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Für die SPD Hannover im Bundestag: Was Ahmetovic und Miersch verbindet

Als Adis Ahmetovic vier Jahre alt ist, verhindert Rechtsanwalt Matthias Miersch, dass seine Familie abgeschoben wird. Nun ist Ahmetovic 28, sitzt im Bundestag und sagt über den Genossen: „Ohne ihn hätte es für mich in Deutschland kein Leben gegeben.“
von Benedikt Dittrich · 4. Oktober 2021
Wahlsieg in Hannover: Adis Ahmetovic (mitte) mit Yasmin Fahimi und Matthias Miersch.
Wahlsieg in Hannover: Adis Ahmetovic (mitte) mit Yasmin Fahimi und Matthias Miersch.

– Dieser Artikel wurde zuerst am 5. Oktober 2021 veröffentlicht. –


Dass Adis Ahmetovic künftig für die SPD im Bundestag sitzen wird, ja, dass er überhaupt für die SPD in Hannover antreten konnte, hat der junge Mann auch Matthias Miersch zu verdanken. Denn ohne das Engagement des Sozialdemokraten und Rechtsanwalts wäre er vermutlich nicht einmal in Deutschland aufgewachsen – obwohl Ahmetovic 1993 in Hannover geboren wurde.

Denn als Adis Ahmetovic vier Jahre alt ist, soll die Familie eigentlich abgeschoben werden: Der Nordbalkan, die Heimat seiner Eltern, wurde damals als sichere Region eingestuft, die Duldung der Eltern lief aus. Sie waren 1992 zusammen mit Adis' größerem Bruder als Kriegsflüchtlinge nach Deutschland gekommen, flohen vor dem Krieg im zusammenbrechenden Jugoslawien. Adis Ahmetovic selbst kommt im Sommer 1993 in Hannover auf die Welt. „Ich bin Hannoveraner“, sagt Ahmetovic, „durch und durch“. Und trotzdem besteht ab 1996 die Gefahr, dass er Deutschland, Hannover verlassen muss zusammen mit seiner Familie. „Das wollten meine Eltern nicht akzeptieren“, erzählt er rückblickend. Sie suchen sich Hilfe bei einem Rechtsanwalt, der gegen die Abschiebung vorgehen soll.

Miersch war dieser Rechtsanwalt, der dafür sorgte, dass die Familie Ahmetovic in Deutschland bleiben durfte. „Ohne Matthias Miersch hätte es für mich in Deutschland kein Leben gegeben“, sagt der damals Vierjährige Adis Ahmetovic heute, 25 Jahre später.

Ein Sozialdemokrat verhindert die Abschiebung

Dabei kam der Kontakt zu dem Rechtsanwalt Matthias Miersch eher zufällig zustande, weiß Adis Ahmetovic aus den Erzählungen seiner Eltern. Auch Miersch erinnert sich gegenüber dem „vorwärts“: „Ich war damals ein junger Anwalt. Aufgrund einer Empfehlung einer Bekannten wandte sich die Familie an mich.“ Es sei um die Sicherung des Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland gegangen. Miersch ging gegen die Abschiebung vor, kämpfte energisch für die Familie – am Ende mit Erfolg. Die Familie durfte bleiben, Adis Ahmetovic wuchs weiter in Sahlkamp, einem Stadtteil von Hannover auf.

Rund zehn Jahre später laufen sich Miersch und Ahmetovic dann in der SPD wieder über den Weg. „Wir verloren uns für ein paar Jahre aus den Augen“, schildert es Miersch, aus Ahmetovic Sicht lief das Wiedersehen so ab: Als er im Alter von 15 Jahren zu den Jusos kommt, trifft er bei einer Veranstaltung für Neumitglieder in Hannover auf Miersch. Sie kommen noch am Abend ins Gespräch. „Ich glaube, ich kenne deine Eltern“, so erinnert sich Ahmetovic an das erste Gespräch mit Miersch. Aber erst als er den Namen des Sozialdemokraten Zuhause wieder erwähnt, kommen bei den Eltern die Erinnerungen zurück – und auch Adis Ahmetovic erinnert sich dunkel an die Anwaltskanzlei, in der er als Kind wohl sehr oft zu Gast war.

Über die Partei entwickelt sich schließlich eine enge Zusammenarbeit zwischen den beiden: Ahmetovic wird später Vorsitzender der Jusos in der Region Hannover, Miersch Vorsitzender des SPD-Bezirks. „Gemeinsam haben wir zum Beispiel seine Initiative realisiert, eine Jugendnetzkarte für junge Menschen in der Region Hannover einzuführen“, erinnert sich Miersch an einen gemeinsamen Erfolg. Die Netzkarte ist eine vergünstigte Fahrkarte für den Nahverkehr für junge Menschen.

„Für mich ist die Biographie von Adis ein Beweis dafür, dass solche Lebenswege in unserer Gesellschaft möglich sind, auch wenn sie zu Beginn in keiner Weise erwartbar sind“, freut sich Miersch heute. Und es ist für den Sozialdemokraten auch Ansporn, die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen immer weiter zu verbessern, „sodass wirkliche Chancengleichheit entsteht“.

Langer Weg bis zum deutschen Pass

Eingebürgert wurde Adis Ahmetovic erst 2015. „Das hat vier Jahre gedauert“, erinnert sich der heute 28-Jährige über den Einbürgerungsprozess. An dem deutschen Pass hing auch seine politische Karriere, die er damals schon anstrebte: „Ich wollte bei der Kommunalwahl 2016 kandidieren. Dafür musste ich aber mindestens ein Jahr deutscher Staatsbürger sein“, erklärt er. Das klappte gerade so. An der Kommunalwahl konnte er erfolgreich teilnehmen, 2020 wird er Vorsitzender der SPD Hannover. Bei der Bundestagswahl zog er jetzt als Abgeordneter für den Wahlkreis „Stadt Hannover I“ ins Parlament ein. Er folgt damit Kerstin Tack, die nicht mehr angetreten war. Am Wahlsonntag landete Ahmetovic rund 14 Prozentpunkte vor den Mitbewerber*innen von CDU und Grünen.

Neben der politischen Laufbahn war er aber parallel auch beruflich zielstrebig: Ahmetovic studierte Politik und Deutsch in Hannover, beendete sein Lehramtsstudium erfolgreich mit einer Eins vor dem Komma. Während und nach dem Studium arbeitet er für Stephan Weil – erst als Büroleiter, später als Referent des Niedersächsischen Ministerpräsidenten.

Doch statt Klassenzimmer hat er sich nun für den Deutschen Bundestag entschieden – und ist nach den ersten Tagen in Berlin überwältigt: „Wenn man vor diesem Plenarsaal steht, dann ist das erstmal krass“, erzählt er, „mit dem Gefühl hatte ich so nicht gerechnet.“ In dem Moment habe er die Verantwortung gespürt, die nun auf ihm laste – sowohl von den vielen tausenden Wähler*innen, die ihm sein Vertrauen bei der Bundestagswahl geschenkt hatten, als auch für seine Partei.

Das Gespann Miersch-Ahmetovic

Natürlich habe er von Miersch viel gelernt und abgeschaut, sagt Ahmetovic rückblickend. In vielen inhaltlichen Punkten tickten beide auch ähnlich. „Er ist ein exzellenter Politiker“, lobt Ahmetovic Miersch, der auch Sprecher der Parlamentarischen Linken im Bundestag ist. Allerdings ergänzt Ahmetovic selbstbewusst: „Ich habe auch meinen eigenen Kopf.“ Es habe in der Vergangenheit durchaus auch Situationen gegeben, in denen sie unterschiedlicher Meinung waren.

Dass nach dem ersten Kontakt, als er noch ein kleiner Junge war, beide nun gemeinsam für die SPD im Bundestag sitzen, ist für Ahmetovic ebenfalls „krass“. Eine gemeinsame Geschichte wie diese schweiße natürlich zusammen, auch persönlich, meint er. Andererseits: „Das macht auch irgendwie die Sozialdemokratie aus.“ Die Solidarität, der persönliche Kontakt, der Austausch, das ist für ihn beispielhaft für den Zusammenhalt in der SPD. 

Miersch, der bisher stellvertretender Fraktionsvorsitzender der SPD im Bundestag ist, sieht in Adis Ahmetovic auch eine enorme Bereicherung für die Fraktion. „Auf die Zusammenarbeit freue ich mich sehr“, erklärt er – zusammen mit den vielen anderen neuen Köpfe in der Fraktion. Ahmetovic indes ist sich sicher: Die SPD Hannover werde in Berlin stark auftreten. In der Region Hannover holten nämlich Yasmin Fahimi, Rebecca Schamber, Matthias Miersch und schließlich Ahmetovic alle Direktmandate für die SPD.

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