. Es gibt eine Route quer durch den Landkreis und einen Endpunkt. Zu Fuß marschiert die gebürtige Cottbusserin durch ihre Stadt und den Landkreis Spree-Neiße. 400 Kilometer lang ist der Weg und er führt durch rund 250 Orte und Ortsteile. Über einen Monat war Maja Wallstein mit rotem Bollerwagen an der Hand und ihrem jüngsten Kind auf dem Rücken unterwegs.
„Ich dränge niemandem ein Gespräch auf“, erklärt die Cottbuserin, als sie gerade von Schorbus nach Reinpusch läuft, auf einem Feldweg, mitten im Grünen. Es ist Tag 31 ihrer Tour, noch weitere drei Tage trennen sie vom Abschluss ihrer Reise. Ein sonniger Tag mit wenig Wind und Temperaturen um die 25 Grad. Laufen, anhalten, einen Flyer in den Briefkasten werfen, vielleicht noch eine Tüte rote Feuerbohnen hinterher, weiterlaufen – so sieht seit ein paar Wochen ihr Alltag aus. Radfahrer*innen, die ihr entgegenkommen, drückt sie auch gerne eine Tüte Gummibärchen mit in die Hand mit dem Kommentar „noch ein bisschen Energie für den Tag“. Und dann geht’s weiter, Kilometer um Kilometer legt sie so zurück.
Gekommen um zu hören
Doch oft genug trifft Wallstein auch Menschen. Im Garten, auf dem Bürgersteig. Menschen, die etwas erzählen wollen, etwas zu sagen haben. Dann hört Maja Wallstein sehr gerne zu. Sie fragt nach, lässt die Menschen erzählen, was sie interessiert. Und so kommt es, dass sie auf ihrer Tour schon mit Landwirt*innen und Jäger*innen gesprochen hat, mit Menschen, die sich Sorgen um ihre Rente, ihren Nachwuchs oder ihre Region machen. „Umwelt kommt immer mehr dazu“, sagt Wallstein rückblickend. Aber Themen wie Gesundheit und Frieden seien sehr viel wichtiger, „denn ohne das ist alles nichts“.
Und sie bringt Zeit mit. Was dazu führt, dass sie an einem Tag über eine Stunde mit einem Bürger am Rand seines Gartenpools sitzt und quatscht und am nächsten Tag ein Senior mit ihr über seine Kriegserfahrungen spricht. Wie Beschäftigte in ihrem Wahlkreis über das Thema Home Office denken, bekommt sie auf diesem Weg ebenso mit wie die unverblümte, ungefliterte Meinung der Menschen vor Ort über die Politiker*innen in Berlin oder Potsdam. „Die da oben“, das käme immer wieder zur Sprache.
Doch genauso kann Maja Wallstein über die Freude und die positiven Rückmeldungen sprechen, die sie bekommt, weil sie, die SPD-Bundestagskandidatin im Wahlkreis, tatsächlich am Zaun, im Garten, auf der Straße steht und zuhört. So erzählt ihr eine Frau in Groß Gaglow am Gartenzaun, wie sie vor und nach der Wiedervereinigung viel gearbeitet hat und sich jetzt trotzdem Sorgen um ihre Rente macht. Beklagen will sie sich aber eigentlich gar nicht. „Solche Themen kommen immer wieder“, meint Wallstein ein paar Kilometer später. Und die nicht immer durchschaubaren Geschäfte der Treuhand, die spielten auch nach wie vor eine große Rolle in ihrem Wahlkreis. Vor allem, wenn es um Vertrauen in die Politik geht – und wie es verloren gegangen ist.
Grundsätzlich neu sind diese Themen für die junge Sozialdemokratin nicht. Die 35-Jährige ist in Cottbus aufgewachsen, hat in Potsdam und Krakau Politikwissenschaft, Verwaltung und Polonistik studiert. Nebenberuflich hat sie in der Pflege gearbeitet, später hauptberuflich als Wissenschaftsmanagerin. Innerhalb der SPD in Brandenburg ist sie Mitglieder- und Europabeauftragte, war außerdem Landesvorsitzende der Jusos. Wie es fair und gerecht zugeht, weiß die Mutter von zwei Kindern aber auch von ihrem Hobby und Ehrenamt: Sie ist seit vielen Jahren Schiedsrichterin in der Regionalliga Nordost.
Geerdet als Schiedsrichterin
Selbst als künftige Bundestagsabgeordnete würde sie dieses Hobby weiterführen wollen, wenn es denn klappt. „Das erdet ungemein“, sagt sie über ihre Erfahrungen auf dem Platz, aber auch nach den Spielen. „Ich setze mich im Anschluss auch gerne noch mit den Spielern zuzusammen.“ Beim Bier in der Kneipe oder im Vereinsheim entwickelten sich unglaublich ehrliche Gespräche, ist sie überzeugt.
Ebenso überzeugt ist sie davon, dass sie genau jetzt, in dieser Zeit in den Bundestag möchte. Nicht für immer, betont sie im Gespräch mit Anwohner*innen, aber: „Ich glaube, es gibt gerade jetzt viele Entscheidungen in der Politik, die gerade unsere Region direkt betreffen.“ Der Wandel, die ökologische Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft, der Abschied von der fossilen Energieerzeugung, er trifft die Lausitz mit dem Braunkohlerevier, mit den Kraftwerken und den vielen tausend Arbeitsplätzen vor Ort eben ganz besonders. Die Kohle hat Tradition in der Region, die Abstiegsängste sind groß. Wenn in den kommenden Jahren als Ausgleich viele Millionen Euro in die Region fließen, will Maja Wallstein vor allem dafür sorgen, dass das Geld auch in die richtigen Projekte fließt, an den richtigen Stellen verplant und investiert wird.
Doch zuerst geht es ihr nicht darum, von sich zu erzählen, sondern darum, den Menschen zuzuhören. Der Wahlkampf, der beginnt für Maja Wallstein erst, wenn sie ihre „Zuhörtour“ beendet hat. Am 13. Juni wird es soweit sein. Die letzten Schritte ihrer Tour werden Wallstein auf den Altmarkt im Stadtzentrum von Cottbus führen. Zu ihrem Wahlstand im Wahlkreis 64. Eins weiß sie aber jetzt schon: „Ich kann zu jedem Ort, den ich bis dahin besucht habe, eine Geschichte erzählen.“ Zu jedem Punkt im Wahlprogramm, davon ist sie überzeugt, fallen ihr Orte und Menschen im Wahlkreis ein, die davon betroffen sind.