Bestcase-Szenario in Corona-Krise: Wirtschaft schrumpft um vier Prozent
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Nach dem Worst-Case-Szenario des ifo-Institutes von einem Wirtschaftsabsturz von über 20 Prozent hat die Hans-Böckler-Stiftung am Donnerstag eine Art Gegenprognose vorgestellt. Ihr Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) präsentierte bei einer Videokonferenz die Konjunkturprognose.
Arbeitslosigkeit steigt nur moderat
Sie geht von einem Rückgang des deutschen Bruttoinlandsproduktes (BIP) im Jahr 2020 von vier Prozent aus. Im kommenden Jahr soll die Wirtschaft wieder um 2,4 Prozent wachsen. Die Zahl der Arbeitslosen steigt nach der Prognose in diesem Jahr um durchschnittlich rund 150.000 und 2021 um weitere 100.000 Personen. Die Arbeitslosenquote nähme damit moderat auf 5,3 und 5,5 Prozent im Jahresdurchschnitt zu.
Voraussetzung für diese „Bestcase-Vorhersage“, so der Wissenschaftliche Direktor des IMK Sebastian Dullien, sei, dass die gegenwärtig herrschenden Beschränkungen des öffentlichen Lebens in Deutschland ab Mai schrittweise zurückgenommen werden. Dullien erwartet einen solchen Schritt, da China und Südkorea ähnliche Maßnahmen unternommen hätten und das Corona-Virus zugleich „unter Kontrolle“ gebracht hätten.
Kontaktsperre schadet Wirtschaft enorm
Verschiebe sich die Lockerung der Kontaktsperre etwa von Anfang Mai auf Anfang Juli, drohe ein mehr als doppelt so starker Einbruch des BIPs wie jetzt vorhergesagt. Es werde extrem wichtig sein, die Wirtschaft so schnell wie möglich wieder auf Touren zu bringen.
„Ein teilweiser oder sogar vollständiger Stillstand der deutschen Wirtschaft und des Arbeitsmarkts stellen eine nie dagewesene Situation“ mit enormen Risiken dar, schreiben die Experten des IMK. Dullien spricht von einer „neuartigen Kombination wirtschaftlicher Schocks“, etwa eines „Angebots- und Nachfrageschocks“ zur gleichen Zeit. Das mache es „schwierig, eine belastbare Prognose“ zu erstellen.
Lob für die Politik
„Bund und Länder, aber auch die europäische Zentralbank, haben auf vielen Feldern schnell das Richtige getan, um die ökonomischen Folgen dieser dramatischen Krise zu mildern“, lobt Dullien die Politik. Sie habe „erfreulich schnell, entschieden und zielgerichtet reagiert“. Dennoch sieht er noch Verbesserungsbedarf, etwa bei den Kurzarbeitern. In den nächsten Monaten werde deren Zahl auf vier Millionen steigen. Diese „neuen Rekorde bei der Kurzarbeit“ seien historisch einmalig. Auf dem Höhepunkt der Bankenkrise habe es lediglich 1,5 Millionen Kurzarbeiter gegeben.
Vier Millionen Kurzarbeiter reduzierten die verfügbaren Einkommen und damit den Konsum massiv, so Dullien. Deshalb sollten das Kurzarbeitergeld, aber auch das Arbeitslosengeld I, vorübergehend erhöht werden, um die Einkommensverluste zu begrenzen.
„Schnelles und unmissverständliches Handeln“ wünscht sich Dullien in der Frage der Liquidität der Euro-Staaten mit hohem Schuldenstand. Die Euro-Länder sollten gemeinsame Schuldverschreibungen ausgeben, um auch den finanziell schlechter ausgestatteten Mitgliedsstaaten des Euroraums eine wirksame Antikrisenpolitik zu ermöglichen. Dullien plädiert für „Corona-Bonds“ in einem Umfang von „1000 Milliarden Euro“.
Konjunkturprogramm könnte helfen
Schließlich hält der Ökonom ein Konjunkturprogramm für zielführend. Dazu gehörten staatliche Investitionen, etwa in den Ausbau des ÖPNV oder die Digitalisierung. Eine Senkung der Mehrwertsteuer könne ebenfalls helfen. Sorge vor einer höheren Staatsverschuldung habe er dabei nicht angesichts von aktuellen Negativ-Zinsen am Kapitalmarkt. „Deutschland kann sich das leisten“, so der IMK-Direktor.
Befragt, was er in diesem Zusammenhang von der Forderung der SPD-Vorsitzenden Saskia Esken einer einmaligen Vermögensabgabe halte, sagt Dullien, dies sei aktuell „nicht die richtige Debatte“. Es solle jetzt nicht um Lastenverteilung gehen, sondern darum, die Lasten der Krise zu minimieren.