Inland

Rechtsradikale in der Bundeswehr: SPD attackiert „überforderte Ministerin“ von der Leyen

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen musste am Mittwoch im Verteidigungsausschuss Rede und Antwort stehen: Es ging um ihr Verhalten in der Affäre um Rechtsradikale in der Bundeswehr. Heftige Kritik an ihr kommt – auch nach der Ausschusssitzung – nicht nur von der Opposition, sondern auch vom Koalitionspartner SPD.
von Lars Haferkamp · 10. Mai 2017
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Die SPD hat auch nach der Sondersitzung des Verteidigungsausschusses schwere Vorwürfe gegen Ressortchefin Ursula von der Leyen (CDU) erhoben. Die Ministerin habe in ihrer Amtszeit über viele Dinge hinweggesehen, kritisierte der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Rainer Arnold am Mittwoch nach einer Sondersitzung des Verteidigungsausschusses.

Arnold kritisiert von der Leyen: „extreme Fehler“

So habe von der Leyen zu spät auf Berichte über rechte Umtriebe in der Bundeswehr reagiert und zu wenig das Gespräch mit dem Militärischen Abschirmdienst MAD gesucht. Noch dazu habe sie den Fall des rechtsextremen Bundeswehroffiziers Franco A. genutzt, um pauschal über die Truppe zu urteilen. Von der Leyen sorge für ein Klima der Unsicherheit und des Misstrauens in der Truppe, weil sie ohne konkrete Hinweise den Verdacht eines rechtsextremistischen Netzwerkes in den Streitkräften nähre. Damit werde sie ihrer Rolle als Ministerin nicht gerecht. „Sie muss Orientierung geben“, forderte Arnold. Er kritisierte: „Da sind wirklich schwere Versäumnisse bei ihr.“ Der SPD-Abgeordnete sprach von „extremen Fehlern auch ganz oben“. Zur Frage, ob er die Ablösung der Ressortchefin fordere, verwies Arnold auf den Koalitionsvertrag: „Jeder Koalitionspartner verantwortet sein eigenes Personal.“

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) gerät damit in der Affäre um rechtsradikale Strukturen in der Bundeswehr immer mehr unter Druck. Sie musste im Verteidigungsausschuss des Bundestages zu den Vorgängen und zu ihrem Krisenmanagement Stellung nehmen, weil die SPD die Sondersitzung gegen den Wunsch des Koalitionspartners durchgesetzt hatte. Die Union hätte die Befragung ihrer Ministerin wenige Tage vor der NRW-Landtagswahl gerne vermieden.

SPD: von der Leyen ist überfordert

Für den SPD-Verteidigungsexperten Lars Klingbeil ist von der Leyen eine „überforderte Ministerin“. Nach der Ausweitung der Affäre um rechtsextreme Umtriebe in der Bundeswehr griff Klingbeil die Ministerin am Mittwoch im Bayerischen Rundfunk an: „Frau von der Leyen tut manchmal so, als ob sie seit zwei Wochen Verteidigungsministerin wäre. Sie hat das Amt seit vier Jahren inne. Und sie muss sich schon fragen lassen, was sie in diesen vier Jahren eigentlich getan hat.“

Nach Einschätzung des SPD-Mitglieds im Verteidigungsausschuss gibt es „deutliche Hinweise“, dass der Militärische Abschirmdienst (MAD) schon länger Erkenntnisse über die rechtsextreme Gesinnung der inzwischen verhafteten Soldaten gehabt habe. „Man muss sich fragen: Warum sind diese Informationen eigentlich nicht weitergegeben worden? Da trägt am Ende auch die Ministerin Verantwortung, die politische Verantwortung“, so Lars Klingbeil.

Oppermann: Riesenblamage für Ministerin

Nach der Festnahme eines mutmaßlichen Komplizen des terrorverdächtigen Bundeswehroffiziers Franco A. geht SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann davon aus, „dass sich eine Terrorzelle innerhalb der Bundeswehr gebildet hat“. Am Dienstag kritisierte er in einer Presseerklärung die verantwortliche Ministerin mit deutlichen Worten: „Das ist eine Riesen-Blamage für die Verteidigungsministerin von der Leyen. Offensichtlich konnte sich jahrelang unbemerkt eine rechtsextreme Gruppe etablieren, die Anschläge plant und Todeslisten führt.“ Auf einer solchen Liste soll auch der Name von Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) stehen.

Jetzt müsse es darum gehen, vollständig aufzuklären und weiteren Schaden für die Bundeswehr zu verhindern. „Frau von der Leyen muss den von ihr bisher total vernachlässigten Bereich der inneren Führung so organisieren, dass solche Fälle ausgeschlossen sind“, forderte Oppermann.

Kritik auch von Soldatenverbänden

Kritik erntete die Verteidigungsministerin auch von Soldatenverbänden. André Wüstner, der Chef des Bundeswehrverbandes, erklärte gegenüber tagesschau.de, „der Fisch stinkt vom Kopf her“. Er kritisierte, „es versteht keiner, warum sich die Ministerin nach dreieinhalb Jahren im Amt nun quasi auf die Tribüne zurückzieht und pauschal über die Truppe urteilt“.

Wüstner beklagte darüber hinaus einen Mangel an Führungspersonal und ein Zuviel an Verwaltungsaufwand bei der Bundeswehr. Das ganze System müsse hinterfragt werden. Wüstner verlangte eine Klärung, wo es überhaupt noch Möglichkeiten gebe, „um sich auszutauschen – auch über unterschiedliche Sichtweisen, die noch im Rahmen sind, aber vielleicht schon Richtung rechts gehen.“ Es sei gut, dass sich die Ministerin beim Treffen der Führungskräfte der Bundeswehr entschuldigt habe, so Wüstner in der ARD.

Angst in der Truppe vor der Ministerin

Von der Soldatenvereinigung „Darmstädter Signal“ hieß es, hoffentlich bleibe Ministerin von der Leyen nicht wieder im Aktionismus stecken. Es müsse darum gehen, die politische Bildung der Soldaten zu verbessern. In der Bundeswehr traue sich aber niemand, die Probleme anzugehen - aus Angst, von der Ministerin „rausgeworfen “ zu werden, kritisierte der Sprecher des „Darmstädter Signals“, Hauptmann Florian Kling, im Deutschlandfunk.

Die Mehrheit der Deutschen sieht eine Mitschuld der Verteidigungsministerin an der aktuellen Affäre um Rechtsradikale in der Bundeswehr. Nach einer repräsentativen Online-Umfrage des Instituts YouGov sagen 52 Prozent der Befragten, von der Leyen habe nicht genug gegen Führungs- und Haltungsprobleme in der Bundeswehr getan. 45 Prozent sind der Ansicht, die Bundeswehr habe ein grundsätzliches Problem mit Rechtsextremismus. Genauso viele befürworten die Wiedereinführung der 2011 ausgelaufenen Wehrpflicht. Für ein geeignetes Mittel, rechtsradikale Tendenzen in der Truppe zu begrenzen, halten dies allerdings nur 34 Prozent befragten.

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