Parteileben

Andrea Nahles tritt als Partei- und Fraktionsvorsitzende zurück

Andrea Nahles tritt als Partei- und Fraktionsvorsitzende der SPD zurück. Das teilte sie am Sonntagvormittag in einem Schreiben an die Mitglieder mit. Die Fraktion soll kommissarisch Rolf Mützenich führen. Für den kommissarischen SPD-Vorsitz ist Malu Dreyer im Gespräch.
von Jonas Jordan · 2. Juni 2019
„Ob ich die nötige Unterstützung habe, wurde in den letzten Wochen wiederholt öffentlich in Zweifel gezogen.“ Andrea Nahles tritt als SPD-Partei- und -Fraktionsvorsitzende zurück.
„Ob ich die nötige Unterstützung habe, wurde in den letzten Wochen wiederholt öffentlich in Zweifel gezogen.“ Andrea Nahles tritt als SPD-Partei- und -Fraktionsvorsitzende zurück.

Am späten Sonntagmorgen hat Andrea Nahles ihren Rücktritt als Partei- und Fraktionsvorsitzende angekündigt. „Die Diskussion in der Fraktion und die vielen Rückmeldungen aus der Partei haben mir gezeigt, dass der zur Ausübung meiner Ämter notwendige Rückhalt nicht mehr da ist“, schrieb sie in der E-Mail, die an die Parteimitglieder verschickt wurde.

Nahles legt auch Bundestagsmandat nieder

Nahles wird zudem ihr Bundestagsmandat niederlegen, wie eine Fraktionssprecherin dem „vorwärts“ bestätigte. Den genauen Zeitpunkt dafür werde sie mit ihrer Landesgruppe und ihrem Landesverband, der SPD Rheinland-Pfalz, besprechen.

Nach dem für die SPD enttäuschenden Ergebnis bei der Europawahl und der Landtagswahl in Bremen hatte Nahles am Montag zunächst angekündigt, die für September geplante Neuwahl des Fraktionsvorstands auf kommenden Dienstag vorzuziehen. Dieser Vorstoß stieß jedoch in der Fraktion und auch in der Partei auf viel Kritik: „Ob ich die nötige Unterstützung habe, wurde in den letzten Wochen wiederholt öffentlich in Zweifel gezogen. Deshalb wollte ich Klarheit. Diese Klarheit habe ich in dieser Woche bekommen“, schreibt Nahles nun in ihrer E-Mail an die Mitglieder.

Nahles' Appell: „Handelt besonnen!“

Deshalb werde sie am Montag im Parteivorstand ihren Rücktritt als Vorsitzende der SPD sowie am Dienstag in der Fraktion ihren Rückzug als Vorsitzende der Bundestagsfraktion erklären. „Damit möchte ich die Möglichkeit eröffnen, dass in beiden Funktionen in geordneter Weise die Nachfolge geregelt werden kann“, schreibt Nahles und appelliert an ihre Partei: „Bleibt beieinander und handelt besonnen!“

Sie habe den Vorsitz von Partei und Fraktion in schwierigen Zeiten übernommen: „Wir haben uns gemeinsam entschieden, als Teil der Bundesregierung Verantwortung für unser Land zu tragen. Gleichzeitig arbeiten wir daran, die Partei wiederaufzurichten und die Bürgerinnen und Bürger mit neuen Inhalten zu überzeugen.“ Beides zu schaffen sei eine große Herausforderung. „Um sie zu meistern ist volle gegenseitige Unterstützung gefragt“, heißt es in dem Nahles Schreiben. Diese Unterstützung hat sie nicht mehr gesehen.

Mützenich führt kommissarisch die Fraktion

Nach Nahles' Rücktritt wird der bisherige stellvertretende Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich kommissarisch die Führung der Fraktion übernehmen. So hat es der geschäftsführende Fraktionsvorstand am Sonntag einstimmig beschlossen. Das Gremium beschloss ebenfalls, die für Dienstag angesetzte Wahl des Fraktionsvorsitzenden zu verschieben. Als einer der Stellvertreter von Nahles hatte Mützenich die Aufgabe des Fraktionsvorsitzenden während der laufenden Legislatur bereits einige Mal vertretungsweise ausgeübt. Im „Kölner Stadtanzeiger“ sprach sich Mützenich dafür aus, dass die rheinland-pfälzische Minsiterpräsidentin Malu Dreyer kommissarisch den Parteivorsitz übernehmen sollte.

In Parteikreisen wird Dreyer als Interimslösung gehandelt bis eine neue Vorsitzende oder ein neuer Vorsitzender gefunden ist. „Die SPD ist nicht führungslos“, sagte Dreyer selbst am Sonntagabend im ZDF, ohne dabei konkret von ihrer Rolle zu sprechen. Parteivize Olaf Scholz, der die Partei nach dem Rücktritt von Martin Schulz 2018 einige Wochen kommissarisch geführt hatte, schloss eine erneute Übernahme des Vorsitzes – auch dauerhaft – aus. Dies sei zusammen mit dem Amt als Bundesfinanzminister nicht zu schaffen, sagte Scholz in der ARD-Sendung „Anne Will“.

Stellvertreter mahnen Respekt an

Noch am Samstag hatten Nahles‘ Stellvertreter an der SPD-Spitze ihr demonstrativ den Rücken gestärkt. „Nach dem niederschmetternden Wahlergebnis müssen wir in der Sache offen und kritisch, aber respektvoll darüber sprechen, was wir gemeinsam ändern müssen, um einen Weg aus der Krise zu finden. Die massive öffentliche Kritik an Andrea Nahles ist unfair“, hieß es in einer gemeinsamen Stellungnahme von Olaf Scholz, Malu Dreyer, Manuela Schwesig, Ralf Stegner, Thorsten Schäfer-Gümbel und Natascha Kohnen.

Am Montag berät nun der Parteivorstand über das weitere Vorgehen. Die Klausursitzung war schon in der vorigen Woche einberufen worden, um das über die Konsequenzen aus den schlechten Wahlergebnissen zu beraten. Bereits am Sonntagabend wird das Parteipräsidium zusammenkommen. Dann wird es auch darum gehen, wer Nahles' Funktion bis zur Wahl einer Nachfolgerin oder eines Nachfolgers übernimmt.

Autor*in
Jonas Jordan
Jonas Jordan

ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo

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