Armut: Alleinerziehende und ihre Kinder sind besonders oft betroffen
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43 Prozent der Familien mit nur einem Elternteil leben in Armut. Bei Paarfamilien mit einem Kind ist das nur bei neun Prozent der Fall, mit zwei Kindern bei elf Prozent. Das ist das Ergebnis der Studie „Alleinerziehende weiter unter Druck“ von Anne Lenze, Professorin an der Hochschule Darmstadt, im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung. Als einkommensarm gilt, wer über weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens verfügt. Bei Alleinerziehenden mit einem Kind unter 14 Jahren liegt diese Grenze bei knapp 1.400 Euro, bei einem Paar mit zwei Kindern bei rund 2.300 Euro.
Frauen besonders von Armut bedroht
Besonders armutsgefährdet sind demnach Frauen, da 88 Prozent der Alleinerziehenden Mütter sind. Zwar ist der Anteil der Alleinerziehenden, die Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) II – also Hartz IV – beziehen, laut der Studie seit 2015 zurückgegangen. Trotzdem ist ihr Anteil unter den SGB II-Haushalten mit 34 Prozent fast fünfmal höher als bei Paarfamilien mit Kindern. Das Risiko der Einkommensarmut für alleinerziehende Familien ist damit nicht gesunken, sondern verharrt auf hohem Niveau, wie es in der Studie heißt.
Dass alleinerziehende Familien deutlich häufiger in Armut leben, liegt dabei nicht daran, dass der Elternteil nicht arbeiten würde. Im Gegenteil gingen alleinerziehende Mütter sogar häufiger einer Beschäftigung nach als andere Mütter und arbeiteten öfter in Vollzeit. Trotzdem reiche das Geld häufig nicht, um der Armut zu entkommen.
Kindergrundsicherung könnte Situation verbessern
„Die eigene Erwerbstätigkeit der Mütter schon in der Partnerschaft ist entscheidend, um wirtschaftliche Belastungen nach einer Trennung zu verringern“, kommentiert daher Bundesfamilienministerin Christine Lambrecht (SPD) die Ergebnisse der Studie. Die Bundesregierung unterstütze deshalb auch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf etwa durch das Elterngeld. „Dies wirkt sich im Fall einer Trennung positiv aus – für die ökonomische Selbstständigkeit der Mutter genauso wie für den Wunsch der Väter, mehr Zeit mit den Kindern zu verbringen.“
Die Kinder selbst sieht die Studie auch in einer Art Armutsfalle. 45 Prozent aller Kinder im SGB-II-Bezug leben demnach in einer alleinerziehenden Familie. Corona habe die Situation für viele weiter verschlechtert. Um sie zu verbessern, schlägt die Bertelsmann-Stiftung deshalb die Einführung eines „Teilhabegeldes“ vor, das „finanzielle Leistungen für Kinder bündelt, einfach zu beantragen ist und gerade Alleinerziehende erreicht“.
Die SPD fordert deshalb in ihrem Programm für die Bundestagswahl eine sozialdemokratischen Kindergrundsicherung. Teil des Konzepts ist ein „existenzsicherndes Kindergeld“, das automatisch ausgezahlt wird und nach dem Einkommen der Familie gestaffelt ist: Je höher der Unterstützungsbedarf, desto höher ist das Kindergeld. Es soll alle bisherigen Familienleistungen zusammenfassen.
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.