Meinung

Asyl-Idee von CDU-Mann: Ein Grundrecht lässt sich nicht abschaffen

Der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, Thorsten Frei, hat mal eben vorgeschlagen, das Asylrecht in der EU abzuschaffen. Das ist mehr als ein Sommerlochthema, sondern zeigt den gefährlichen Rechtskurs der Union.
von Jonas Jordan · 18. Juli 2023
Kein besonders intelligenter Vorschlag von Thorsten Frei, dem Ersten Parlamentarischen Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag.
Kein besonders intelligenter Vorschlag von Thorsten Frei, dem Ersten Parlamentarischen Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag.

Das Asylrecht wurde innerhalb der Europäischen Union in den vergangenen Jahren zunehmend ausgehöhlt. Illegale Push-Backs an den EU-Außengrenzen sind inzwischen vielerorts leider an der Tagesordnung. Beim Versuch, das Mittelmeer zu überqueren, sind in den vergangenen zehn Jahren mehr als 25.000 Menschen ertrunken oder werden seit ihrer Überfahrt vermisst. Auch die Flüchtlingsdeals der EU mit der Türkei oder jüngst in dieser Woche mit Tunesien tragen zusätzlich dazu bei, dass immer weniger Menschen überhaupt nach Europa gelangen, um hier Asyl beantragen zu können.

Briefe aus Afghanistan

Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Thorsten Frei, will diese Situation nun vollkommen pervertieren und das individuelle Asylrecht innerhalb der Europäischen Union faktisch abschaffen. Stattdessen solle die EU über ein jährliches Kontingent 300.000 bis 400.000 verfolgte Menschen pro Jahr direkt aus dem Ausland aufnehmen. Die Möglichkeit, auf europäischem Boden einen Asylantrag zu stellen, gäbe es nach Freis Vorstellung künftig nicht mehr.

Wie stellt er sich das eigentlich konkret vor? Soll eine verfolgte Person einfach einen Brief an die EU schreiben? „Hallo liebe EU, in meinem Land herrscht Krieg/ich werde verfolgt wegen meiner Ethnie/Religion/sexuellen Orientierung. Bitte helfen Sie mir!“ Und dann folgt prompt die Antwort aus Brüssel: „Herzlichen Glückwunsch! Sie haben einen Platz bei der EU-Asyllotterie gewonnen und werden unverzüglich in ein EU-Land Ihrer Wahl ausgeflogen.“ Oder alternativ: „Es tut uns leid. Sie sind der 301.000 Bewerber. Das EU-Kontingent ist bereits voll. Wir können Ihnen leider keinen Platz anbieten. Bitte versuchen Sie es im nächsten Jahr noch einmal, (wenn Sie dann noch leben).“

Herr Frei, nehmen Sie Nachhilfe in Geschichte!

Frei begründet seinen Vorschlag auch damit, dass die bisherige Praxis in Europa „zutiefst inhuman“ sei und Gesellschaften spalte. Geht's noch? Das Gegenteil ist der Fall. Denn die Genfer Flüchtlingskonvention und die Europäische Menschenrechtskonvention waren eine unmittelbare Reaktion der Vereinten Nationen beziehungsweise der europäischen Länder auf den Holocaust, als viele Schutzsuchende an Grenzen abgewiesen wurden. Wer das als deutscher Politiker vergisst oder unterschlägt, sollte vielleicht erst einmal Nachhilfe in Geschichte nehmen.

Der Vorschlag stammt nicht von einem Unions-Hinterbänkler, der sich mit einem Sommerlochthema bundesweit bekannt machen möchte. Nein, Thorsten Frei ist als Erster Parlamentarischer Geschäftsführer innerhalb der CDU/CSU-Fraktion die Nummer zwei nach dem Vorsitzenden Friedrich Merz. Eine solche Idee entsteht also nicht zufällig und gerät auch nicht zufällig in die Öffentlichkeit, sondern sicherlich nur mit Kenntnis und Zustimmung von Merz selbst.

Diese Strategie wird nur der AfD nützen

Es muss also eine bewusste Strategie hinter den Frei-Äußerungen stecken. Zumal sie der Forderung nach einer „Obergrenze“ ähnelt, die seinerzeit der CSU-Vorsitzende und Bundesinnenminister Horst Seehofer mantrahaft wiederholte. Freis Strategie dürfte nicht zuletzt von Umfragen getrieben sein. Denn obwohl die Zufriedenheit mit der Bundesregierung aktuell nicht besonders groß ist, kann die Union in bisher nicht davon profitieren, ganz im Gegensatz zur AfD, die inzwischen bei knapp 20 Prozent liegt.

Dann lasst uns doch mal die AfD inhaltlich kopieren! Das dürften sich wohl einige bei der Union gedacht haben. Freis Vorschlag ist als Indiz dafür zu werten. Dass diese Strategie nicht besonders erfolgreich ist, zeigen inzwischen zahlreiche Studien. Denn letztlich wählen Rechtsextremist*innen und Rassist*innen, Menschen, die bei Pegida-Demos mit Blick auf die Flüchtlingsboote im Mittelmeer „absaufen, absaufen“ rufen, dann doch lieber das Original. Die Strategie der Union wird aber dazu führen, die gesellschaftliche Stimmung weiter nach rechts zu rücken, wovon wiederum die AfD profitieren dürfte.

Ein Grundrecht wie Meinungs- oder Pressefreiheit

Zuletzt lohnt es sich für Thorsten Frei, mal einen Blick ins Grundgesetz zu werfen. Darin ist in Artikel 16a das Recht auf Asyl geregelt. Noch einmal ganz deutlich: Das ist ein Grundrecht wie das Recht auf Meinungs-, Presse- oder Versammlungsfreiheit. Das kann man nicht einfach abschaffen.

Autor*in
Jonas Jordan
Jonas Jordan

ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo

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