Kanzler Scholz bei der IG Metall: „Über diese Brücke musst du gehen.“
IMAGO/Chris Emil Janßen
Am Dienstagnachmittag herrscht ein bisschen Stadionatmosphäre in der Messehalle in Frankfurt, in der die IG Metall ihren Gewerkschaftstag abhält. „Stahl ist“, schallt es aus der einen Ecke der Halle, „Zukunft“ antwortet es aus der anderen. Das ist selbst über den Livestream deutlich zu hören. Gemeinsam mit der frisch gewählten Gewerkschaftsvorsitzenden Christiane Benner betritt Olaf Scholz die Halle. Ein warmer Empfang für den ersten sozialdemokratischen Bundeskanzler auf einem IG-Metall-Gewerkschaftstag seit vielen Jahren.
Klare Erwartungen der IG-Metall-Vorsitzenden
Doch allzu viel Zuneigung darf Olaf Scholz nicht erwarten, denn bevor der Kanzler reden darf, formuliert Christiane Benner eine klare Erwartung der Metaller*innen. „Unsere Erwartung ist, dass wir hier und heute eine Aussage von Dir bekommen: Wie und wann bekommen wir den Brückenstrompreis?“, sagt die Gewerkschaftsvorsitzende. „Wir brauchen ihn.“ Hinten in der Halle haben Delegierte ein meterlanges Banner entrollt. „Brückenstrompreis jetzt!“, steht darauf.
Unternehmen und Gewerkschaften, aber auch die SPD-Bundestagsfraktion, drängen seit Monaten auf einen – zeitlich befristeten – staatlich subventionierten Strompreis für Betriebe, die besonders viel Energie benötigen. Sie haben mit hohen Kosten zu kämpfen, bis der Strom aus Erneuerbaren Energien günstiger ist. Das kann einige Jahre dauern – Zeit, die den Unternehmen wirtschaftlich das Genick brechen und tausende Arbeitsplätze vernichten könnte, so die Sorge.
Europarechtliche Fragen berücksichtigen
„Wir sind ein Industrieland und wir müssen jetzt dafür sorgen, dass es eine industrielle Zukunft im 21. Jahrhundert gibt“, betont Olaf Scholz zu Beginn seiner Rede. Alle dafür notwendigen Entscheidungen seien von der Politik aber „immer wieder vertagt“ worden. Damit mache die Ampel-Regierung nun Schluss. „Wir haben jetzt dafür gesorgt, dass die Entscheidungen getroffen werden.“ Der Kanzler verweist dabei auf den Ausbau der Erneuerbaren Energien. Noch in diesem Jahr werde voraussichtlich die Entscheidung für den Aufbau eines Wasserstoffnetzes getroffen.
Aber reicht die neue Geschwindigkeit – Scholz spricht gerne vom „Deutschland-Tempo“ – aus, damit die energieintensiven Unternehmen nicht auf der Strecke bleiben? Die Metaller*innen in Frankfurt sind skeptisch. Das wird an einigen Zwischenrufen laut, die die Rede des Kanzlers unterbrechen. Der aber lässt sich nicht beirren. „Wir müssen dafür sorgen, dass kein Unternehmen es nicht schafft, weil es nicht durchhält“, stellt Scholz klar und versichert, die Bundesregierung denke intensiv über eine „Kombination aus vielen Einzelmaßnahmen“ nach, wobei auch europarechtliche Fragen berücksichtigt werden müssten. Manche Expert*innen fürchten, dass ein Brückenstrompreis gegen das Beihilferecht er EU verstoßen könnte. „Wir werden eine gute Lösung finden“, verspricht Scholz.
Eine Brücke für den Kanzler
Den Metaller*innen in Frankfurt reicht das nicht aus. „Wir brauchen diesen Brückenstrompreis ganz schnell“, sagt der Vorsitzende des Konzernbetriebsrats der thyssenkrupp AG, Tekin Nasikkol. Er hat auch ein Geschenk für den Kanzler dabei, eine kleine Brücke, gebaut von Auszubildenden. „Über diese Brücke musst du gehen“, sagt Nasikkol zu Scholz als er ihm das Modell überreicht. Und der Kanzler verspricht: „Die Brücke kommt auf meinen Schreibtisch.“
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.