Ampel-Bündnis: Parteispitzen bereit für Koalitionsverhandlungen
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„Man kann sehr deutlich spüren: Hier ist ein Aufbruch möglich“, sagt SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz. Bis am frühen Freitagmorgen haben die Spitzen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP verhandelt. Wenige Stunden später treten sie mittags um 13 Uhr in Berlin gemeinsam vor die Mikrofone. Die Botschaft der drei Parteien bei der Pressekonferenz in Berlin ist deutlich: Sie wollen Koalitionsverhandlungen für ein mögliches Ampel-Bündnis aufnehmen. „Wir haben uns auf ein Papier verständigt, das jetzt die Grundlage für die Entscheidung in den Parteien bilden kann und aus der Perspektive, die ich für mich formulieren will, ist das ein sehr gutes Ergebnis“, sagt Scholz.
Esken: „Wir können empfehlen, in Koalitionsverhandlungen zu treten“
Es mache aus seiner Sicht deutlich, dass in Deutschland eine Regierung gebildet werden könne, die dafür Sorge tragen möchte, dass Fortschritt möglich sei. „Das eine große Thema ist die industrielle Modernisierung unseres Landes, die so gelingen muss, dass wir den menschengemachten Klimawandel aufhalten. Das haben wir uns gemeinsam vorgenommen.“ Wenn dies gelinge, werde es der wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland sehr nutzen.
Auch die SPD-Parteivorsitzenden zeigen sich sehr positiv gestimmt. „Wir können empfehlen, in Koalitionsverhandlungen zu treten“, sagt Saskia Esken. Die angestrebte Ampel-Koalition solle ein Bündnis werden, um die Modernisierung des Staates und der Gesellschaft voranzubringen. „Die bevorstehenden Veränderungen verlangen den Menschen viel ab. Deswegen ist es notwendig, dass wir ihnen Respekt bezeugen und Sicherheit geben“, sagt sie. Auch ihr Co-Vorsitzender Norbert Walter-Borjans sagt, es sei in den Gesprächen nicht nur darum gegangen, den kleinsten gemeinsamen Nenner ausfindig zu machen, sondern eine gemeinsame Vorstellung davon zu entwickeln, „wie Fortschritt in der Zukunft aussehen kann“.
Mindestlohn
Im zwölfseitigen Sondierungspapier der drei Parteien und möglicherweise künftigen Koalitionspartner*innen finden sich zahlreiche zentrale Forderungen der Sozialdemokratie aus dem zurückliegenden Bundestagswahlkampf wieder, so zum Beispiel im Kapitel zum Thema „Respekt und Chancen in der modernen Arbeitswelt“. Darin heißt es: „Wir werden den gesetzlichen Mindestlohn im ersten Jahr in einer einmaligen Anpassung auf zwölf Euro pro Stunde erhöhen.“ Im Anschluss daran soll wieder die Mindestlohnkommission über weitere Anpassungsschritte entscheiden.
Rente
Neben der Erhöhung des Mindestlohnes war auch die Garantie eines stabilen Rentenniveaus eines der zentralen Versprechen von Olaf Scholz im Bundestagswahlkampf. Auch das findet sich nun im Sondierungspapier wieder. „Wir werden die gesetzliche Rente stärken und das Mindestrentenniveau von 48 Prozent sichern“, heißt es darin. Es solle keine Rentenkürzungen und keine Anhebung des gesetzlichen Renteneintrittsalters geben. Um diese Versprechen finanziell abzusichern, soll der Bund in eine teilweise Kapitaldeckung der Gesetzlichen Rentenversicherung einsteigen. Dafür soll im ersten Schritt im Jahr 2022 ein Kapitalstock in Höhe von zehn Milliarden Euro aus Haushaltsmitteln gebildet werden.
Hartz IV
Wie von der SPD zuvor gefordert, soll anstelle von Hartz IV ein Bürgergeld eingeführt werden. „Das Bürgergeld soll die Würde des und der Einzelnen achten, zur gesellschaftlichen Teilhabe befähigen sowie digital und unkompliziert zugänglich sein“, wird dazu konkretisiert. Hilfen zur Rückkehr in den Arbeitsmarkt sollen im Mittelpunkt stehen.
Familie und Bildung
Wohnen
„Wir wollen mehr bezahlbaren Wohnraum schaffen“, heißt es in dem Papier. Dazu sollen, wie von der SPD gefordert, 400.000 neue Wohnungen pro Jahr gebaut werden, ein Viertel davon öffentlich gefördert. Geltende Mieterschutzregelungen, zu denen auch die Mietpreisbremse zählen dürfte, sollen evaluiert und verlängert werden.
Weiterer Zeitplan
Der SPD-Parteivorstand kommt bereits am Freitagnachmittag digital zusammen, um den Eintritt in Koalitionsverhandlungen zu beschließen. Bei den Grünen trifft die Entscheidung ein kleiner Parteitag am Sonntag. Die FDP will sich am Montag beraten und abstimmen. Wenn in allen drei Parteien dann grünes Licht für Ampel-Verhandlungen herrscht, sollen die Generalsekretäre von SPD und FDP sowie der Bundesgeschäftsführer der Grünen den weiteren Zeitplan abstimmen, sagt Scholz. Klar sei, „dass wir schnell fertig werden wollen“.
ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo