Buchrezension

Eine Pflichtlektüre zur Verteidigung der Demokratie

Kay Walter21. Januar 2021
Es ist das mit Abstand klügste Buch der letzten Jahre: Roger de Wecks „Die Kraft der Demokratie“. Seine Streitschrift verteidigt die Werte der Aufklärung gegen Nationalisten und Populisten. Und das in schlichten, klaren Worten. Man liest dieses Buch mit großem Gewinn und ebenso großem Vergnügen.

„Die Kraft der Demokratie“ heißt das Buch des Schweizer Publizisten und Volkswirts Roger de Weck, und es ist, um gleich mit der Tür ins Haus zu fallen, das mit Abstand klügste politische Buch der letzten Jahre. Während die meisten derartigen Werke ihre Halbwertzeit bereits nach wenigen Monaten oder gar Wochen überschritten haben, verträgt de Wecks großartige Analyse selbst die Widmung „Meinen Enkelkindern“ problemlos, denn auch die werden in einigen Jahren die Fragen wie die Antworten ihres Großvaters noch mit Gewinn lesen.

De Weck hat eine Streitschrift für die Demokratie verfasst, eine Verteidigung der Werte der Aufklärung gegen die Angriffe von nationalistischen Populisten einerseits und von Big Data und Big Business andererseits. Und das in schlichten, klaren und logisch aufeinander aufbauenden Sätzen. Das liest man nicht nur mit großem Gewinn, es liest sich auch von Anfang bis Ende mit ebenso großem Vergnügen. Und das über knapp 300 Seiten! Keine pseudo-intellektuellen Wortschwurbeleien und auch nicht die hohlen Phrasen des ach so modernen Marketing-Sprechs, statt dessen ebenso exaktes Formulieren wie genaues Hinschauen.

Die Demokratie scheitert nicht an Populisten

Das Credo des Buches könnte lauten: „Die liberale Demokratie braucht nichts und niemanden zu fürchten, solange die Demokraten selbst wissen, was sie an ihr haben und deshalb für und um sie streiten.“ Und eben dies, das Streiten für und um die Demokratie mahnt de Weck vehement an. Die Demokratie, so der Autor, zerbricht ja nicht an den Angriffen der Rechtspopulisten und Nationalisten weltweit – von AfD bis Donald Trump und Jair Bolsonaro, von FPÖ und SVP bis Victor Orban und Boris Johnson.

Sie kranke vielmehr daran, dass die Demokraten selbst das Vertrauen verlieren und demokratische Institutionen und Prozesse schlechtreden. Sie verliere an Kraft, weil der notwendige Streit um den besten Weg zu häufig unterbleibe. Sie büße an Wertschätzung ein, weil weder ihre ständig notwendige Erneuerung ernsthaft betrieben, noch in Schule und Gesellschaft so etwas wie staatsbürgerliche Erziehung unterrichtet werde, analysiert de Weck. Eben dem will der Autor entgegenwirken. Es sei modern, auf die Defizite der „liberalen Demokratie“ hinzuweisen, aber genau das spiele ihren Feinden in die Hände.

„Illiberale Demokratien“ à la Orban sind keine

Bereits im zehnseitigen Vorwort wendet sich de Weck gegen den seit Jahrzehnten anhaltenden neoliberalen Diskurs, dessen Ziel die Umformatierung des politischen Raumes vom Forum der Demokratie hin zum Markt der Wirtschaft war und ist. Er definiert in einfachen Worten den Wesenskern von liberalen Demokratien und ebenso, warum eine „illiberale Demokratie“ à la Victor Orban gar keine ist und was den und das „Reaktionäre“ ausmacht. Dabei argumentiert er komplett unideologisch. Was er allerdings macht, ist sehr genau hinschauen. Ein Beispiel: „Merkwürdig nur, dass jetzt Konservative und Liberale unentwegt Ratschläge zum Besten geben, was die Sozialdemokraten tun müssten, um `für die kleinen Leute` attraktiv zu bleiben. (…) Sie (alle) wünschen sich eine Sozialdemokratie, die stark genug ist die Demokratie zu stützen, aber auch willig bleibt, eine freidemokratisierte Politik zu erfolgen.“

Roger de Weck, Jahrgang 1953, Schweizer Publizist und Ökonom, Gastprofessor am College of Europe in Brügge und Stiftungsrat des Karlspreises, war unter anderem fünf Jahre lang Chefredakteur von „Die Zeit“ und sieben Jahre Generaldirektor der Schweizerischen Radio und Fernsehgesellschaft.

Gute Ideen, um aus der Defensive zu kommen

Er besteht darauf, dass es nicht die eine Demokratie gibt, sondern verschiedene Ausprägungen, je nach historischem Hintergrund, aber dass ihnen allen gemein ist, nicht statisch, sondern ein immerwährender Entwicklungs- und Veränderungsprozess zu sein. Das Verhältnis zwischen Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit – die de Weck heutzutage als Nachhaltigkeit interpretiert – sowie zwischen den drei Säulen von Legislative, Exekutive und Recht müsse permanent neu justiert und austariert werden. Das sei konstitutiv für alle Demokratien.

Um den „Reaktionären“ entgegenzutreten und aus der demokratischen Defensive zu kommen, stellt er in diesem Buch zwölf Ideen vor, die Demokratie zu stärken und auszubauen. Nicht alle seien gleichzeitig umzusetzen, nicht einmal alle gleichermaßen und in jedem Land, vielmehr handele es sich um Denkanstöße. Denn in allererster Linie ist das Buch ist eine Ertüchtigung, eine Ermutigung.

Zu Recht preisgekrönt

Wäre es möglich, eine Pflichtlektüre für aufgeklärte, fortschrittliche Demokraten zu verordnen, „Die Kraft der Demokratie“ gehörte ganz oben auf die Liste. Vollkommen zu Recht hat es vor wenigen Tagen den Bruno-Kreisky-Preis für das politische Buch gewonnen.

Roger de Weck: Die Kraft der Demokratie – Eine Antwort auf die autoritären Reaktionäre, Suhrkamp, 2020, 326 Seiten, 24,- Euro, ISBN 978-3518429310

 

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Kommentare

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Die Wünsche der "Wirtschaft" wiegen schwerer als die der Wähler (schon Müntefering wollte nicht am Wahlprogramm gemessen werden).
Der Wunsch nach Frieden und Abrüstung - und keine Auslandseinsätze - endet an den Wüschen der Rüstungsindustrie und des exceptionalistischen "Partners",
Da muss man sich nicht wundern wenn die Menschen das Vertrauen verlieren.