Inland

Katja Mast: Wie die SPD Abtreibungsgegner*innen Grenzen setzen will

Seit Aschermittwoch demonstrieren wieder Abtreibungsgegner*innen vor Einrichtungen von Pro Familia in mehreren deutschen Städten. SPD-Politikerin Katja Mast* will die Proteste verhindern und hat bereits eine Lösung.
von Sebastian Thomas · 24. Februar 2023
Kampf um den Schwangerschaftsabbruch: Selbst ernannte Lebensschützer*innen rufen jedes Jahr zum "Marsch für das Leben" auf - dem stellt sich eine breite Gegendemonstration in den Weg.
Kampf um den Schwangerschaftsabbruch: Selbst ernannte Lebensschützer*innen rufen jedes Jahr zum "Marsch für das Leben" auf - dem stellt sich eine breite Gegendemonstration in den Weg.

Wer sind die Abtreibungsgegner*innen?

Ich spreche lieber von fundamentalen Abbruchgegner*innen. In meinem Wahlkreis in Pforzheim stehen Mitglieder einer christlichen Gruppe vor der Pro Familia-Beratungsstelle und halten unsägliche Mahnwachen ab. Sie sind in der Bewegung „40 Days for Life“ organisiert (einer Organisation aus den USA, die international aktiv ist und deren Mitglieder erreichen wollen, dass Einrichtungen für Schwangerschaftsberatungen und -abbrüche geschlossen werden; Anm. d. Red.). Mit Beginn der Fastenzeit wollen sie jetzt 40 Tage dort beten und demonstrieren. Das machen sie zweimal im Jahr und das seit 2018, im Herbst folgen die nächsten 40 Tage.

Sie stellen sich ganz bewusst vor Einrichtungen von Pro Familia. In Pforzheim liegt Pro Familia an einer vierspurigen Straße. Da kommen relativ wenige Passant*innen entlang. Es geht ihnen also darum, gezielt hilfesuchende Frauen unter Druck zu setzen und natürlich auch die Mitarbeitenden von Pro Familia. In der Vergangenheit standen sie auch schon direkt unter dem Beratungszimmer. Interessanterweise stehen die Fundamentalisten nicht vor den Beratungsstellen der Diakonie und auch nicht in Fußgängerzonen.

Laut eigener Aussage beten und singen sie nur. Dabei halten sie aber entsprechende Bilder in ihren Händen und haben Banner aufgestellt. Solche Aktionen finden zeitgleich auch in anderen deutschen Städten wie Stuttgart, Frankfurt und München statt - teilweise auch vor Arztpraxen oder Kliniken.

Was wollen diese Leute erreichen?

Aus meiner Sicht wollen sie die Frauen, die zu einer Beratung gehen, unter Druck setzen. Es gibt keinen anderen Grund, dass in dieser Form so zu machen. Wenn sie aufklären wollen oder zumindest ein Interesse daran hätten, für politische Mehrheiten zu sorgen, dann würden sie in der Fußgängerzone stehen. Genau da, wo viele und nicht nur wenige Menschen hingehen.

Dieses Vorgehen ist für Frauen, die sich in einer außerordentlichen Konflikt- und psychischen Stresssituation befinden und die Beratungsstelle aufsuchen, total stigmatisierend und belastend. Meistens sind die Betroffenen noch unentschieden, ob sie einen Abbruch ihrer Schwangerschaft überhaupt vornehmen wollen. Außerdem ist es nicht nur für die betroffenen Frauen ein Problem, sondern auch für die Mitarbeiter*innen in den Beratungsstellen und auch für die Nachbarn.

Ich denke übrigens nicht, dass jede Frau, die einen Schein nach der Beratung erhält, auch einen Abbruch durchführen lässt. Vielmehr geht es um eine neutrale und ergebnisoffene Beratung. Wir als Gesetzgeber schreiben diese Beratungen vor. Dann sind wir auch in der Pflicht, dass betroffene Frauen die notwendige Beratung ungehindert und ohne Stigmatisierung und ohne ihre Anonymität bewusst zu unterlaufen wahrnehmen können. Wir müssen die Betroffenen Frauen schützen, dafür sind wir verantwortlich.

Sie fordern eine rasche gesetzliche Reglung, die Proteste von Abbruchgegner*innen vor Beratungsstellen untersagt. Bundesfamilienministerin Lisa Paus hat auch schon eine Initiative angekündigt.

An erster Stelle war es der SPD ein Anliegen, dass wir eine entsprechende Passage zu dieser Problematik in den Koalitionsvertrag schreiben, und das haben wir auch geschafft. Jetzt steht dort sinngemäß, dass wir eine gesetzliche Maßnahme finden werden, um die Demonstrationen von Abbruchgegner*innen vor Beratungsstellen zu unterbinden. Diesen Satz nehmen wir als SPD sehr ernst.

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Wir haben in der SPD-Fraktion bereits in dieser Legislatur verschiedene Fachgespräche zum Thema geführt - und zwar fachlich übergreifend. Denn es ist gar nicht so einfach, eine Regelung zu finden, weil man verschiedene Grundrechte gegeneinander abwägen muss. Wie auf der einen Seite das Recht auf freie Meinungsäußerung, auf Religionsfreiheit, Versammlungsfreiheit und auf der anderen Seite die Würde des Menschen, also die der betroffenen Frauen, die aufgrund ihrer Situation Beratung suchen und deshalb stigmatisiert werden.

Das müssen wir jetzt regeln, am liebsten im Schwangerschaftskonfliktberatungsgesetz. Deshalb liegt die Angelegenheit auch bei Familienministerin Lisa Paus. Sie hat eine Gesetzesinitiative in diesem Jahr zugesagt. Vor Kurzem war auch Ekin Deligöz, Staatssekretärin im Bundesfamilienministerium, bei mir in Pforzheim und hat erneut bestätigt, dass im Laufe dieses Jahres ein entsprechendes Gesetz folgt. Spannend wird es sein, ob die Union dem Gesetz zustimmt oder nicht. Der Abschaffung des Paragraphen 219a stimmte sie jedenfalls nicht zu, sondern lehnte es ab.

Was kann in der Zwischenzeit getan werden?

Ich habe da ein ganz praktisches Beispiel: Die SPD vor Ort hat für die Zeit der sogenannten Mahnwachen für jeden Mittwoch eine eigene Aktion gegenüber der Pro Familia-Beratungsstelle beantragt. Bis vorgestern war nicht klar, ob die Abbruchgegner*innen überhaupt kommen. Sie sind dann doch noch aufgetaucht und das Ordnungsamt hat entscheiden, dass die Mitglieder unseres Ortsvereins und sie nebeneinanderstehen müssen.

Ich werde dort am 8. März eine öffentliche Bürgersprechstunde anbieten. Bei dem Thema werden wir nicht lockerlassen. Ich bin zuversichtlich, dass wir in diesem Jahr eine gesetzliche Regelung hinbekommen, damit die betroffenen Frauen ohne Druck und Stigmatisierungen zur Beratung gehen können.

* Katja Mast ist Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion.

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