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Weil 140 Frauen fehlen – SPD-Abgeordnete wollen Paritätsgesetz

140 Frauen fehlen, um ein 50:50-Verhältnis im Parlament herzustellen, sagt Bundestagsabgeordnete Josephine Ortleb. SPD-Frauen fordern ein Paritätsgesetz, am Donnerstag gab es ein erstes fraktionsübergreifendes Treffen im Bundestag. Doch juristisch ist das nicht so einfach.
von Vera Rosigkeit · 14. Februar 2019

Frauen können heute selbstverständlich wählen, doch die Chancen gewählt zu werden, sind geringer als für Männer. Lautete vor 100 Jahren die Forderung, Frauen in die Parlamente, wollen wir heute, dass wieder mehr Frauen in die Parlamente kommen, erklärt die Bundestagsabgeordnete Cansel Kiziltepe am Dienstag in Berlin.

Zu wenig Frauen in der Politik

Auf einer Veranstaltung der SPD-Bundestagsfraktion zu 100 Jahre Frauenwahlrecht geht es um die Frage, ob eine gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern in der Politik durch ein Gesetz zu erreichen ist? Warum das notwendig ist, weist Josephine Ortleb anhand von Zahlen nach. Von derzeit 709 Abgeordneten im Bundestag seien nur knapp 30 Prozent Frauen. „Es fehlen 140 Frauen, um ein 50:50-Verhältnis im Parlament herzustellen“, erklärt die Abgeordnete des Wahlkreises Saarbrücken. Erschreckende Zahlen zeigten sich laut Ortleb auch im kommunalpolitischen Bereich: 270 Oberbürgermeistern stehen lediglich 35 Oberbürgermeisterinnen gegenüber, also nur jedes neunte Amt werde von einer Frau besetzt. SPD-Frauen fordern nun ein Paritätsgesetz, das sie mit der anstehenden Wahlrechtsreform im Bundestag verbinden wollen. Ortleb spricht von einem „historischen Zeitfenster“, dass es zu nutzen gilt.

Brandenburg hat Signalwirkung

Gerade erst hat der Deutsche Frauenrat seine Petition: „Mehr Frauen in die Parlamente!“ gestartet. Darin werden alle demokratischen Parteien aufgefordert, sich für eine Wahlrechtsreform einzusetzen, die sowohl bei Listen als auch bei Direktmandaten eine 50:50-Quotierung vorsieht. Und kurz darauf, am 30. Januar, ist der brandenburgischen Landesregierung gelungen, erstmalig in einem deutschen Parlament ein Paritätsgesetz zu verabschieden. In abwechselnder Folge müssen künftig alle Parteien gleich viele Frauen wie Männer auf ihren Wahllisten aufstellen.

Unberührt von dieser Regelung bleibt jedoch die Quotierung der Direktkandidaten in den Wahlkreisen. Auf die möchten weder Kiziltepe noch Ortleb verzichten. Denn auch hier haben die Männer klar die Nase vorne. Zwei Optionen stehen laut Ortleb zur Wahl, dies zu ändern. Man könnte zum einen die Wahlkreise halbieren und in jedem eine Frau und einen Mann wählen lassen. Die Wähler hätten zwei Stimmen, einmal für die Frau, einmal für den Mann, die in diesem Fall auch unterschiedliche Parteien vertreten könnten, erklärt sie. Denkbar wäre aber auch ein Tandem pro Partei. In diesem Fall würde mit einer Stimme Frau und Mann einer Partei gewählt.

Was juristisch möglich ist

Aber: Verfassungsrechtlich bedenklich bleiben diese Verfahren allemal. Denn die Verfassung verpflichtet nicht zur Parität, betont die Juristin Sina Fontana vom Deutschen Juristinnenbund. Allerdings habe der Staat laut Artikel 3 auf die Beseitigung bestehender Nachteile hinzuwirken, unterstreicht sie, was ihrer Meinung nach ein wichtiges Instrument sei, um der Benachteiligung von Frauen in der Politik entgegenzutreten. Damit gibt es aus juristischer Sicht Spielräume, sagt Fontana.

Die Alternative zu einer paritätischen Liste könnte eine offene Liste sein. Die Wähler könnten so entscheiden, ob sie lieber einer Frau oder einem Mann ihre Stimme geben. Oder Parteien könnten mit einer Bonuszahlung über die Parteienfinanzierung honoriert werden, wenn sie Frauen fördern. Das wäre leichter durchsetzbar als Sanktionen, betont sie. Damit bliebe es den Parteien selbst überlassen, ob sie eine Förderung wollen oder aber auch nicht.

Parität muss kommen

Zu sehr sollte man sich jedoch nicht von der juristischen Debatte leiten lassen, wenn man ein politisches Gesetz macht, lautet ein Einwand aus dem Publikum. Neuregelungen würden immer auf Widerstand stoßen.

21 Ländern Europas haben bereits ein Paritätsgesetz, im Bundesland Thüringen ist es im Koalitionsvertrag vereinbart, in Berlin gibt es eine Vorlage von Abgeordneten, in anderen Bundesländern Kampagnen und Initiativen, sagt Ortleb. Außerdem habe die Bundestagsfraktion eine Projektgruppe gegründet und plane ein fraktionsübergreifendes Bündnis. Am Donnerstag gab es ein Auftakttreffen aller Fraktionen im Bundestag

Für die SPD-Frauen ist an diesem Abend klar, dass sie ein Paritätsgesetz wollen. 100 Jahre Frauenwahlrecht sei nicht nur ein Grund zu feiern, „wir wollen auch einen Schritt vorankommen“, lautet die Forderung. Unterstützt wird sie von Bundesfrauenministerin Franziska Giffey. Die ehemalige Bezirksbürgermeisterin von Neukölln, damals als erste Frau in diesem Amt, sieht die Frauen von heute in der Verantwortung, weil es die Frauen vor 100 Jahren viel schwerer hatten. Für sie ist Parität ein Ziel, für das es sich zu streiten lohnt.

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Vera Rosigkeit

hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.

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