Kultur

Karriere der Niederlagen

von Bernhard Spring · 25. Juli 2011
placeholder

Das ganz große Comeback sollte es sein: Eine Tournee durch Europa sollten wieder positive Schlagzeilen für Amy Winehouse bringen, für den nächsten Januar war ein Album angekündigt, an dem auch "Rolling Stones"-Gitarrist Ronnie Wood mitgewirkt habe … Es blieb bei einem einzigen desaströsen Auftritt in Belgrad am 18. Juni, bei dem 20.000 Fans die völlig betrunkene Sängerin ausbuhten, die daraufhin ihre gesamte Tour absagte. Amy Winehouse war gescheitert. Fünf Tage später war die 27-Jährige tot.

Der große Erfolg über Nacht
Wer den Beginn der musikalischen Karriere der Winehouse 2003 verpasst hatte, als sie mit ihrem Album "Frank" debütierte, kam spätestens drei Jahre später nicht mehr um die quirlige Britin herum: Das Album "Back to black" stürmte die internationalen Hitlisten, ebenso die soulige Single "Rehab". Was folgte, war der große Erfolg über Nacht. Fünf Grammys, zehn weitere Singleauskopplungen, eine Live-DVD, ein Konzert für Nelson Mandela, die mediale Ausrufung eines neuen Jazz-Zeitalters mit Amy Winehouse als neue Stimme …

Auch abseits der Bühne sorgte die Winehouse für Sensationen: Mit Bienenstockfrisur und breitem Lidstrich inspirierte sie nicht nur junge Mädchen, sondern auch Modezar Karl Lagerfeld. Ihr Abbild zierte bald das Wachsfigurenkabinett von Madame Tussauds, ihre Röcke und sogar ihr Madonna-Piercing setzten Trends …

Trunkensucht und Drogenmissbrauch
Doch schon auf ihrem Höhepunkt war die Sängerin äußerst labil. Immer wieder machte sie mit Trunkenheit und Drogenmissbrauch Schlagzeilen, Gerüchte über Essstörungen und manische Depressionen machten die Runde. Zuletzt war die Winehouse mal unten, dann oben ohne zu sehen - und verlor völlig die Kontrolle über ihr mediales Auftreten. Ihre Karriere war nach der Veröffentlichung von "Back to black" größtenteils bestimmt von Absagen: Zur Grammy-Verleihung in Los Angeles - ihre Sternstunde - konnte sie nicht anreisen, den Titelsong vom aktuellen James-Bond-Film konnte sie nicht einsingen, immer aufgrund ihrer schlechten Verfassung.

Angesichts all dieser Hiobsbotschaften schien ein Comeback immer unwahrscheinlicher, auch wenn die Winehouse bis zuletzt daran arbeitete: Nach der gecoverten Erfolgssingle "Valerie" (2007) brachte sie unablässig Nachgesungenes heraus: "Will you love me tomorrow?" von den Shirelles, "All my lovin'" von den Beatles und zuletzt "It's my party" von Lesley Gore - lauter Klassiker, die sie jedoch trotzdem nicht wieder Fuß fassen ließen auf der großen Bühne. Im Frühjahr gab sie noch ein paar millionendollarschwere Konzerte in Brasilien, doch da war sie schon zu tief im Strudel ihrer psychischen und physischen Probleme versunken.

Gnadenloses Musikgeschäft
Was bleibt, ist die Musik - und die Legende: Derart viele Musiker starben im Alter von 27 Jahren, dass dieser junge Tod in manchen Kreisen bereits als Qualitätsmerkmal gilt. Auch Amy Winehouses Vorbild Janis Joplin zählt zum "Club 27". Ihr postum erschienenes Album toppte übrigens als einziges ihrer Karriere die Hitliste. Ähnliches dürfte dem unveröffentlichten Album der Winehouse bevorstehen, falls es wirklich existiert: Denn auch das bleibt: ein Musikgeschäft, das seine Künstler ohne Skrupel gnadenlos auspresst.

Autor*in
Bernhard Spring

erhielt 2008 den Literaturpreis des Landes Sachsen-Anhalt, 2011 erschien sein erster Roman, „Folgen einer Landpartie“.

0 Kommentare
Noch keine Kommentare