Lieferkettengesetz: Heil spricht von historischem Durchbruch
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„Wir haben heute einen historischen Durchbruch geschafft. Es gibt kein Gesetz auf der Welt, das so ambitioniert ist wie das deutsche Lieferkettengesetz“, sagt Bundesarbeitsminister Hubertus Heil. Monatelang hatte der stellvertretende SPD-Vorsitzende mit seinen konservativen Kabinettskollegen Peter Altmaier (CDU) und Gerd Müller (CSU) um eine Einigung beim Lieferkettengesetz gerungen. Dabei verlief die Konfliktlinie vor allem zwischen den beiden Politikern der Union. Entsprechend kommentierte Heil die Einigung am Freitag mit dem Hinweis in Richtung Wirtschaftsminister Altmaier: „Lieber Peter, ich weiß, dass dir das nicht leicht gefallen ist.“
Die Einigung erfolgte am Donnerstagabend. Gerade noch rechtzeitig, um das Gesetz bis zum Ende dieser Legislaturperiode auf den Weg zu bringen. Schon am Freitag soll der Entwurf in die Ressortabstimmung der Bundesregierung gehen, bis spätestens Mitte März soll das Bundeskabinett darüber beschließen, kündigt Heil auf der gemeinsamen Pressekonferenz mit Altmaier und Entwicklungsminister Müller in Berlin an. Das Gesetz soll zum 1. Januar 2022 in Kraft treten und ab 2023 zunächst für alle Unternehmen ab einer Größe von 3.000 Mitarbeiter*innen gelten, ein Jahr später dann auch für Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeiter*innen.
Gegen Kinderarbeit und Zwangsarbeit
Das Lieferkettengesetz wurde auch deswegen notwendig, weil der vor fünf Jahren beschlossene nationale Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte weitgehend wirkungslos blieb. Nicht einmal jedes fünfte Unternehmen halte sich an den Plan, referiert Heil. „Deswegen regeln wir das jetzt verbindlich, und zwar erstmals per Gesetz. Damit stärken wir auch die Unternehmen, die schon heute prüfen, ob Menschenrechte eingehalten werden“, so der Minister. Anstand dürfe für diese Unternehmen nicht mehr länger ein Wettbewerbsnachteil sein. Denn weltweit gebe es immer noch rund 150 Millionen Kinder, die beispielsweise in Goldminen in Burkina Faso oder in der Textilindustrie in Bangladesch arbeiten müssten. Auch gebe es weltweit 125 Millionen Zwangsarbeiter*innen. „Ich habe diese Realität gesehen, auch bei deutschen Unternehmen“, sagt Heil.
Der SPD-Politiker wehrt sich zudem gegen Kritik von Umweltverbänden wie WWF, Greenpeace oder dem BUND, die monierten, das Gesetz gehe im Bereich Umweltschutz nicht weit genug. „Das Lieferkettengesetz ist eines mit Zähnen“, sagt Heil. Das Gesetz werde zwar nicht alle Probleme lösen, aber vielen Menschen mehr Rechte geben. Daraus folgert der Minister: „Heute ist ein guter Tag für Menschenrechte, auch für Umweltrechte.“ Das sieht auch Altmaier so: „Wir haben hart gerungen und uns nichts geschenkt. Was wir Ihnen heute vorlegen, wird dazu beitragen, dass Menschenrechte besser geschützt werden.“ Entwicklungsminister Müller stimmt in den positiven Tenor ein: „Dieses Gesetz stößt eine Debatte in Europa über die Zukunft der Globalisierung an.“ Das Siegel „Made in Germany“ werde künftig nicht nur für beste Qualität, sondern auch für Verantwortung und faire Produktion stehen.
Bedeutung vergleichbar mit Mindestlohn
„Das Lieferkettengesetz kommt! Und das sind richtig gute Nachrichten für alle, denen Menschenrechte wichtig sind. Danke, dass du nicht lockergelassen hast, Hubertus Heil! So geht #SozialePolitikfürDich!“, kommentiert SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil auf Twitter. „Kinderarbeit und Sklavenarbeit, Umweltzerstörung und vieles mehr werden durch das Lieferkettengesetz wirkungsvoll bekämpft“, meint auch die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD im Bundestag, Katja Mast. Für Sascha Raabe, den entwicklungspolitischen Sprecher der SPD, ist die Einigung „ein historischer Meilenstein im weltweiten Kampf gegen Ausbeutung, Hungerlöhne, Zwangs- und Kinderarbeit“. Von der Bedeutung auf internationaler Ebene sei dieses Gesetz vergleichbar mit der Einführung des gesetzlichen Mindestlohnes auf nationaler Ebene. „Es ist das wirksamste und umfassendste Gesetz, das es bisher weltweit im Bereich menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten für Unternehmen gibt und wird auch einen wichtigen Schub für eine europäische Regelung geben“, führt er aus.
Die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung Bärbel Kofler sagt: „Die Einhaltung von Menschenrechten ist keine Frage von Freiwilligkeit mehr. Wir leisten durch die verbindlichen Regeln einen wichtigen Beitrag zur Verhinderung von Kinderarbeit und Zwangsarbeit und schließen eine Schutzlücke.“ Seit vielen Jahren habe sie sich für verbindliche gesetzliche Regelungen zur Stärkung von Menschenrechten entlang von Liefer- und Wertschöpfungsketten deutscher Unternehmen stark gemacht. „Ich freue mich daher sehr, dass das Lieferkettengesetz noch in dieser Legislaturperiode beschlossen wird“, kommentiert Kofler.
Lob von NGOS und Gewerkschaften
Lob kommt auch von NGOs. So lobt die Entwicklungsorganisation ONE die Einigung. „Habemus Lieferkettengesetz. Das wurde auch Zeit. Trotz zähen Ringens haben die Beteiligten einen guten Kompromiss gefunden, die deutsche Wirtschaft in die Pflicht zu nehmen, mit keinen Zulieferern zusammenzuarbeiten, die weder Menschenrechts- noch Umweltstandards achten. Das ist ein starkes Signal für globale Gerechtigkeit“, kommentiert Stephan Exo-Kreischer, Direktor von ONE Deutschland. Auch der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann begrüßt die Einigung aus Perspektive der Arbeitnehmer*innen: „Das ist ein guter Tag für Menschenrechte und faire Arbeitsbedingungen entlang globaler Wertschöpfungsketten. Mit diesem Gesetz kann ein wichtiger Schritt getan werden, damit in Deutschland die Qualität von Produkten gepaart wird mit sozialer und ökologischer Verantwortung ‚Made in Germany‘.“
ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo