Sicherheitskonferenz: So kontert Boris Pistorius US-Vize-Präsident Vance
In seiner Rede auf der Münchener Sicherheitskonferenz wirft US-Vizepräsident J.D. Vance den Europäer*innen ein mangelndes Demokratieverständnis vor. Später tritt an gleicher Stelle Verteidigungsminister Boris Pistorius an Mikrofon. Und setzt zu einer bemerkenswerten Replik an.
picture alliance/dpa | Peter Kneffel
Verteidigungsminister Boris Pistorius bei der Münchner Sicherheitskonferenz: Das ist nicht akzeptabel.
Es war eine Rede, die so niemand erwartet hatte. Beobachter*innen waren davon ausgegangen, dass J.D. Vance seine Rede auf der Münchner Sicherheitskonferenz nutzen würde, um über den Kurswechsel der USA im Ukraine-Krieg zu sprechen. Doch stattdessen setzte der Stellvertreter von US-Präsident Donald Trump zu einer Generalabrechnung mit den Europäer*innen an, die die Meinungsfreiheit in ihren Ländern unterdrückten und Angst vor ihren eigenen Bürger*innen hätten. Europa müsse mehr für die Verteidigung tun, sagt Vance. Aber Europa müsse vor allem damit aufhören, unliebsame Stimmen zum Schweigen zu bringen.
Pistorius: „Das ist nicht akzeptabel“
Als der US-Vizepräsident nach einer halben Stunde die Bühne verlässt, hat er wenig zur Lage in der Welt und zu Sicherheitspolitik gesagt, dafür aber eine bizarre Tirade von Fällen losgelassen, in denen die freie Meinungsäußerung nicht habe stattfinden können. Als Beispiele nennt Vance etwa Hausdurchsuchungen in Deutschland nach Veröffentlichungen in Sozialen Medien oder den annullierten ersten Wahlgang der rumänischen Präsidentschaftswahl nach mutmaßlichem Einfluss aus Russland. Im Saal in München hinterlässt Vance viele ratlose Gesichter.
Zwei Stunden später steht Boris Pistorius an derselben Stelle. Doch bevor er seine Rede zu mehr europäischer Verantwortung in der Verteidigung beginnt, antwortet er zunächst auf die Vorwürfe des US-Vizepräsidenten. Nach dessen Rede könne er „nicht einfach zur Tagesordnung übergehen“, sagt der deutsche Verteidigungsminister. Vance habe in seiner Rede die Demokratie in ganz Europa infrage gestellt, sogar Teile Europas mit autoritären Regimen verglichen. „Meine Damen und Herren, das ist nicht akzeptabel“, sagt Pistorius.
„Nicht die Demokratie, in der ich lebe“
„‘Wir kämpfen auch dafür, dass du gegen uns sein kannst‘ – das ist das Selbstverständnis der Bundeswehr und steht auch für unser Demokratieverständnis“, stellt der Verteidigungsmister klar. Das von Vance beschriebene Europa „ist nicht das Europa und die Demokratie, in der ich lebe“, so Pistorius. In dieser Demokratie habe jede Meinung eine Stimme. Sie ermögliche es Parteien auch am Rande des demokratischen Spektrums, Wahlkampf zu machen und lasse sogar Medien in Pressekonferenzen zu, die russische Propaganda verbreiteten.
„Demokratie bedeutet aber nicht, dass die laute Minderheit automatisch recht hat und die Wahrheit bestimmt“, stellt Pistorius klar. Demokratien müssten sich wehren können. „Ich bin froh, dankbar und stolz in einem Europa zu leben, das diese Demokratie und unsere Art in Freiheit zu leben, jeden Tag verteidigt – gegen ihre inneren Feinde und gegen ihre äußeren“, schließt Pistorius und betont: „Wir wissen nicht nur, gegen wen wir unser Land verteidigen, sondern auch wofür. Für die Demokratie, für die Meinungsfreiheit, für den Rechtsstaat und für die Würde jedes Einzelnen.“
Am Samstag wird Bundeskanzler Olaf Scholz zum zweiten Tag der Sicherheitskonferenz in München erwartet. Am Morgen wird er eine Rede zur Rolle Deutschlands in der Welt halten. Es wird erwartet, dass Scholz darin auch auf die Vorwürfe von Vance eingeht. Später wird auch der ukrainische Präsident Volodymyr Zelenskyy eine Rede zu den Zukunftsperspektiven seines Landes halten.
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.
Ein Konter wird nicht reichen...
Der Auftritt Vances durchbricht die erratische Nachrichtenflut der Trump Administration. Sie überbietet in gewisser Weise sogar sämtliche Dekrete Trumps, die wenn auch autokratisch, die beiden gefügigen Kammern Senat und Kongress beiseite schiebt, und selbst vor dem mittlerweilen handzahmen Supreme Court nichts, aber auch absolut nichts zu befürchten hat. Aus unserer Sicht könnten wir hier erstmal getrost wegschauen. Was wollen wir uns um deren Innenpolitik scheren? Sollen die doch mit ihrer Wahl selbst klar kommen. Dann kommt jedoch Vance und propagiert nicht nur, sondern tritt als der neue amerikanische Herrenmensch auf. Weiß, arrogant, hart, basierend auf sozialer Ungleichheit und brutal basierend auf menschenverachtende Kälte. Damit hofiert er die AfD und steckt deren Horizont ab. Der Gegenentwurf kann nicht nur die Entwöhnung von prorussischer Heuchelei und transatlantischer Arschleckerei sein, sondern muss ein robustes, paneuropäisches Ziel sein: Europe first & only! Mutig genug?
Demokratie
Nun ist Herr Vance nicht unbedingt der Oberkronzeuge für Demokratie, aber dem Selbstverständnis von Herrn Pistorius kann ich auch wenig abgewinnen.
Das herrschende Geschrei "wir sind die Demokraten" ud die und die und die sind das nicht - also so habe ich das nicht gelernt; besonders vor dem Hintergrund der "Demokratiebeförderungsgesetze" aus dem Hause Faeser/Haldenwang oder von der EU.
...... und eine militaristische Veranstaltung ist wahrlich auch kein Platz um sich auf Demokratie zu berufen, denn Militär ist immer Befehl und Gehorsam und diees Prinzip ist per se nicht demokratisch.
Die selbsternannten "Demokraten" geben leider zu gerne Steilvorlagen für ihre Gegner.
Demokratie ist wehrhaft – Eine Absage an Vances Verzerrungen
Vances Rede auf der Münchner Sicherheitskonferenz war ein populistischer Angriff auf Europas Demokratien, keine sicherheitspolitische Analyse. Anstatt die US-Strategie im Ukraine-Krieg zu erläutern, verbreitete er ein verzerrtes Bild europäischer Gesellschaften, in denen angeblich Meinungsfreiheit unterdrückt werde. Seine Beispiele – Hausdurchsuchungen nach extremistischen Online-Posts oder die Annullierung der rumänischen Präsidentschaftswahl nach ausländischer Einflussnahme – ignorieren zentrale Fakten: Demokratie bedeutet nicht, dass jede Meinung folgenlos bleibt, und der Rechtsstaat muss sich gegen Manipulation und Extremismus verteidigen. Vance verdreht die Realität, um spalterische Narrative zu stärken und europäische Institutionen zu delegitimieren. Boris Pistorius’ Antwort war daher unmissverständlich: Europas Demokratien stehen für Meinungsfreiheit, aber sie lassen sich nicht von Demagogen schwächen.