Postcoronomics

Wie die Wirtschaft die Corona-Krise zur Veränderung nutzen muss

Kai Doering08. Juni 2021
Die Corona-Pandemie hat auch die Wirtschaft schwer getroffen. Wie sie nach der Krise wieder durchstarten kann und im besten Fall sogar gestärkt aus ihr hervorgeht, beleuchten mehr als 60 Autor*innen aus ganz unterschiedlichen Blickwinkeln im Band „Postcoronomics“.
Cover Postcoronomics

Erst waren es nur vereinzelten Meldungen am Ende der Nachrichten. Von einem neuartigen Virus war da die Rede, an dem in China einige Menschen gestorben sind. Dass daraus einige Wochen später eine weltweite Pandemie werden sollte, damit konnte Ende 2019 noch niemand rechnen. 3,7 Millionen Menschen sind dem Corona-Virus seither zum Opfer gefallen, 90.000 davon in Deutschland.

Doch die Corona-Pandemie hat nicht nur gesundheitliche Folgen, sondern auch wirtschaftliche. Die deutsche Wirtschaft brach 2020 um fünf Prozent ein. Besonders groß waren die Einbußen beim Konsum. Gleichzeitig bietet das milliardenschwere Konjunkturpaket der Bundesregierung die Möglichkeit, die Weichen für die Herausforderungen der Digitalisierung und der Dekarbonisierung zu stellen.

Ideen für die Nach-Corona-Zeit

„Deutschland braucht nach Corona einen neuen Aufbruch“, findet auch das Wirtschaftsforum der Sozialdemokratie. Der SPD-nahe, aber parteiunabhängige Unternehmensverband hat deshalb das Buch „Postcoronomics“ herausgegeben, in dem mehr als 60 namhafte Autor*innen aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft „neue Ideen für Markt, Staat und Unternehmen“ für die Nach-Corona-Zeit ausbreiten.

Eine „neue strategische Industriepolitik“ fordert Bundesfinanzminister und SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz in seinem Text „Aufbruch in die Post-Corona-Ära“. Damit dieser gelingt, brauche Deutschland „zielgenaue öffentliche Investitionen“ und einen „klaren Plan für den notwendigen Umbau“ der Wirtschaft, schreibt Scholz. Ganz ähnlich sieht das der frühere Bundeskanzler Gerhard Schröder. „Stärkere öffentliche Investitionen sind notwendig, vor allem in die Verkehrsinfrastruktur und die Bildungspolitik“, schreibt Schröder. Soziale Gerechtigkeit in Deutschland sei „nur dann realisierbar, wenn die wirtschaftliche Basis stimmt“.

Investitionsoffensive und grüne Wasserstoffstrategie

„Wie der wirtschaftspolitische Neustart nach der Corona-Krise aussehen sollte“, beschreibt Tom Krebs. „Die neue Wirtschaftspolitik muss sozial gerechtes mit ökologisch nachhaltigem Wachstum verbinden“, fordert der Professor für Makroökonomik und Wirtschaftspolitik an der Universität Mannheim, der auch das Bundesfinanzministerium berät. Dafür brauche Deutschland neben einer „Investitionsoffensive“ auch eine „mutige grüne Wasserstoffstrategie, um einen ökologischen Wirtschaftsboom zu entfachen“.

Neben diesen grundlegenden Weichenstellungen für das deutsche Wirtschaftssystem widmen sich die Autor*innen aber auch der Frage nach Arbeit und Qualifikation (etwa Bundesarbeitsminister Hubertus Heil und verdi-Chef Frank Werneke), einer ökologischen Industriepolitik (Bundesumweltministerin Svenja Schulze und Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil), einer nachhaltigen Transformation (IMK-Direktor Sebastian Dullien), Finanzen und Steuern (SPD-Chef Norbert Walter-Borjans) und der globalen Wirtschaft (Ex-Außenminister Sigmar Gabriel und DGB-Chef Reiner Hoffmann).

die politiökonomische Debatte in Deutschland stärken

„Ökonomische Debatten dürfen nicht nur Fachforen und elitären Zirkeln vorbehalten sein“, schreiben die Herausgeber*innen vom Wirtschaftsforum im Vorwort des Buchs. Im November vergangenen Jahres hat der Verein deshalb den „Blog politische Ökonomie“ gestartet mit dem Ziel, „die politiökonomische Debatte in Deutschland zu stärken“. Die Texte aus dem mehr als 350 Seiten starken Buch sind zuerst im Blog erschienen und dort frei abrufbar. Sie gesammelt und geordnet vorliegen zu haben, erleichtert jedoch Lektüre und Verständnis sehr.

Das SPD-Wirtschaftsforum will mit dem Buch „eine Zukunftsdiskussion darüber anregen, was nach Corona kommt“, schreiben die Herausgeber*innnen im Vorwort. In diesem Sinnen sind ihnen und dem Buch möglichst viele interessierte Leser*innen zu wünschen.

Postcoronomics

Michael Frenzel, Matthias Machnig, Ines Zenke (Hrsg.): Postcoronomics. Neue Ideen für Markt, Staat und Unternehmen, Verlag J.H.W. Dietz Nachf. 2021, ISBN 978-3-8012-0613-0, 26 Euro

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Kommentare

die Wirtschaft muss?

Das klingt aber sehr nach Staats- bzw Planwirtschaft. Damit ist kein Staat zu machen, bzw ein günstiges Wahlergebnis zu erzielen. Wo sind wir denn hier, oder besser, wohin sind wir gekommen? Andere- ich nicht- sagen_ wie tief sind wir gesunken?

Verstoß gegen Netiquette

Der Kommentar wurde gelöscht, da er gegen Punkt 6 unserer Netiquette verstieß:

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das pandemische Jahrhundert - grün gewaschen

Den titelgebenden Anspruch, eine Wirtschaft nach Corona entwickeln zu wollen, wird das Buch nach meinem ersten Eindruck nicht gerecht.
Die Ursachen der Viruskrise werden vollkommen ausgeblendet.: Die Zerstörung der natürlichen Lebensräume von Mensch und Tier, das Abbrennen und die Rodung der Urwälder, die Ressourcen fressende industrielle Landwirtschaft, der Rohstoffraubbau.
Es geht den Autoren eher darum, unter grünem Label den Krieg gegen Mensch und Natur fortzusetzen. Landwirtschaft wird dabei offenbar nicht als Wirtschaft verstanden.
Und die Arbeit?
"Die Würde der Arbeit bemisst sich auch daran, das eigene Leben gestalten zu können. Alle, die den Wohlstand in diesem Land jeden Tag hart erarbeiten, sollen ein selbstbestimmtes Leben führen können." schreibt Hubertus Heil in seinem Beitrag.
Nur: warum sollen die Menschen nicht auch selbst bestimmt arbeiten können, warum keine demokratische Ökonomie?

Was, frage ich mich beim Lesen, unterscheidet unsere Partei der Arbeit noch von den "bürgerlichen" Parteien (zu denen ich die Grünen als progressiven Bestandteil rechne)?
Die Menschen erkennen keine substanziellen Unterschiede mehr, unsere Wahlergebnisse belegen es.