Rezension

Wie Angela Merkels Politik Deutschland und Europa schadet

Frederik Theiling13. April 2017
Umverteilung nach Oben, Unsicherheit auf dem Arbeitsmarkt, Aufstieg der AfD, nationaler Egoismus in Europa: Das ist die Regierungsbilanz von Angela Merkel, schreibt Stephan Hebel in seinem neuen Buch. Seine Analyse liefert gute Gründe bei der Bundestagswahl Martin Schulz zu wählen.

Es ist eine Abrechnung mit der Regierungszeit von Bundeskanzlerin Angela Merkel, die Stephan Hebel in seinem Buch „Mutter Blamage und die Brandstifter“ schreibt. 2013 sei Angela Merkel noch die beliebteste Politikern Deutschlands gewesen. Vier Jahre weiter sehe die Welt für die Kanzlerin anders aus. Die SPD habe mit Martin Schulz in den Umfragen aufgeholt und an einem erstarkten rechten Rand sei „Merkel muss weg“ zu einer zentralen Parole geworden, schreibt Hebel. Sein Buch gibt hervorragend Aufschluss, wie es zu dieser Entwicklung kommen konnte.

Die neoliberale Ideologie der Kanzlerin

Die Stärke seiner Analyse liegt darin, dass Hebel mit der verbreiteten öffentlichen Wahrnehmung, Angela Merkel sei eine unideologische Pragmatikerin, aufräumt. Hinter einer „verschwurbelten Rhetorik der Richtungslosigkeit“ verberge sich „eine gar nicht richtungslose Politik, die Deutschland und Europa auf Dauer schadet“, schreibt Hebel. Denn Angela Merkel habe eine klare politische Agenda. Sie sei die „Kanzlerin des Neoliberalismus“, so Hebel.

Modernisiert werde die Bundesrepublik vor allem da, wo es im Interesse der Wirtschaft liege. Als Beispiele nennt er die Themen Energiewende, Familienpolitik und die Abschaffung der Wehrpflicht. Auf dem Arbeitsmarkt hingegen seien die Menschen in Deutschland auf sich allein gestellt und spürten einen „Verlust von Sicherheit im eigenen Leben“.

Die Politik Merkels ist Grundlage für den Aufstieg der AfD

Vor dem Aufstieg der Alternative für Deutschland stehe daher das Versagen der Kanzlerin. Erstens, so Hebel, habe die von Merkel propagierte „marktkonforme Demokratie“ zu einer Entsicherung der sozialen Systeme geführt. Zudem weigere sich die Kanzlerin, die globalen Waren- und Kapitalströme sozial und ökologisch zu regulieren. Drittens reagiere die Regierung unter Merkel auf Globalisierung und Migration hauptsächlich durch schärfere Gesetze, anstatt in Bildung, Integration und den Arbeitsmarkt zu investieren.

Diese Politik Merkels habe Wettbewerb an die Stelle von Solidarität gesetzt. Bei vielen Menschen in Deutschland käme das als Konkurrenzkampf um die begrenzten Ressourcen an, welche nach Jahren der Umverteilung nach oben, noch geblieben seien, schreibt Hebel. Nicht bei allen Menschen führe das zu Rassismus und Ressentiments. Aber es mache einen Teil der Wähler anfällig für die „Scheinlösungen der Neorassisten“, die gleichzeitig an den eigentlichen Fehlern der Kanzlerin vorbei argumentierten.

Nationaler Egoismus in Europa

In Hebels Buch wird auch deutlich: Die Europapolitik der Kanzlerin unterscheidet sich ideologisch nicht von ihrer Innenpolitik. „Sie denkt und handelt erstens marktfundamentalistisch statt solidarisch und zweitens national statt europäisch“, analysiert Hebel. Dies habe fatale Folgen für Deutschland und Europa.

Aus ideologischen Gründen stehe Merkel in Europa für einen „nationalen Egoismus“ und verzichte auf eine neue europäische Wirtschaftsarchitektur. Ihre Politik sei möglicherweise kurzfristig für die deutsche Exportindustrie nützlich gewesen. Langfristig schade sie aber den deutschen Interessen, da sie die Deutschlands Exportmärkte in Europa zerstöre. „Ohne Europa ist auch die stärkste europäische Macht sehr schwach“, warnt Hebel.

Rot-Rot-Grün ein Anfang

Was also tun gegen Merkels Politik? In den vergangenen Jahren habe vor allem eine linke Alternative zu Merkel gefehlt, analysiert Hebel. Mit Martin Schulz rasantem Aufstieg in den Umfragen könne sich das geändert haben. Ein gutes Zeichen für einen Wechsel sei, dass die SPD erstmals eine Koalition mit der Linken nicht ausgeschlossen habe. Hebel plädiert daher für eine Rot-Rot-Grüne Bundesregierung. Dennoch ist er skeptisch, ob ein Wahlsieg von Schulz tatsächlich zu einem breiten linken Bündnis führe. Sein Buch jedenfalls liefert beste Gründe es zu versuchen und im September Martin Schulz und die SPD zu wählen.

Ein Interview mit dem Autor aus dem Jahr 2013 finden Sie hier.

Infos zum Buch

Stephan Hebel: Mutter Blamage und die Brandstifter. Das Versagen der Angela Merkel — warum Deutschland eine echte Alternative braucht. Westend Verlag. Frankfurt/Main 2017, 256 Seiten, ISBN: 9783864896637, 18,- Euro.

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