Rezension

„Waghalsiger Versuch, in der Luft zu kleben“

Jörg Hafkemeyer16. September 2015
Eine Vorbemerkung zu Tilman Spenglers jüngstem Roman ist nötig und sie beginnt mit einer Einschränkung: Eigentlich darf der Autor dieser Zeilen über dieses Buch gar nichts, aber auch gar nichts verraten. So großartig ist es.
Berlin Verlag
Berlin Verlag

Spenglers neuer Roman ist komisch und melancholisch. Die Sprache ist elegant und witzig. Es ist ein Roman über den Maler und Freund Jörg Immendorf und es scheint, als sei der Autor als literarischer Reporter unterwegs. Es beginnt mit dem Titel: „Waghalsiger Versuch, in der Luft zu kleben“! Nicht „Der Malerfürst“ oder „Das Vermächtnis“, sondern eben „Waghalsiger Versuch, in der Luft zu kleben“. Großartig.

Joseph Beuys und Claude Monet kommen vorbei

Und das ist auch der Text. Fünfzehn kleine Kapitel: Abschied, Schopenhauer und Stammzellen heißen sie unter anderem: „Wer auf Momente hofft, in denen Immendorf direkt über den Philosophen Schopenhauer spricht, muss viel Geduld mitbringen. Autoritäten sind dem Maler nicht fremd, doch sie tragen andere Namen und stammen aus seinem eigenen Jahrhundert: Sie heißen Joseph Beuys, wenn sie Künstler, Michael Werner, wenn sie Galeristen sind. Das schließt naturgemäß nicht aus, dass Schopenhauer und Immendorf engen Kontakt halten.“ Und dann Immendorf: „Der Monet kommt doch auch andauernd in meine Atelier und redet über Farben und seine Heuhaufen in Giverny.“

Jörg Immendorf malt Gerhard Schröder

Tilman Spengler hat über die Jahre eine ganz eigene Sprache entwickelt. Sie ist elegant und virtuos, was sich an vielen Stellen dieses Romans zeigt. Etwa wenn er darüber schreibt, dass Immendorf einen amtlichen Auftrag erhalten hat, „für das Bundeskanzleramt ein Porträt des Nachfolgers von Helmuth Kohl zu malen“. „Schröder hat den von ihm hochgeschätzten Künstler persönlich ausgesucht. Der Kanzler schätzt naturgemäß auch andere zeitgenössische Künstler, was wiederum nicht alle zeitgenössischen Künstler schätzen.“ Die schätzten zu jener Zeit noch sehr Berlin und dort vor allem immer wieder die Paris Bar. Gerhard Schröder, Jörg Immendorf, auch Tilman Spengler. Damals war die Paris Bar noch ein Treffpunkt von Politikern und kein allabendliches Schaulaufen. Wehmut kommt in diesem Roman darüber nicht auf. Warum auch?

In den Wochen vor der Frankfurter Buchmesse Mitte Oktober ist es nicht ungewöhnlich, dass viele Bücher veröffentlicht werden. Jedes Jahr gibt es welche, die herausragend sind. Tilman Spenglers Buch über Jörg Immendorf ist so eines. Der Autor hat über seinen Freund mit einer Art fröhlicher Gelassenheit geschrieben und es beginnt, dass kann der Rezensent verraten, mit der Trauerfeier zum Tod des Malers. Der schaut seiner eigenen Totenfeier zu. Belustigt. Verwundert. Zornig. So beginnt dieser Roman, nach dessen Lektüre sich der Autor dieser Zeilen gefragt hat, warum er nur nach knapp 157 schon zu Ende ist!? Und über den Sten Nadolny geschrieben hat: „Ein wunderschöner, zärtlich-trauriger, poetischer, unnachahmlicher Spengler-Text.“ So ist es!