Politisch thematisiert Jörn Ipsen Bereiche wie den Föderalismus, das Parteileben oder die Agenda 2010. In wirtschaftlicher Hinsicht beleuchtet er unter anderem die Berufsfreiheit sowie die
soziale Marktwirtschaft und ihre Entwicklung. Auch gesellschaftlichen Problemen widmet er sich: Welche Aufgaben kann Kirche im Rahmen der Bildung erfüllen? Welche Rolle spielt Familie heute und
warum? Historisch stellt Ipsen die Geschichte des "Staates der Mitte" von der deutsche Teilung, über die völkerrechtliche Anerkennung beider deutschen Staaten bis hin zur Wiedervereinigung dar.
Abschließend gibt er einen umfassenden Ausblick: In welchem Verhältnis stehen Bund und Länder heute? Welchen Einfluss nimmt die europäische Union? Wie entwickelt sich das Zusammenspiel von
Sozial- und Rechtsstaat? Ipsen sucht Antworten und gibt Lösungsanstöße.
Verbunden
Die einzelnen Kapitel und der Ausblick "Wandlungen des Verfassungsstaates" sind dabei keineswegs nur durch den Buchumschlag miteinander verbunden: Alles betrachtet der Autor mit Blick auf
das Grundgesetz und dessen Maßstäbe. Bei einer Schrift Jörn Ipsens ist diese Perspektive nicht verwunderlich, zählt er doch zu den renommiertesten Juristen Deutschlands. Im Jahr 1944 geboren
schloss er das juristische Studium 1976 ab. Danach war er an den Universitäten Tübingen, Göttingen und Osnabrück tätig. Jörn Ipsen forscht vor allem auf den Gebieten Öffentliches Recht und
Verwaltungsrecht.
"Der Staat der Mitte" ist in zehn Teile gegliedert: Im ersten geht es um die Staatsorganisation der Bundesrepublik. Die einzelnen Staatsorgane werden ausführlich und verständlich
dargestellt. Im Folgenden stellt Ipsen das souveräne Deutschland im Gefüge der westlichen Welt sowie das Verhältnis von Bund und Ländern dar. Die mittleren Teile des Buches beschäftigen sich mit
Parteien und deren Stellung im politischen System, mit dem Sozialstaat und dem Wirtschaftssystem der Bundesrepublik Deutschland.
Analysiert
Herausragend - wenn auch mit strittigen, durchaus zu hinterfragenden Thesen - ist der achte Teil: "Herausforderungen an das Recht und Schutz des Gemeinwesens". Hier stellt der Autor
Ereignisse vor, die das Verhältnis von Freiheit, Sicherheit und Ordnung wesentlich beeinflussten: darunter die Spiegelaffäre und die Studentenproteste von 1967/68. Was zu dieser Zeit geschehen
ist, ist vielen Lesern wohl bekannt. Ipsen stellt die Sachverhalte allerdings prägnant und deutlich dar, wie kaum ein anderer. Beim Vorstellen der Notstandsverordnung belässt er es aber nicht bei
schlichten rechtlichen Erklärungen, sondern erläutert auch ihre Entwicklung, Bedeutung und strittige Fragen. Und schließlich setzt sich Ipsen mit den Gefahren terroristischer Gruppierungen und
dem Umgang damit auseinander.
Im weiteren Verlauf beschäftigt sich der Autor mit der Kontinuität und Diskontinuität unserer Rechtsordnung. Und bildet im letzten Teil dann die Wiedervereinigung Deutschlands geschichtlich
ab. Dabei geht es ihm nicht nur um die Beziehung der beiden deutschen Staaten untereinander, sondern auch um deren Verhältnis zu anderen Staaten und Staatengemeinschaften.
Zukunftsweisend
Jörn Ipsen belässt es nicht bei der Geschichtsbetrachtung. Er wagt einen Blick in die Zukunft, prognostiziert, womit sich ein Buch wie dieses wohl in 50 Jahren beschäftigen würde.
Jörn Ipsens Buch "Der Staat der Mitte" über Deutschland als Verfassungsstaat ist vieles zugleich: Rückblick, Bestandsaufnahme, Analyse und Ausblick. Beim Lesen werden nicht einfach nur
einzelne Fragen beantwortet, wie die Geschichte selbst ist das Werk beziehungsreich, vielschichtig und überraschend.
Shirine Issa
Jörn Ipsen: "Der Staat der Mitte", Verlag C.H.Beck, München 2009, 476 Seiten, 29 Euro, ISBN 978-3-406-58948-5