Nach dem Zweiten Weltkrieg

Vor 75 Jahren: Warum die Zusammenarbeit zwischen SPD und KPD scheiterte

Klaus Wettig05. Januar 2021
Kurt Schumacher bei einer Rede im Mai 1946 in Frankfurt: Der Sozialdemokrat setzte sich mit seiner Linie des Misstrauens und der Abgrenzung gegen die KPD durch.
Kurt Schumacher bei einer Rede im Mai 1946 in Frankfurt: Der Sozialdemokrat setzte sich mit seiner Linie des Misstrauens und der Abgrenzung gegen die KPD durch.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wollten Sozialist*innen und Kommunist*innen in einer gemeinsamen Partei zusammenarbeiten. Während es in der späteren DDR zur Zwangsvereinigung kam, folgte die SPD in den West-Sektoren der Linie Kurt Schumachers.

Die Spaltung der Arbeiterbewegung während des Ersten Weltkrieges, die Gründung der Kommunistischen Partei durch die ehemalige SPD-Linke, die sich vertiefende Kluft zwischen SPD und KPD in der Schlussphase der Weimarer Republik – all das sollte nach der Befreiung vom NS-System durch eine Partei der Einheit überwunden werden. Im neuen demokratischen Deutschland wollten Sozialist*innen und Kommunist*innen in einer gemeinsamen Partei zusammenarbeiten, damit der Aufbau der zweiten deutschen Republik freiheitlich, aber von sozialistischen Vorstellungen geprägt gelänge. Die Ausrottung des Faschismus galt als gemeinsame Aufgabe, niemals wieder sollte er eine Chance erhalten.

Zweifel an der Ernsthaftigkeit der kommunistischen Absichten

Diese idealistischen Vorstellungen entwickelten die Emigrant*innen beider Parteien, doch war sie in der Westemigration der Sozialdemokrat*innen und Kommunist*innen ausgeprägter. Unter den kommunistischen Emigrant*innen in der Sowjetunion galt sie als Abweichlertum, hier dachte man allenfalls als taktische Zugeständnisse. In den zwölf Jahren der Nazi-Diktatur erfuhr der Gedanke der Einheit die stärkste Zustimmung während der Volksfrontjahre ab 1936, doch zeigten die gemeinsamen Auftritte und Aktionen immer wieder prinzipielle Differenzen, die mehr als nur taktischer Natur waren.

Nach dieser Zeit der Zusammenarbeit entstanden bald Zweifel an der Ernsthaftigkeit der kommunistischen Absichten, die durch zwei Ereignisse frische Nahrung erhielten: die brutalen Verfolgungen linker Gruppen durch die Kommunist*innen in der Endphase des Spanischen Bürgerkrieges und 1939 die Rechtfertigung des Hitler-Stalin-Paktes durch die deutschen Kommunist*innen. Diese politische Haltung zerstörte das vorher entstandene Vertrauen, das auch nach 1941, nach dem Überfall der Wehrmacht auf die Sowjetunion, nicht zurückgewonnen werden konnte. Man blieb auf Distanz, während sich in den wichtigen Emigrantenstationen die linke Opposition gegen Hitler sammelte.

Vereint im Kampf gegen den Faschismus

In Deutschland entwickelte sich durchaus eine andere Situation. Sozialdemokrat*innen und Kommunist*innen versuchten gemeinsam die Verfolgungen zu überstehen. In den Konzentrationslagern kam es zur Zusammenarbeit und vertieften Gesprächen über eine mögliche Parteieinheit.

Die „Buchenwalder Plattform“ vom 1. Mai 1944 und später das „Buchenwalder Manifest“ vom 13. April 1945 drückten diese Stimmung am deutlichsten aus, die vielerorts Unterstützung fand. Als „Bund demokratischer Sozialisten“ (BDS) oder sogar als „Sozialistische Einheitspartei“ in Braunschweig bildeten sich erste gemeinsame Organisationen, die jedoch bald darauf auf den Widerstand der aus Moskau zurückgekehrten „Gruppe Ulbricht“ stießen, die auf den Aufbau einer selbstständigen KPD setzt. Die Gruppe Ulbricht erfuhr die nachhaltige Förderung durch die Sowjetische Militär-Administration (SMAD) in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ), deren Politik ab Juni 1945 die Bildung von antifaschistischen Parteien erlaubte und am Vorrang der KPD nie einen Zweifel aufkommen ließ.

Verfolgung und Verhaftung in der SBZ

Die sich in der SBZ ebenfalls um den „Zentralausschuss“ in Berlin neu bildende SPD entwickelte sich in der SBZ schnell, sodass sehr bald ihr Vorsprung vor der KPD deutlich wurde, was zum Umschlagen der SMAD-Politik führte, die nun für die Parteieinheit von KPD und SPD eintrat. Schritt für Schritt setzte sie ihre administrativen Möglichkeiten ein, um widerstrebende Sozialdemokraten auf diese Linie zu bringen. Politischer Druck wurde durch Verfolgung und Verhaftung ersetzt. Die ersten Sozialdemokraten entzogen sich durch Flucht aus der SBZ dieser Politik.

Als am 5./6. Oktober in Wennigsen bei Hannover SPD-Vertreter aus den Westzonen ihren Kurs absprechen, ist ein wichtiges Ergebnis, dass eine gemeinsame Partei für alle Besatzungszonen nicht erreicht werden kann. Kurt Schumacher, dessen politische Führung akzeptiert wurde, kann seine Linie des Misstrauens und der Abgrenzung durchsetzen. Gespräche mit Vertreter*innen des Zentralausschusses um Otto Grotewohl belegen dessen Abhängigkeit von der SMAD-Politik, die zu einer Fusion mit der KPD führte. Auch ein späteres Gespräch bestätigte die Unumkehrbarkeit des Weges zur SED.

Die SPD folgt der Linie Schumachers

Da es nach wie vor Stimmen in den Westzonen gab, die die Parteieinheit für möglich hielten und zur Stärkung des Widerstandes in den SPD-Organisationen der SBZ, die keine Fusion mit der KPD wollten, sprach sich Kurt Schumacher am 2. Januar 1946 gegen die Verschmelzung aus. Seine Linie wurde auf einer Funktionärskonferenz von Sozialdemokrat*innen der Britischen Besatzungszone unterstützt.

Die folgenden Monate bestimmte eine harte SMAD-Politik für die Fusion, die Widerstände in der SPD der SBZ ausräumte, sodass es zu weitgehender Zustimmung kam. Nur im westlichen Teil Berlins verweigerte sich die SPD der Fusion, ohne sich jedoch prinzipiell dagegen zu stellen.

Am 20./21. April 1946 erfolgt auf dem „Vereinigungsparteitag“ in Berlin der Zusammenschluss beider Parteien zur „Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands“ (SED). Sehr schnell zeigt sich in den folgenden Jahren, dass die wiedergewonnene Parteieinheit nur der Vernichtung der Sozialdemokratie diente.

weiterführender Artikel

Kommentare

Sehr schön der "weiterführende(!) Artikel":

Kurt Schumacher: Engagiert gegen jede Form des Extremismus

Kurt Schumacher

Wieder einmal wird die Rolle des Antikommunisten Kurt Schumacher betont. Ja, die Kommunisten, speziell die Moskauer - weniger die von der KPO oder die "Trotkisten" - hatten einiges auf dem Kerbholz - bestimmt nicht weniger als manche SPDler (vergessen wir nicht die Anbiederungsversuche der Partei- und Gewerkschaftsfführung an das Hitlerregime 1933). Der Traum von einer vereinigten Partei, den viel aufrechte Kommunisten und Sozialdemokraten träumten war ernst gemeint und kam aus tiefer Überzeugung. Die Rolle der jeweiligen Alliierten - nicht nur des bösen Stalin - sollte in der Geschichte nicht vergessen werden. Einseitige Sichtweisen verbieten sich.
Nebenbei, in meiner JuSo-Zeit haben ich und andere Genoss*** in Sachen:Frieden, Abrüstung, Stadtteilarbei, Mieten ..... mit Kommunist***en - trotz Differenzen in einigen Fragen - gut und ehrlich zusammengearbeitet, und das kann ich leider nicht von allen SPD-Genoss*** sagen, die dann doch mehr an ihrer eigenen Karriere orientiert waren.

Danke

Danke für den gut geschriebenen Beitrag. :-)

Begriff "Zwangsvereinigung"

Leider kann ich den Begriff "Zwangsvereinigung", den Ihr hier im Zusammenhang mit dem Vereinigunsparteitag SPD/KPD von 1946 formuliert habt, nicht zustimmen. Denn es entsteht bei diesen Begriff folgender Widerspruch: Wie kann die SPD mit großen Mut und voller Überzeugung gegen das Ermächtigungsgesetz von Hitler 1933 gestimmt haben, dabei erklären, dass man der SPD "Freiheit und Leben" nehmen könne, "aber die Ehre nicht" und auf der anderen Seite die Abstimmungen, die auf dem Vereinigungparteitag 1946 stattgefunden haben, für Zwang erklären. Die SPD hat doch mit dem mutigen Widerstand gegen die Nazi-Diktatur gezeigt, welche Willenskraft sie besitzt. Sie würde doch den massivsten Druck standhalten und niemals gegen ihrer eigenen Überzeugungen stimmen. Otto Grotewohl ist dabei das beste Beispiel: Als überzeugter Sozialdemokrat hat er gegen das Ermächtigungsgesetz 1933 gestimmt. Ebenfalls als überzeugter Sozialdemokrat, hat er der Vereinigung SPD/KPD zugestimmt. Statt den Schwarzen Peter auf die SMAD zu schieben, sollte die SPD meiner Meinung nach sozialdemokratische Errungenschaften der DDR begutachten und sie kritisch beurteilen. Die Zwangsvorwürfe sind für mich nicht haltbar.