Nationalsozialismus

Der „Anti-Hitler-Roman“: Nach 87 erscheint „Die braune Pest“ als Buch

Burkhard Jellonek18. März 2021
Die Handlung sorgte bei den Nazis für Aufregung. 1934 wurde Frank Arnaus NS-Enthüllungsroman „Die braune Pest“ als Fortsetzungsgeschichte in der Saarbrücker „Volksstimme“ veröffentlicht. 87 später erscheint er erstmals als Buch.
Frank Arnau: Die braune Pest

„Hass, Unterdrückung, Verfolgung, Mord: Die bitteren Erfahrungen der nationalsozialistischen Herrschaft haben nicht dazu geführt, dass die Menschheit davor bis heute gefeit wäre“, schreibt die stellvertrende SPD-Vorsitzende Anke Rehlinger in ihrem Vorwort zu Frank Arnaus Zeitdokument „Die braune Pest“. Geschrieben wurde es bereits vor 87 Jahren, veröffentlicht wurde es allerdings nur als Vorabdruck in einer sozialdemokratischen Zeitung. Nun ist „Die braune Pest“ erstmals als Buch erschienen. „Jüngst verübte Anschläge, Mord mit rechtsextremistischen Hintergrund belegen, dass wir nach wie vor mutige Menschen brauchen, wie sich wie Max Braun und Frank Arnau für die Freiheit einsetzen!“, so Rehlinger.

„Anti-Hitler-Roman“ aus dem Mallorca-Exil

Bereits in seiner Entstehungszeit haben die Nationalsozialisten nichts unversucht gelassen, das Erscheinen von Frank Arnaus Roman zu verhindern. „Mit dem Seziermesser“, so die Geheime Staatspolizei, hatte der damals in Berlin lebende Journalist und Schriftsteller, ein Tausendsassa und Lebenskünstler mit besten Verbindungen in Politik und Wirtschaft, den Aufstieg der NSDAP in der Weimarer Republik nachgezeichnet. Er legte offen, wie schonungslos die Nazi-Schergen mit Andersdenkenden nach Hitlers Machtergreifung umgingen.

Um die Sprengkraft seiner Ausführungen wissend, hatte der gebürtige Wiener mit Schweizer Staatsbürgerschaft kurz nach dem Boykottaufruf gegen jüdische Einrichtungen am 1. April 1933 sich durch eine Flucht in die Niederlande der Fahndung im Deutschen Reich entzogen. In den Folgemonaten vollendete er seinen „Anti-Hitler-Roman“ im sicheren Mallorca-Exil. Die Vorankündigung eines Verlages vom 21. Februar 1934, das Enthüllungswerk würde bald erscheinen, versetzte das Geheime Staatspolizeiamt in Berlin in helle Aufregung: Die „neue Hetzschrift gegen Deutschland“ übertreffe „alles bisher Geschriebene des Staatsverräters Frank Arnau“.

Eine geschichte in 85 Nadelstichen

Auf dem Gebiet des Deutschen Reiches war damit eine Publikation des Buches undenkbar geworden. Arnau aber hatte offensichtlich in Paris Kontakte geknüpft zu dem Chef der damaligen Saar-SPD, Max Braun. In dessen „Volksstimme“ erschien zum großen Ärger der NS-Machthaber im damals noch politisch unabhängigen Saargebiet vom 4. März bis 19. Juni 1934 in 85 täglichen Nadelstichen das aufklärerische Werk des unbestechlichen Zeitzeugen.

Arnau überlebte ab 1939 mit seiner Familie in Brasilien, kam 1955 in seine Heimat Berlin zurück, schrieb für den „Stern“ und wurde zum Präsidenten der „Deutschen Liga für Menschenrechte“ ernannt.  Mit ins Luzerner Grab aber nahm er 1976 das Rätsel um das vermeintliche Erscheinen seines zwischen Buchdeckeln veröffentlichten Romans „Die braune Pest“. Gelüftet wird dieses Geheimnis erst jetzt nach 87 Jahren. Dank des unermüdlichen Einsatzes des Arnau-Experten Hans-Christian Napp ist das lange verschollene Werk mit seiner „Erstausgabe“ im Solinger Klingen-Verlag jetzt erschienen.

Der ehemalige Kriminalkommissar fand die Fortsetzungsgeschichte im Homburger Stadtarchiv, das Jahrgänge der Saarbrücker „Volksstimme“ vorhält. Und die Ausgabe zeigt, dass Zeitgenoss*innen wie Frank Arnau bereits zu Beginn des NS-Regimes sehr genau wussten, welch Geistes Kind Hitler und seine Schergen waren und wie schnell das Steuer der demokratischen Weimarer Republik herumgerissen wurde zugunsten eines Unrechtsregimes, das mit Folter und Mord auf politisch Andersdenkende reagierte. Eine verlegerische Großtat von Adrian Jesinghaus, wichtig gerade in unseren heutigen Zeiten!

Frank Arnau: Die braune Pest. Relevanz damals und heute. Bearbeitet und herausgegeben von Adrian Jesinghaus und Hans-Christian Napp. Klingen-Verlag Solingen 2021, 361 Seiten, 19.80 Euro,   ISBN 978-3-96754-004-8

Buchvorstellung

Auf Einladung des saarländischen Kulturforums der Sozialdemokratie wird Anke Rehlinger den wiederentdeckten Enthüllungsroman am 13. April 2021 um 17 Uhr in Saarbrücken vorstellen. Einzelheiten unter www.spd-saar.de

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