Inland

Wie sich die Berichterstattung über Rechtspopulismus verändert

Journalisten bieten Rechtspopulisten seltener eine PR-Bühne als noch im Sommer vergangenen Jahres. Das ist ein Ergebnis einer Studie der Otto-Brenner-Stiftung, die am Montag vorgestellt wurde. Allerdings fehle es an Neugier für die eigene unmittelbare Umgebung.
von Katharina Korn · 19. November 2018
Die AfD in den News
Die AfD in den News

Am Montag hat die Otto-Brenner-Stiftung die Studie „AfD und Medien“ veröffentlicht, in der journalistische Erfahrungen im Umgang mit der AfD seit ihrem Einzug in den deutschen Bundestag ausgewertet werden. Dafür haben Journalisten und Wissenschaftler die Berichterstattung der beiden Regionalzeitungen Nürnberger Nachrichten und Oberhessische Presse drei Monate lang analysiert. Das Ergebnis: Seit vergangenem Sommer hat sich der mediale Umgang mit Rechtspopulismus in einigen Feldern durchaus verbessert. Schwächen gibt es allerdings immer noch. Um diese zu überwinden sind mehr finanzielle Mittel und Weiterbildungen nötig.

Mehr Reflexion, statt nur Reflexe

Besonders die überregionalen Medien hätten seit Sommer 2017 dazugelernt, sagte der Autor des Arbeitshefts und Journalistik-Professor Bernd Gäbler auf einer Pressekonferenz am Montag. Die Berichterstattung folge nicht mehr so sehr einem „simplen Reiz-Reaktions-Schema“ wie noch zuvor. Es gebe heutzutage „mehr Reflexion, statt nur Reflexe“, so Gäbler. Journalisten seien seltener auf Provokationen der AfD hereingefallen und machen somit weniger unfreiwillige Werbung für Rechtspopulisten. Auch führen Redakteure bessere Interviews und schreiben viele gute Portraits. Insbesondere seien in kurzer Vergangenheit zahlreiche Enthüllungen über personelle Querverbindungen ins rechtsextreme Lager und problematische Spendengaben – wie im Falle Weidel – offengelegt worden.

Große Schwächen gibt es vor allem in der Berichterstattung von regionalen Zeitungen. „Die Analyse von Nürnberger Nachrichten und Oberhessischer Presse hat gezeigt, dass die deutsche Presselandschaft an der Basis, ihren Lokal- und Regionalzeitungen, bröckelt“, konstatierte Gäbler. Hier werde zu wenig eigenständig und neugierig über das unmittelbare Umfeld berichtet.

Das „Ich“ gegen Identitäre

Schwächen sehen die Studienbeauftragten auch in der Mode des „Ich-Journalismus", die besonders in jüngeren Medien beliebt sei. Statt sich über Sachverhalte zu streiten und so Diskussionen, die die Gesellschaft bewegt, argumentatorisch zu führen, werden subjektive Gefühlslagen gegenübergestellt. „Allein mit der Behauptung der eigenen Identität kann man Identitäre aber nicht widerlegen“, teilte Gäbler mit. Er sieht gerade bei jungen Journalisten einen mangelnden „Mut zum Allgemeinen“, zum Nachdenken über die Gesellschaft insgesamt, statt nur über das eigene Befinden.

Erfundene Traditionen offenbaren

Laut der Studie werde auch noch zu wenig mit der AfD über die Deutung von Kultur und Geschichte gestritten. Wenn sich AfD-Anhänger als wahre Erben des Hambacher Festes und von Bismarck wie Stresemann ausgeben, werde dem zu selten argumentativ entgegengetreten. Man dürfe den Populisten nicht die Deutungshoheit über unsere Vergangenheit überlassen. Dass beispielsweise auf dem Hambacher Fest von 1832 aber nicht nur Deutsche, sondern auch Franzosen Fahnen gehisst haben, um für ihre Bürgerrechte und Freiheit zu demonstrieren, werde von Rechtsradikalen gerne übergangen. Sie feiern erfundene Traditionen, die angeblich bis weit in die Vergangenheit zurückreichen, um ihre gegenwärtige rechte Agenda zu legitimieren.

Journalismus als Agenturfriedhof

Journalisten sollen zudem nicht bloß Tagesnachrichten produzieren, sondern müssen sich auch um deren Einordnung bemühen und den Lesern Orientierungsangebote bieten. Man brauche qualifizierte Kollegen, die sich mit dem Thema Rechtspopulismus auskennen. Dafür seien Fortbildungsprogramme und finanzielle Mittel nötig, sagte der Politikwissenschaftler und Vorsitzende des Deutschen Journalisten Verbands Frank Überall. Das bloße Sammeln von Agenturmeldungen führe letztendlich zu einem nüchternen „Agenturfriedhof“, so Überall.

Journalisten müssen sich als Teil einer größeren geistig-kulturellen Bewegung sehen und sich für die Verteidigung von rationalen Diskursen einsetzen, erklärt Gäbler. Sie sollen „auf die Kraft des Arguments setzen“ – ganz im Sinne Michelle Obamas When they go low, we go high, schlussfolgerte er.

 

Autor*in
Katharina Korn

studiert Geschichte und Deutsche Literatur und war Praktikantin in der vorwärts-Redaktion von Oktober bis Dezember 2018.

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