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Abkehr von Hartz IV: SPD-Parteitag beschließt neues Sozialstaatskonzept

Die SPD lässt Hartz IV endgültig hinter sich. Einstimmig hat der Parteitag am Samstag das neue Sozialstaatskonzept der Partei beschlossen. Das Ziel: Der Sozialstaat soll Partner der Menschen sein.
von Jonas Jordan · 7. Dezember 2019
Einstimmig: Auf dem Parteitag hat die SPD ihr neues Sozialstaatskonzept beschlossen.
Einstimmig: Auf dem Parteitag hat die SPD ihr neues Sozialstaatskonzept beschlossen.

Um Viertel nach zwei brandet Jubel auf im „City Cube“ auf dem Berliner Messegelände. Die 600 Delegierten des SPD-Bundesparteitags erheben sich von ihren Plätzen und klatschen mehrere Minuten lang. Sie haben Historisches vollbracht: Einstimmig haben sie das neue Sozialstaatskonzept der SPD beschlossen und das nach der „größten Sozialstaatsdebatte auf einem SPD-Parteitag seit 15 Jahren“, wie die stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion Katja Mast sagt.

Ein Sozialstaat auf der Höhe der Zeit

„Wir werden uns mit dem Sozialstaatskonzept von Dingen aus der Vergangenheit verabschieden“, hatte Malu Dreyer gesagt, als sie den Antrag am Vormittag einbrachte. Der Sozialstaat müsse auf die Höhe der Zeit gebracht werden. Den Prozess hatte die damalige SPD-Vorsitzende Andrea Nahles Anfang des Jahres angestoßen. Nach ihrem Rücktritt war das Konzept „von der ganzen Breite der Partei“ weiterentwickelt worden.

„Die Menschen sollen teilhaben können – das ist die Grundaussage unseres Konzepts“, sagt Malu Dreyer. Deshalb stehe der Wert der Arbeit in dessen Mittelpunkt. „Unsere Antwort ist nicht das Bedingungslose Grundeinkommen. Wir wollen gute Arbeit garantieren“, so Dreyer. Dazu gehöre auch, den Mindestlohn „perspektivisch auf 12 Euro“ zu erhöhen und ein „Recht auf mobiles Arbeiten und Homeoffice“ einzuführen.

Streitpunkt Hartz-IV-Sanktionen

Die anschließende Debatte dreht sich in erster Linie um die vollständige Abschaffung der Hartz-IV-Saktionen, die vor allem die Jusos fordern. So spricht sich der stellvertretende Juso-Bundesvorsitzende Josef Parzinger dafür aus. Auch die sächsische Bundestagsabgeordnete Daniela Kolbe positioniert sich kritisch gegenüber Sanktionen. Der Druck, der dadurch auf den einzelnen ausgeübt werde, belaste das Verhältnis zwischen dem Sozialstaat und den Menschen: „Deswegen müssen wir da ran.“ Sie fordert jedoch – anders als Parzinger – keine vollständie Abschaffung der Sanktionen, sondern plädiert dafür, „einen guten Kompromiss“ zu finden.

Die am Freitagabend neu gewählte stellvertretende Bundesvorsitzende Serpil Midyatli sieht in dem Sozialstaatskonzept auch ein geeignetes Instrument, um Kinderarmut in Deutschland zu bekämpfen. „Wir wollen endlich, dass es kein Armutsrisiko in Deutschland mehr ist, Kinder zu haben. Denn das ist ein Armutszeugnis. Deswegen ist das ein richtig guter Vorschlag, der uns vorliegt“, sagt Midyatli.

Heil: großer Tag für die Sozialdemokratie

Bei den Sanktionen einigen sich die Delegierten schließlich – ebenfalls einstimmig – auf einen Kompromissvorschlag der Antragskommission. Dieser sieht vor, dass die SPD das jüngste Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu Hartz-IV-Sanktionen begrüßt und in einem ersten Schritt Sanktionen von mehr als 30 Prozent ablehnt. Außerdem enthält der Kompromissvorschlag den Passus: „Das Existenzminimum muss gewährleistet sein.“

Arbeitsminister Hubertus Heil spricht anschließend von einem „großen Tag“ für die Sozialdemokratie: „Wir sind die Partei, die weiß, dass es um die sozialen Rechte der Bürger geht. Wir sind und bleiben die Partei der Arbeit.“ Explizit dankt Heil der ehemaligen SPD-Parteivorsitzenden Andrea Nahles: „Andrea, dieses Konzept ist dein Vermächtnis.“

Autor*in
Jonas Jordan
Jonas Jordan

ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo

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