Geschichte

Vor 20 Jahren: Warum Oskar Lafontaine vom SPD-Vorsitz zurücktrat

Am 11. März 1999 tritt Oskar Lafontaine als Finanzminister und SPD-Vorsitzender zurück. Zuvor hatte er sich einen langen Machtkampf mit Bundeskanzler Gerhard Schröder geliefert. Der übernimmt den Parteivorsitz, die SPD einen kann er jedoch nicht.
von Thomas Horsmann · 11. März 2019
Oskar Lafontaine trat 1999 als Parteivorsitzender der SPD zurück, 2005 folgte der Parteiaustritt.
Oskar Lafontaine trat 1999 als Parteivorsitzender der SPD zurück, 2005 folgte der Parteiaustritt.

Im großen Saal des Bonner Hotels Maritim tritt am 12. April 1999 ­Petra Heß, Vorsitzende der Zählkommission ans Rednerpult. „Abgegebene Stimmen: 493. Ungültig: 6. Gültig: 487. Enthaltungen: 15. Ja: 370. Nein: 102.“ Langanhaltender Beifall auf dem Sonderparteitag der SPD. Bundeskanzler Gerhard Schröder ist vier Wochen nach dem überraschenden Rücktritt von Parteichef Oskar Lafontaine neuer Vorsitzender der SPD.

Schröder vs. Lafontaine

Der Machtkampf der beiden „Alphatiere“, der die SPD seit Monaten in Atem hält, ist beendet. Zunächst ist auch der Richtungskampf zwischen den Linken in der Partei und den wirtschaftsfreundlichen Modernisierern entschieden. Parteivorsitz und Kanzlerschaft liegen nun in Schröders Hand. Er kann ohne lästigen innerparteilichen Widersacher regieren. Ohne Lafontaine folgt die Partei – wenn auch zum Teil zähneknirschend – dem Kanzler mit seinem Modernisierungkurs.

Der Konflikt zwischen Lafontaine und Schröder tritt nach dem Sieg in der Bundestagswahl am 27. September 1998 offen zu tage. Im Wahlkampf noch vereint, kämpfen beide um die Führung in der Bundesregierung: Ist es Parteichef und Bundesfinanzminister Lafontaine, der Architekt des großen Wahlsiegs der SPD? Oder ist es der populäre Kanzler Schröder? Lafontaine glaubt, so Peter Glotz, „in seinem saftigen Selbstbewusstsein, die Regierung auch aus der zweiten Reihe bestimmen zu können“.

Paukenschlag für die fassungslose SPD

Zu Beginn der rot-grünen Koalition scheint das so zu sein. Lafontaine gibt die Richtung vor, als „Superminister“ eines vergrößerten Finanzressorts bringt er eine Steuerreform auf den Weg und macht die Rentenkürzungen der Kohl-Regierung rückgängig. Doch in der Frage der Kontrolle der internationalen Finanzmärkte gerät er mit Schröders Vorstellungen in Konflikt. Der fackelt nicht lange und erklärt öffentlich, dass mit ihm eine wirtschaftsfeindliche ­Politik nicht zu machen sei.

Nach 163 Tagen Ringen in der Regierung ist klar, Schröder ist der Chef. Verlierer Lafontaine flüchtet aus der Verantwortung. Am 11. März 1999 teilt er seinem Widersacher schriftlich mit „Hiermit trete ich von meinem Amt als Bundesminister der Finanzen zurück.“ Gleichzeitig legt er den Parteivorsitz und sein Bundestagsmandat nieder. Ein Rücktritt, den so niemand für möglich gehalten hätte, ein Paukenschlag für die fassungslose Partei.   

Schröder kann die Partei nicht einen

Schröder geht aus dieser Krise gestärkt hervor und setzt seine Reformpolitik durch. Auf dem Bonner Sonderparteitag schwört er die Genossen auf seine Linie ein. „Wir haben für diesen Erfolg am 27. September, den wir nicht verspielen werden, miteinander hart gearbeitet. Wir haben ihn erreicht, weil wir verstanden hatten, dass die Menschen Partei und Regierung als etwas ansehen, was zusammengehört, was nicht gegeneinander ausgespielt werden darf“, sagt Schröder. Eine Arbeitsteilung dürfe nicht sein: dass die, die täglich zu entscheiden hätten, gleichsam für das Grobe verantwortlich seien und die Partei für die reine Lehre. „Das wird nicht funktionieren.“ 

Doch anders funktioniert es auch nur begrenzt. Schröder gelingt es nicht,  die Partei zu einen. Die Genossen arbeiten sich an der Agenda 2010 ab. Nach fünf Jahren als Parteichef räumt der Kanzler ein, dass es über seine Reformpolitik in der SPD ein „Vermittlungsproblem“ gebe. Am 6. Februar 2004 stellt er sein Amt als Vorsitzender zur Verfügung. Er schlägt Franz Müntefering als seinen Nachfolger vor, in der Hoffnung, dass der treue Parteisoldat die Genossenreihen schließen kann. Müntefering hält den SPD-Vorsitz für das „schönste Amt neben Papst“.

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