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Arbeit 4.0: Wie die SPD mit Weiterbildung Arbeit sichern will

Die Arbeitswelt ändert sich rasant, Stichwort Arbeit 4.0. Berufliche Bildung wird für Beschäftigte immer wichtiger. Wie die SPD mit einer neuen Arbeitsversicherung mehr Weiterbildung fördern will, erklärt die Bundestagsabgeordenete Katja Mast im Interview.
von Vera Rosigkeit · 17. Oktober 2016
Ist überzeugt, dass berufliche Bildung die beste Absicherung gegen Arbeitslosigkeit ist: MdB Katja Mast.
Ist überzeugt, dass berufliche Bildung die beste Absicherung gegen Arbeitslosigkeit ist: MdB Katja Mast.

Unsere Arbeitswelt ist im Umbruch. Steht die berufliche Bildung in Deutschland vor besonderen Herausforderungen?

Der schnelle Wandel in der Arbeitswelt führt dazu, dass wir mehr in Weiterbildung investieren müssen, die lebensphasenorientiert organisiert sein muss. Zu Recht fordern wir die frühe und gebührenfreie Bildung von der Kita bis zur Hochschule. Doch nach der Hochschule oder der Erstausbildung kommt noch ein ganzes Erwerbsleben. Wir sind gut beraten, wenn wir die Aufstiegsfrage nicht nur an den Anfang des Lebens stellen, sondern über die gesamte Erwerbsbiographie hinweg gestalten und eine Debatte darüber führen, dass das dann auch schrittweise gebührenfrei zu gestalten ist. Das liegt im Übrigen nicht nur am digitalen Wandel, sondern auch daran, dass Menschen älter werden und länger gesund arbeiten können. Weiterbildung ist für uns die beste Arbeitslosenversicherung.
 
Reicht die vorhandene Bildungslandschaft aus, um diesen Wandel zu gestalten?

Die SPD ist eine Partei, die seit 153 Jahren immer schon am Aufstieg durch Bildung arbeitet. Da kann die Bildungsinfrastruktur nicht gut genug sein. Wir brauchen einen Perspektivwechsel. Weg von der Arbeitslosen- hin zu einer Arbeitsversicherung mit dem Ziel, Weiterbildung im Erwerbsleben zu stärken, um damit die Beschäftigungsfähigkeit zu erhalten und neue Aufstiegsmöglichkeiten zu schaffen. Nichts anderes meint der Begriff Vorsorgende Sozialpolitik aus unserem Grundsatzprogramm. Wir haben in den vergangenen Jahren viele Arbeitsmarktinstrumente ausgebaut, die initiativ wirken, z.B. das Programm WeGebAU, das gezielt die Weiterbildung Geringqualifizierter und älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Unternehmen fördert. Und auch im Arbeitslosenversicherungsschutz- und Weiterbildungsstärkungsgesetz (AWStG) ist der Gedanke angelegt, Arbeitnehmer nicht erst dann zu qualifizieren, wenn sie bereits arbeitslos sind oder Arbeitslosigkeit droht, beispielsweise durch die Weiterbildungsprämie.

Wie sieht dieser Perspektivwechsel in der Praxis aus?

Zunächst müssen wir trägerübergreifende Qualifizierungsstützpunkte etablieren, die die Menschen in Weiterbildungsfragen beraten. Nehmen wir ein Beispiel: Was macht ein 45-jähriger Hilfsarbeiter, der merkt, dass er nicht bis zum Renteneintritt Hilfsarbeiter bleiben kann, weil er weiß, dass er immer der Erste ist, dem gekündigt wird? Ob in der Metallindustrie oder im Pflegeheim: Wir brauchen gut qualifizierte Fachkräfte. Doch wir lassen da viele auf der Strecke allein.

Die Bundesagentur für Arbeit erprobt derzeit in einem Modellvorhaben an mittlerweile 15 Standorten Weiterbildungsberatungen, eine davon im Großraum Stuttgart. Die dort tätigen Mitarbeiter berichteten z.B. von einer Berufsrückkehrerin, die vor einer sehr langen Familienphase im führenden Management tätig war und danach als 450-Euro-Kraft in der Buchhaltung arbeitete. Das passt nicht zusammen. Nach der Beratung hat sie eine Weiterbildung zur Bilanzbuchhalterin begonnen, die von der Bundesagentur sogar gefördert werden kann.

Ein anderes Beispiel handelte von einem Anlageführer, dessen Arbeitgeber aus seiner Sicht eine Weiterbildung nicht unterstützen wollte. Nach der Beratung bzw. im Prozess haben die Mitarbeiter der BA Kontakt zum Arbeitgeber aufgenommen. Mit Erfolg: Der Ratsuchende ist bei seinem Arbeitgeber geblieben und macht nun eine Weiterbildung verbunden mit einer Höherqualifizierung ebenfalls über die Bundesagentur über WeGebAU finanziert.
 
Das klingt so, als müsse man nur ein bisschen Geld in die Hand nehmen?

Wir müssen überlegen: Reichen drei Jahre Ausbildung zu Beginn des Erwerbslebens aus oder müssen nicht vielleicht noch einmal drei Jahre während des Erwerbslebens oben drauf gelegt werden? Dann müssen wir natürlich auch Geld in die Hand nehmen.

Und wir wären nicht die SPD, wenn wir nicht mitdenken würden, dass die Tarifparteien diese Gedanken in ihren Weiterbildungstarifverträgen mit Leben füllen können. Überhaupt wollen wir mit der Arbeitsversicherung die Betriebe nicht aus der Verantwortung nehmen. Wenn beispielsweise ein Arbeitgeber eine neue Maschine anschafft, muss er auch weiterhin dafür sorgen, dass seine Mitarbeiter diese auch bedienen können und zwar ohne öffentliche Mittel.
 
Muss es ein Recht auf Weiterbildung geben?

Was braucht ein ungelernter Arbeitnehmer, der mit 35 seinen Berufsabschluss nachholen will? Der braucht zunächst eine gute Beratung. Das ist der erste Schritt. Darüber hinaus braucht er Zeit, eine finanzierte Weiterbildung und einen gesicherten Lebensunterhalt.

Ein Recht auf Weiterbildung müsste alle drei Punkte umfassen. Und da gibt es meiner Meinung nach ein Verantwortungsdreieck von mir als Individuum, von der Gesellschaft, die ein Interesse daran hat, dass jemand nicht arbeitslos wird und vom Betrieb, der Fachkräfte braucht. Je weniger gut jemand qualifiziert ist, desto höher ist die Verantwortung der Gesellschaft, da müssen wir mehr investieren.

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Vera Rosigkeit

hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.

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