
Das letzte Kapitel beginnt auf Seite 608 mit den Sätzen: „Keines der überlebenden Kinder von Auschwitz konnte und kann Auschwitz vergessen. Der Schmerz ist immer da… Und mit dem Älterwerden, wenn sie sich nicht mehr so sehr um die eigene Familie kümmern müssen, kommen die Erinnerungen an Auschwitz oft mit noch größerer Wucht zurück.“
Ein Standardwerk über ein unfassbares Verbrechen
70 Jahre nach der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz durch sowjetische Soldaten erscheint im Steidl Verlag das Buch „Vergiss Deinen Namen nicht. Die Kinder von Auschwitz“. Die in der Nationalsozialistischen Partei Deutschlands, der NSDAP, organisierten Deutschen und ihre Mitläufer haben in den zwölf Jahren ihrer kriminellen Herrschaft beschädigt, verkrüppelt und gemordet. Zu den übelsten Verbrechen zählt das an den Kindern in Auschwitz.
„Das ist der dunkelste Fleck im Meer der Leiden und Verbrechen – des Todes mit seinen tausend Gesichter: Rassenwahn, Transporte, Selektionen, Trennung von den Eltern und Geschwistern, Ratten, Seuchen, Experimente, Gestank, Hunger, Gas…“, schreibt Alwin Meyer. Er hat eine umfangreiche Arbeit vorgelegt, die das Zeug zu einem Standardwerk hat. Über dieses 670 Seiten starke Buch zu schreiben, es ist hervorragend, klingt merkwürdig und trifft es auch nicht. Es ist auch nicht in einem Stück durchzulesen, weil es so erschütternd ist.
Darüber zu sprechen, fällt bis heute schwer
Alwin Meyer lässt die Kinder, die Auschwitz überlebten und die sehr alt geworden sind, erzählen, erinnern. Das ist sehr schwer für sie. Herausgekommen ist ein einzigartiges Dokument, in dem sich nahezu auf jeder Seite die Frage stellt: Wie konnten Menschen das Menschen antun? Säuglinge und Kinder wurden in Auschwitz umgebracht. Mit Giftspritzen, lebend entzweigerissen, verbrannt. Von deutschen SS-Männern und ihren Schergen, von Ärzten der SS.
Bis Ende Januar 1945 wurde in Auschwitz bestialisch gemordet, gequält. Als die 1. Ukrainische Front auf das Konzentrationslager vorrückt, sind die Verbrecher geflohen, die Akten vernichtet. Auch der leitende Lagerarzt Josef Mengele hat seine grausamen Menschenversuche beendet, seine Instrumente abgebaut. Einige tausend Lagerinsassen, verängstigt, abgemagert, ungläubig treffen auf ihre Befreier. Menschliche Skelette, ohne Schuhe, in Streifenanzügen. Bei eisiger Kälte.
„Jeden Tag, jede Stunde ist der Schmerz da“
Es ist aus Platzgründen unmöglich an dieser Stelle auf alle Aspekte einzugehen. Vor allem nicht auf alle Aspekte der nicht fassbaren Brutalität. „Die Kinder und Enkelkinder der Überlebenden spüren, wie ihre Eltern und Großeltern leiden. Sie wissen oft viel mehr als ihre Eltern und Großeltern annehmen. Auch wenn diese alles versuchten, um sie vor den Folgen von Auschwitz zu schützen. ... Jeden Tag, jede Stunde ist der Schmerz da: Die Erinnerung an die ermordete Mutter, den Vater, die Schwester, den Bruder.“
Alwin Meyer: „Vergiss Deinen Namen nicht. Die Kinder von Auschwitz“, 760 Seiten, 38,80 Euro, ISBN 978-3-86930-949-1