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Reem Alabali-Radovan: Neue Staatsministerin für Integration

Reem Alabali-Radovan wurde als Kind irakischer Eltern in Moskau geboren. Mit sechs Jahren kam sie nach Mecklenburg-Vorpommern, wo sie Integrationsbeauftragte war. Nun soll die SPD-Abgeordnete Staatsministerin für Integration im Kanzleramt werden.
von Jonas Jordan · 14. Oktober 2021
Reem Alabali-Radovan ist Staatsministerin für Migration, Flüchtlinge und Integration im Kanzleramt.

Am Mittwoch soll Olaf Scholz zum neuen Bundeskanzler gewählt werden. Dann wird auch die neue Bundesregierung ernannt und die 31-jährige Schwerinerin ist dabei. Reem Alabali-Radovan soll Staatsministerin für Integration im Bundeskanzleramt werden, wie der „vorwärts“ erfuhr.

Als eine von 104 neu gewählten SPD-Abgeordneten zog Alabali-Radovan im September in den Bundestag ein. Ihren Wahlkreis, der von der Ostseeküste über die Landeshauptstadt Schwerin bis nach Ludwigslust im Süden von Mecklenburg-Vorpommern reicht, gewann sie deutlich. Fast neun Prozentpunkte lag Alabali-Radovan vor ihrem CDU-Kontrahenten Dietrich Monstadt, der den Wahlkreis zuvor dreimal hintereinander gewonnen hatte. „Ich war total überwältigt. Dass es so deutlich wird, hätte ich nicht gedacht“, sagte sie kurz nach der Wahl im Gespräch mit dem „vorwärts“.

Seit Anfang des Jahres SPD-Mitglied

Die SPD gewann alle sechs Wahlkreise in Mecklenburg-Vorpommern. Das gab es zuvor noch nie. Weil die Partei gleichzeitig bei der Landtagswahl auf 39,6 Prozent kam, gab es an dem Abend viel zu feiern. „Wir waren eine große Gruppe und hatten viel zu feiern. Auch Manuela Schwesig war zwischendurch immer mal wieder mit dabei“, berichtete Alabali-Radovan von der Wahlparty in Schwerin. Der dortigen SPD gehört sie noch gar nicht so lange an. Nach ihrer Nominierung als Bundestagskandidatin trat sie der Partei Anfang des Jahres bei.

Dabei habe sie der Sozialdemokratie schon immer sehr, sehr nahe gestanden. „Im Nachhinein betrachtet wäre ich gerne schon länger in der SPD, aber da fehlte mir einfach der Zugang. Das ist das, was ich jetzt auch mitnehmen möchte. Wir müssen attraktiver werden für junge Menschen und Menschen mit Migrationsgeschichte“, sagte sie. Gute Wahlergebnisse alleine seien nicht ausreichend. Stattdessen müsse die SPD Zugänge vereinfachen und aktiver Mitgliederwerbung betreiben.

„Ich weiß, was Kinder brauchen, wenn sie hier ankommen“

Vor ihrem Einzug in den Bundestag arbeitete die Politikwissenschaftlerin als Integrationsbeauftragte der Landesregierung in Mecklenburg-Vorpommern. Ihre eigene Migrationsgeschichte spielte für diesen Job eine wesentliche Rolle. 1990 wurde Alabali-Radovan in Moskau geboren. Ihre Eltern stammen aus dem Irak und studierten in Russland. Mit sechs Jahren kam sie nach Deutschland. „Ich kann mich auch an die Zeit in Russland erinnern und an die ersten Monate in der Erstaufnahmeeinrichtung“, erzählt sie. Dadurch habe sie mit einer anderen Empathie an ihre Arbeit als Integrationsbeauftragte herangehen können, „weil ich weiß, wie sich das anfühlt und was Kinder brauchen, wenn sie hier ankommen“.

Inmitten der SPD-Bundestagsabgeordneten ist die künftige Staatsministerin nicht die einzige mit Migrationsgeschichte. Die Fraktion ist so vielfältig wie noch nie. „Ich finde das total schön. Es war wirklich ein überwältigender Moment, als wir uns alle im Plenarsaal vorgestellt haben“, sagt sie. Eine Minute hatten alle Neuen Zeit, um sich vorzustellen, darunter auch ein Arbeitsrechtsanwalt aus Potsdam, der seinen Wahlkreis ebenfalls direkt gewann: Olaf Scholz. Im Wahlkampf unterstützte der designierte Bundeskanzler seine künftige Kabinettskollegin. Gemeinsam mit Ministerpräsidentin Manuela Schwesig besuchten sie im August den Box-Club „Traktor“ in Schwerin

Boxen als Ausgleich

Für Alabali-Radovan war der Termin ein Heimspiel. Denn just in den Hallen, die Scholz an diesem Tag besichtigte, steigt die 31-Jährige regelmäßig selbst in den Ring. „Boxen hilft mir, den Ausgleich zu finden. Unabhängig davon, wo man herkommt und wie man aussieht, begegnet man sich mit viel Respekt in der Sporthalle. Da fühle ich mich sehr wohl.“

Deswegen möchte sie den Sport auch als Bundestagsabgeordnete gerne weiter betreiben, auch wenn sie künftig wohl mehr Zeit in Ausschuss- und Kabinettssitzungen verbringen wird. Daneben will sie vor allem auch in ihrem Wahlkreis präsent und ansprechbar sein: „So einen Riesen-Wahlkreis zu betreuen ist eine große Aufgabe. Man muss viel vor Ort sein. Dadurch dass ich neue Abgeordnete bin, muss ich mich erst mal bekannt machen.“

Vernetzen will sie sich dabei auch bundesländerübergreifend mit ihren Kollegen in den angrenzenden Wahlkreisen wie Jakob Blankenburg aus Niedersachsen und Tim Klüssendorf aus Schleswig-Holstein. Alle drei sind neu im Bundestag, alle drei direkt gewählt, alle drei im Juso-Alter – eine neue Generation von SPD-Abgeordneten.

Autor*in
Jonas Jordan
Jonas Jordan

ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo

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