Inland

Attacke auf Martin Schulz: Lobbyisten mit Rechenschwäche

Die „Initiative neue soziale Marktwirtschaft“ hat in der Vergangenheit mehrfach gegen die SPD Stimmung gemacht. Ihre jüngste Attacke auf das Steuerkonzept der Partei ging für die Lobbyisten jedoch nach hinten los.
von Robert Kiesel · 27. Juni 2017

Davor, dass der Wahlkampf hart werden würde, hat Martin Schulz von Anfang an gewarnt. Bereits unmittelbar nach seiner Nominierung zum Kanzlerkandidaten und noch vor der Wahl zum Spitzenkandidaten seiner Partei hatte der SPD-Chef wiederholt klar gestellt, hart in der Sache, dafür fair im Umgang mit der politischen Konkurrenz um die Zustimmung der Wähler zu kämpfen. Gar ein „Fairnessabkommen“ brachte Schulz auf den Weg, auf das sich CDU und CSU – wenn auch nach einigem Zögern – schließlich einließen. Zur Erinnerung: Kurz darauf bezeichnete CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer den SPD-Kanzlerkandidaten als „Schizo-Schulz“.

Per „Bild“-Anzeige: INSM attackiert Schulz

Die nächste unfaire Attacke musste Schulz nun von einer Initiative einstecken, die mit dem Duell zwischen SPD und Union vor der Bundestagswahl im September nur indirekt zu tun hat. Per Anzeige in der „Bild-Zeitung“ (Freitagsausgabe) nahm die „Initiative neue soziale Marktwirtschaft“ (INSM) das Steuerkonzept des SPD-Kandidaten unter Beschuss. Mit einem Bild von Martin Schulz versehen behauptet die INSM, die Sozialdemokraten wollten die sogenannte Reichensteuer bereits ab einem jährlichen Bruttoeinkommen von 60.000 Euro einführen. „Ist das Ihr Respekt vor Leistung“, fragte die INSM in Richtung Schulz.

Der Haken an der Sache: Die Anzeige arbeitet mit falschen Zahlen. Aufgedeckt hat das Spiegel-Online. Per Faktencheck legte das Nachrichtenportal die INSM-Kampagne und das SPD-Steuerkonzept nebeneinander und kam zu dem Schluss, von einer Absenkung der Grenzwerte für die Erhebung der sogenannten Reichensteuer könne keine Rede sein. Zwar steige der Spitzensteuersatz laut SPD-Konzept von derzeit 42 auf 45 Prozent, das gilt allerdings erst ab einem Einkommen von 76.200 Euro Brutto im Jahr. Der Grenzwert für die Erhebung der Reichensteuer liege weiter bei einer Viertelmillion Euro, durch den erhöhten Spitzensteuersatz würden nun aber 48 Prozent fällig, so Spiegel-Online.

Schäfer-Gümbel fordert Korrektur

Haben sich die Mitarbeiter der INSM also einfach nur verrechnet? Wohl eher nicht. Wahrscheinlich ist vielmehr, dass die Geldgeber der Organisation um ihre Pfründen fürchten. Finanziert wird die Initiative von Arbeitgeberverbänden der deutschen Metall- und Elektroindustrie. Sie statten die im Jahr 2000 gegründete Initiative mit sieben Millionen Euro aus – jährlich. Bezahlt werden mit dem Geld Aktionen und Kampagnen, die unternehmerfreundliche Politik forcieren und Maßnahmen für Angestellte und Arbeiter bremsen sollen.

Entsprechend scharf die Reaktion aus der SPD: „Ich erwarte, dass die Lobby-Organisation INSM die Lügen, die sie auf Seite eins der Bild-Zeitung verbreitet hat, an ebenjener Stelle auch wieder korrigiert. Unser Finanzkonzept stellt eine Entlastung für die Mittelschicht und die unteren Einkommensschichten in diesem Land dar“, erklärte Thorsten Schäfer-Gümbel, der gemeinsam mit Martin Schulz und Olaf Scholz das SPD-Steuerkonzept erarbeitet hatte. „Wer versucht, dieses Konzept bewusst mit falschen Zahlen in Misskredit zu bringen, versündigt sich an der Zukunft dieser Menschen. Die SPD wird sich einem solchen Umgang mit aller gebotenen Härte entgegen stellen“, so Schäfer-Gümbel.

SPD sieht sich auf dem richtigen Weg

Während sich der attackierte Martin Schulz selbst nicht zu der Kampagne äußerte, sorgte die Aktion im Netz für zahlreiche Reaktionen. Unter anderem SPD-Finanzpolitiker Norbert Walter-Borjans wertete die Kampagne der INSM als Beleg dafür, dass die SPD auf dem richtigen Weg sei.

Lothar Binding, finanzpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, reagierte auf seine Weise - mithilfe eines Flipcharts. In einem auf Facebook veröffentlichten Video machte er deutlich, warum die Aussage der INSM-Kampagne unwahr ist. Binding warf der Initiative vor, die Wähler „hinter das Licht“ führen zu wollen und bezeichnete die Urheber der Aktion in seinem Video als „Brandstifter der Nation“. Der Clip erreichte binnen weniger Stunden mehr als 10.000 Menschen.

 

Autor*in
Robert Kiesel

war bis März 2018 Redakteur des vorwärts.

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