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Wehrbeauftragter Bartels warnt: Zu wenig Personal ist „Existenzfrage der Bundeswehr“

Der Wehrbeauftragte Hans-Peter Bartels sorgt sich um den Zustand der Bundeswehr: Für eine effektive Landesverteidigung sei die Truppe weder ausgerüstet noch aufgestellt. Keine guten Nachrichten für Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer.
von Lars Haferkamp · 28. Januar 2020
Die Lage ist ernst: Hans-Peter Bartels (SPD), der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages, bei der Vorstellung seines Jahresberichtes in der Bundespressekonferenz am 28. Januar 2020.
Die Lage ist ernst: Hans-Peter Bartels (SPD), der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages, bei der Vorstellung seines Jahresberichtes in der Bundespressekonferenz am 28. Januar 2020.

Gerne hätte Hans-Peter Bartels von einer „spürbaren Verbesserung“ des Dienstes bei der Bundeswehr berichtet. Doch bei der Vorstellung seines Jahresberichtes 2019 am Dienstag in der Bundespressekonferenz in Berlin konnte der Wehrbeauftragte leider nur „immer wieder die gleichen Sorgen“ vermelden: „zu wenig Material, zu wenig Personal, zu viel Bürokratie“. Bartels selbst zog die Parallele zum Film „Und täglich grüßt das Murmeltier“.

Bartels: Trendwenden drohen zu scheitern

Doch weiter war der frühere SPD-Bundestagsabgeordnete nicht zum Scherzen aufgelegt. „Es pressiert wirklich.“ Die bei der Bundeswehr eingeleiteten Trendwenden seien „überwiegend noch nicht spürbar“. Der Wehrbeauftragte warnte: „Ohne innere Reform drohen die Trendwenden zu scheitern“

Das gelte ganz besonders für die Personalgewinnung. Bartels kritisierte ein „Allzeittief“ bei der Zahl der jährlich neu eingestellten Soldat*innen. Das sei „eines der Hauptprobleme der Bundeswehr“, die ja personell wachsen wolle. Die Gewinnung von Personalnachwuchs sei „eine Existenzfrage der Bundeswehr.“

Bundeswehr nur begrenzt einsatzfähig

Auch bei der materiellen Einsatzbereitschaft konnte der Wehrbeauftragte keine Besserung melden. Diese bewege sich auf dem niedrigem Niveau der Jahre 2017/2018. Rund 1,1 Milliarden Euro habe man nicht investieren können.

All das hat dramatische Folgen. Zur aktuellen Verteidigungsfähigkeit im Falle eines möglichen Angriffs befragt, antwortete Bartels: „Die Bundeswehr als Ganzes ist heute noch nicht ausgerüstet und aufgestellt für kollektive Verteidigung.“

Soldaten müssen sich privat ausrüsten

Die Belastung der Soldatinnen und Soldaten sei hoch und weiter wachsend, so der Wehrbeauftragte. Die Truppe warte auf spürbare Verbesserungen der Bedingungen ihres Dienstes. Das gelte etwa für das „teilweise dysfunktionale Beschaffungswesen“ der Bundeswehr. Es dürfe nicht darum gehen, einfache Ausrüstung immer wieder neu zu erfinden und neu einzuführen. „Man kann (sie) auch einfach kaufen“, schlug Bartels vor, „hin zum Ikea-Prinzip, aussuchen, bezahlen, mitnehmen“. Gegenwärtig dauere es fünf Jahre, Soldat*innenstiefel zu kaufen. „Fast alle Soldaten“ kauften Teile ihrer Ausrüstung privat und auf eigene Kosten. Ein Soldat habe ihm dafür einmal Ausgaben in Höhe von 3.000 Euro genannt.

Bartels nannte seinen Wehrbericht einen „Mängelbericht“. Ein „offizieller Geschäftsbericht der Bundeswehr“ wäre neben seinem Bericht zu begrüßen. „Wer einen Überblick über seine Zahlen hat, kann besser steuern“, argumentierte der Wehrbeauftragte. Früher habe es dafür Weißbücher gegeben, heute leider nicht mehr.

Rechtsextremismus: 45 Soldaten entlassen

Auch zum Thema Rechtsextremismus forderte Bartels, die Zahlen auf den Tisch zu legen. Der Militärische Abschirmdienst (MAD), der Nachrichtendienst der Bundeswehr, solle jährlich der Öffentlichkeit über Rechtsextremismus bei der Truppe berichten. Der Präsident des MAD habe dies bereits angekündigt.

Aus dem aktuellen Wehrbericht 2019 nannte Bartels 197 meldepflichtige Ereignisse aus dem Bereich Rechtsextremismus. 363 Verdachtsfälle seien bearbeitet worden. 45 Soldaten seien wegen Rechtsextremismus aus der Bundeswehr entlassen worden. Die Bundeswehr, lobte Bartels, sei „sensibel“ bei diesem Thema, die Soldat*innen hörten und schauten hier nicht weg.

Bartels: „Wäre bereit, Amt weiter zu führen“

Nach Lichtblicken gefragt, antwortete Bartels: „Die Trendwende Finanzen ist da: Es geht deutlich hoch mit dem Verteidigungsetat“, es stehe „wirklich sehr viel mehr Geld“ zur Verfügung. „Mehr Geld ist in jedem Fall nötig“, reiche allein aber nicht, wenn es nicht gleichzeitig nötige Reformen gebe. Bartels begrüßte das 1,5 Prozent-Ziel der Bundesregierung für den Verteidigungsetat bis zum Jahr 2024: „Das ist im Prinzip schon mal gut.“ Damit stünden 58 Milliarden Euro in 2024 zur Verfügung.

Es war der fünfte Bericht für Bartels, dessen Amtszeit von 2015 bis 2020 läuft. Ob sie für eine zweite Amtsperiode verlängert wird, ist zur Zeit noch unklar. Im politischen Berlin wird darüber munter spekuliert. Es gebe hier „vielfältige Gerüchte“, so Bartels. „Ich wäre bereit, das Amt weiter zu führen“, machte der Wehrbeauftragte auf Nachfrage klar. „Darüber muss die Koalition entscheiden.“

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Lars Haferkamp
Lars Haferkamp

ist Chef vom Dienst und Textchef des vorwärts.

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