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EU-Taxonomie unterwegs: Kritik am „Greenwashing“ von Atomkraft bleibt

Einen Monat ist es her, dass die EU-Kommission eine überarbeitete EU-Taxonomie vorschlug. Nun ist die Entscheidung gefallen: Atomkraft und Erdgas werden in Europa als „grüne“ Energieformen eingestuft, Kritik am „Greenwashing“ blieb ungehört.
von Benedikt Dittrich · 2. Februar 2022
Atomkraft als Ersatz für russisches Erdgas? Eine weltfremde Debatte.
Atomkraft als Ersatz für russisches Erdgas? Eine weltfremde Debatte.

Dieser Artikel wurde zuerst im Februar 2022 veröffentlicht.

Trotz Kritik von Mitgliedsstaaten und Umweltverbänden aus Deutschland, Spanien, Dänemark und Österreich: In der EU-Taxonomie sollen Atomkraft und Gas künftig als „grüne“ Energieformen gelten. Das heißt, Geld, das in diese Bereiche fließt, kann künftig als nachhaltige Investition klassifiziert werden.

Von Umweltschützer*innen, Aktivist*innen aber auch Wissenschaftler*innen wird das als „Greenwashing“ kritisiert. Eine eigentlich „dreckige“, also nicht nachhaltige Energieform werde mit der Einstufung „grün gewaschen“ – am Ende bleibe sie im Kern aber eben „dreckig“, trotz des neuen Etiketts. Bei Atomkraft fällt schließlich weiterhin Atommüll an, für den es noch kein Endlager gibt, bei der Nutzung von Erdgas entstehen weiterhin CO2-Emissionen. Daran ändert die EU-Taxonomie nichts.

Europa-SPD: Kein Freifahrtschein für Atommeiler

Die Reaktionen ließen nicht lange auf sich warten. Nachdem die ersten Meldungen in den Medien waren, meldeten sich auch die SPD-Abgeordneten im Europaparlament zu Wort: „Dieses Greenwashing lehnen wir ab“, heißt es in einer längeren Twitter-Meldung der Europa-SPD, „Wir wollen Investitionen in nachhaltige Energieformen fördern. Dafür braucht es europäische Gesetze, die den sozial-ökologischen Wandel ankurbeln – anstelle eines Freifahrtscheins für mehr Atommeiler und die längere Nutzung von Erdgas.“ Die Sozialdemokrat*innen hatten im Vorfeld bereits mit Stellungnahmen die Änderungen kritisiert und Alternativen vorgeschlagen.

Einstimmig fiel die Entscheidung der Kommission allerdings nicht, worauf auch die SPD-Europaabgeordneten Tiemo Wölken und Delara Burkhardt hinweisen – Wölken mit Blick auf die EU-Kommissarin McGuinness, Burkhardt mit Blick auf das beratende Expertengremium der Kommission.

EU-Parlament oder Mitgliedsländer haben nun noch vier Monate Zeit, die neue Einstufung zu verhindern. Dass die dafür nötigen Mehrheiten allerdings zustandekommen, ist fraglich – eine Mehrheit der EU-Staaten befürwortet wie Frankreich und Polen aus dem einen oder anderen Grund die Taxonomie. 20 von 27 Mitgliedsstaaten müssten offen dagegen votieren, um das Verfahren zu stoppen. Der zweite Weg wäre eine Mehrheit im Europaparlament, aber auch die dürfte wohl verfehlt werden. Ohne Kritik am Verfahren wird es aber dort wohl auch nicht ablaufen, meint Delara Burkhardt. „Das ist bei einer so weitreichenden Entscheidung inakzeptabel“, kritisiert die Sozialdemokratin, dass das Parlament keine Stellungnahmen abgeben konnte und nur noch den fertigen Vorschlag „vorgesetzt“ bekommt.

Ob das Öko-Label in dieser Version überhaupt noch eine Wirkung erzielt, ist hingegen fraglich. Eigentlich sollten damit Finanzströme gezielt in nachhaltige Energieformen gelenkt werden. Die EU-Taxonomie sollte ein Instrument sein, um schneller das Ziel der Klimaneutralität zu erreichen. Joachim Schuster, wirtschafts- und finanzpolitischer Sprecher der SPD-Europaabgeordneten spricht von einer „vertanen Chance“ und kündigte Widerstand im Europaparlament gegen die Pläne an. Schuster gehörte auch zu denjenigen im Parlament, die eine dritte Kategorie in der Taxonomie vorgeschlagen hatten, in der Atomkraft und Erdgas als Übergangstechnologien hätten eingestuft werden können. „Diesem Lösungsvorschlag der Sozialdemokrat*innen im Europäischen Parlament ist die EU-Kommission leider nicht gefolgt“, so Schuster am Mittwoch.

Kritik der Bundesregierung verhallt

Daran hatte auch die Bundesregierung vor wenigen Wochen in einem Brief an die Kommissionn erinnert und deutliche Kritik geübt. Genannt wurden in dem Schreiben an Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen die selbst gesteckten Ziele des „Green Deals“ und das dazugehörige Maßnahmenpaket „Fit for 55“. Jede Übergangstechnologie müsse sich an diesen Zielen ausrichten, schrieb das verantwortliche Bundesfinanzministerium am 21. Januar. Die Bundesregierung warnte eindringlich vor Fehlinvestitionen durch die EU-Taxonomie. „Aus Sicht der Bundesregierung ist Atomenergie nicht nachhaltig. Deshalb lehnen wir eine Aufnahme in den delegierten Rechtsakt unter der Taxonomie-VO ab“, heißt es weiter mit Hinweis auf schwere Unfälle, ein nicht ausgeschlossenes Restrisiko, die ungelöste Endlager-Frage sowie weitere Fragen. Bemängelt wird außerdem, dass für Erdgas als „Brückentechnologie“ strenge Vorgaben festgehalten werden, während es solche für Atomenergie nicht gibt.

Fünf Verbesserungsvorschläge hat Deutschland zur EU-Taxonomie nach Brüssel geschickt mit Blick auf einen besseren Weg in Richtung grünem Wasserstoff und zum Ausbau des Fernwärmenetzes – Eingang in die Endfassung haben diese Ideen aber offenbar nicht mehr gefunden.

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