Nahles zur Rente: „Es ist eine Chance verpasst worden“
Nach dem Rentengipfel der Großen Koalition am Donnerstag in Berlin trat Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles am Freitag mit einem Gesamtkonzept zur Alterssicherung an die Öffentlichkeit. Ihre Ziele: Die Altersarmut beseitigen, den Lebensstandard auch künftiger Rentner erhalten und eine verlässliche Sicherheit über das Jahr 2030 hinaus geben, dabei jedoch alle Generationen beteiligen.
Rente mit Steuermitteln sichern
Auf einige Maßnahmen ihres Konzepts konnte sich der Koalitionsausschuss bereits am Donnerstag einigen, andere, darunter das Kernstück zur Sicherung des Renteniveaus und zur Begrenzung der Rentenbeitrage bis 2045, wurden von der Union vorerst abgelehnt. Nahles erklärte dazu: „Es ist gestern eine Chance verpasst worden.“
Denn konkret will die Bundesministerin vor allem eines: „Sicherheit schaffen für alle, die einzahlen. Arbeitnehmer wie Arbeitgeber, aber auch für junge Beitragszahler“, erklärte Nahles.
Deshalb plant sie ein garantiertes Rentenniveau von mindestens 46 Prozent bis 2045 gesetzlich zu verankern. Das sei wichtig, da das derzeitige Rentenniveau von 48 Prozent bis 2045 auf 41,7 Prozent zu sinken drohe, erklärte Nahles. Ein stabiles Rentenniveau von 46 Prozent sei aber nicht umsonst zu haben, fügte sie hinzu. Und damit die Finanzierung gerecht sei und nicht die „überfordere, die diese Beiträge aufbringen – Beschäftigte und Arbeitgeber“, schlägt die SPD-Politikerin eine zweite Haltelinie vor, die gesetzlich festlegt, dass der Beitragssatz bis 2030 nicht über 22 Prozent und bis zum Jahr 2045 nicht über 25 Prozent steigt.
Solidarrente für Geringverdiener
Nahles schlägt vor, die gesetzliche Rente künftig stärker aus Steuermitteln zu finanzieren. Dieser „Demografie-Zuschuss“ soll von 2030 an zunächst 1,5 Prozent der Rentenausgaben tragen und ab 2040 auf 2,5 Prozent steigen. Nahles bezifferte die Ausgaben mit 4,2 bis 4,5 Mrd. Euro jährlich in einem ersten und 7,7 Mrd. Euro jährlich in einem weiteren Schritt.
Weiterhin möchte die Bundesarbeitsministerin Selbstständige in den Kreis der Versicherten einbeziehen, die nicht in berufsständischen Versorgungswerken abgesichert sind. Etwa drei Millionen Selbstständige hätten derzeit keine verpflichtende Altersvorsorge und seien auf die steuerfinanzierte Grundsicherung im Alter angewiesen, erklärte sie. Für Nahles sei das kein Weg, der auf Dauer trage: „Besser ist es, sie in die Solidargemeinschaft der gesetzlichen Rentenversicherung einzubeziehen.“
Ein weiterer Baustein ihres Konzepts ist die „gesetzliche Solidarrente“. Wer insgesamt 35 Jahre Beiträge, Erziehungs- oder Pflegezeiten geleistet hat – auch Zeiten kurzer Arbeitslosigkeit sollen dazu zählen – soll eine Solidarrente bekommen, die über dem liegt, was regional in der Grundsicherung im Alter gezahlt wird.
Ost-West-Angleichung noch in dieser Legislatur
Nahles zeigte sich zuversichtlich, dass diese Maßnahmen finanzierbar seien und sprach von einer gesamtgesellschaftlichen Anstrengung. Mit Blick auf ihr Konzept zur Zukunft der Arbeit, das sie in der kommenden Woche der Öffentlichkeit vorstellen will, erklärte Nahles: „Es geht nicht um Rentenpolitik, sondern es geht darum, die Beschäftigung auf einen neuen Höchststand zu bringen.“
Es sei ein Konzept mit Augenmaß, so Nahles. Der Koalitionspartner sieht das offenbar anders. „Die Union hat sich gegen die Maßnahmen entschieden“, erklärte sie. Damit sei die Debatte aber noch nicht vom Tisch. Auf die Frage, ob die SPD ihr Rentenkonzept zur Grundlage im kommenden Bundestagswahlkampf machen wolle, erklärte sie, dass dies das Rentenkonzept einer sozialdemokratischen Bundesarbeitsministerin sei. Nahles wörtlich: „Das Ding taugt.“
Nicht alle Vorschläge zur Sicherung der Renten wurden am Donnerstag von der Union abgewiesen. „Grünes Licht“ erhielt Nahles u. a. für die Angleichung der Renten in Ost und West und der Stärkung der Betriebsrenten insbesondere für Geringverdiener sowie kleinere und mittlere Unternehmen. Zuspruch erhielten ebenfalls die Vorschläge zur Verbesserung der Renten wegen Erwerbsminderung sowie das Einführen von Freibeträgen für Riester- oder Betriebsrenten bei der Grundsicherung.
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hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.