Nach dem 9-Euro-Ticket: Warum Bus und Bahn teurer werden könnten
IMAGO/Arnulf Hettrich
Detlef Müller, wie teuer, wie günstig darf die Nachfolge des 9-Euro-Tickets sein?
Das kann man nicht genau sagen. Wir brauchen ein Ticket, idealerweise bundesweit, zu einem vernünftigen Preis. Ich sage bewusst „vernünftig“ weil man gar nicht definieren kann, was kostengünstig ist. Günstig kann in Mecklenburg-Vorpommern etwas anderes bedeuten als in München.
Wichtiger ist aber, dass es einfach ist. Dass ich in den Zug einsteigen kann, ohne mir viel Gedanken über Tarifzonen oder Verkehrsverbünde zu machen. Das ist der große Vorteil des 9-Euro-Tickets.
Allerdings müssen wir erstmal den Status Quo finanzieren: So wie der ÖPNV in Städten und Landkreisen fährt, fährt er aktuell große Defizite ein. Die roten Zahlen durch steigende Energiekosten und vieles mehr müssen zu einem Großteil die Kommunen und Landkreise decken. Allein in meiner Heimat Chemnitz steckt die Stadt inzwischen 14 Millionen Euro in den ÖPNV, in den kommenden Jahren wird es vermutlich auf 25 Millionen steigen. Das wird die Kommunen irgendwann überfordern.
Der ÖPNV wird aber doch immer bezuschusst in Deutschland. Warum das System dann nicht vereinfachen, Bus und Bahn kostenlos machen und komplett aus dem Staatshaushalt finanzieren?
Ganz kostenlos finde ich nicht gut, weil der ÖPNV dann einfach „da“ ist und keinen Wert mehr hat. Mobilität und gutes Personal haben einen Wert und der sollte auch direkt bezahlt werden, finde ich.
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Außerdem decken die Ticketverkäufe im Schnitt ein Drittel der Ausgaben eines Verkehrsunternehmens. Die anderen zwei Drittel kommen aus Steuermitteln, in der Regel von den Kommunen. Würde man das komplett umlegen, bräuchte man pro Jahr vermutlich rund 25 Milliarden Euro zusätzliche Steuereinnahmen.
Solange wir in den ländlichen Regionen dafür kein gutes Angebot haben, finde ich das schwierig. Es macht eben einen Unterschied, ob ich in Berlin wohne und von einem gut ausgebauten Nahverkehr profitiere oder im Vogtland, wo am Tag vielleicht nur zwei Mal der Schulbus fährt.
Wenn komplett kostenlos keine gute Idee ist, das 9-Euro-Ticket aber ausläuft – wie wäre es mit einer nur etwas teureren Alternative: Dem 365-Euro-Ticket?
Die Debatte darüber ist auf jeden Fall sinnvoll, weil es das Thema weiterbringt. Es wird endlich mal richtig auf den ÖPNV geschaut. Und wir haben jetzt auch gesehen: Die Menschen wollen auf Bus und Bahn umsteigen.
Dass man sich nun Gedanken darüber macht, wie so ein bundesweites Ticket und ein zukunftsfähiger ÖPNV aussehen könnte, das werte ich schon als einen Riesenerfolg.
Was mich aber ein wenig ärgert: Es ist immer einfach, etwas zu fordern. Vergessen wird aber dann der Satz hinter dem Komma: Wie wird das denn dann bezahlt? Wer übernimmt die Kosten, wird die Differenz zum günstigeren Ticket ausgeglichen?
Irgendwie müssen wir zwischen Bund und Ländern zumindest Ideen entwickeln. Ein Ansatz wäre beispielsweise die Regionalisierungsmittel anders zu verteilen.
Viele Fahrgäste haben aber auch die Erfahrung gemacht, dass Züge ausgefallen sind, Verspätung hatten, völlig überfüllt waren. Auch eine Frage des Geldes?
Dass das passieren wird, war ja wenig überraschend. Das muss man einfach so sagen. Diesen Ansturm, die Probleme gab es auch schon früher an Feiertagswochenenden.
Deswegen habe ich die Regionalisierungsmittel angesprochen – diese Probleme liegen auch an dem System, das wir haben: Der Bund stellt die Mittel bereit, gibt sie an die Länder und die geben das an die Verkehrsverbünde. Die bestellen die Leistung über Ausschreibungen. Den Auftrag kriegen dann die mit dem günstigsten, dem wirtschaftlichsten Angebot.
Da ist dann aber keine Reserve eingeplant, weder Fahrzeuge noch Personal, die nach Bedarf eingesetzt werden könnten. Ganz abgesehen davon, dass es schwierig ist, das zu finden.
Und da kommen wir wieder zurück zum Anfang: Wenn wir als Gesellschaft etwas besseres wollen, müssen wir dafür mehr Geld zur Verfügung stellen.
Gibt es überhaupt noch eine Möglichkeit, für ein neues Ticket ab September?
Nein, das Thema ist durch. Grundsätzlich war das Ticket aber ja auch nicht als verkehrspolitische Maßnahme, sondern als finanzielle Entlastung für Pendler gedacht. So wie der Tankrabatt, der auch im August ausläuft.
Es gibt aus meiner Sicht auch keine Variante, mit der wir direkt weitermachen könnten. Denn die Gestaltung des ÖPNV obliegt ja den Bundesländern und jetzt noch eine gemeinsame Regelung mit allen Ländern für die Zeit ab dem 1. September zu finden, halte ich für unrealistisch.
Aber es wäre doch jetzt sinnvoller denn je, wenn so viele Menschen wie möglich auf ihr Auto verzichten, Benzin sparen und stattdessen weiter Bus und Bahn nutzen?
Ja, motivieren sollte man die Menschen, verordnen kann man es aber nicht. Viele denken schon um, fangen an zu sparen, weil sie ja die Preise an der Tankstelle sehen und ahnen, welche Heizkosten auf sie zukommen.
Ich sehe aber tatsächlich eine große Gefahr, wenn nach dem 31. August das 9-Euro-Ticket endet. Es kann nämlich passieren, dass die Verkehrsunternehmen dann ihre Preise erhöhen, weil sie ihre Defizite ausgleichen müssen, die sie seitdem angehäuft haben.
Das wäre das schlimmste, wenn wir jetzt drei Monate lang den Menschen ein gutes Angebot machen konnten – und dann im Oktober entweder die Preise deutlich erhöht werden oder das Angebot zusammengestrichen wird.
Das müssen wir unbedingt verhindern. Wir müssen erstmal den ÖPNV, wie er jetzt gerade ausgestaltet ist, für die nächsten Jahre ausreichend finanzieren. Dafür brauchen wir mehr jetzt mehr Geld.
Darüber sollte der Bundesverkehrsminister jetzt mit den Landesverkehrsministern sprechen, im Oktober oder November, wie er es angekündigt hat, wäre es dafür schon zu spät.