Geschichte

Eine erfolgreiche Revolution?

von Vera Rosigkeit · 10. November 2008
placeholder

Der neunte November ist für Deutsche ein besonderes Datum. "Besonders gedenken wir an diesem Tag der Reichspogromnacht von 1938. Doch nicht nur die dunklen Seiten der Geschichte sind es, die mit dem neunten November verknüpft sind", erklärte SPD-Fraktionschef Peter Struck am Sonntag Im Reichstag. Der Mauerfall vor 19 Jahren habe viele Gründe gehabt, fügte er hinzu, "unter anderem den Drang nach Freiheit und Demokratie. Dieser führte vor 90 Jahren auch zur Gründung der ersten deutschen Republik."

Gegen den Widerstand antidemokratischer Kräfte

Am 9. November 1918 hatte der Sozialdemokrat Philipp Scheidemann von einem Balkon des damaligen Reichstags die Republik ausgerufen. Mit der Abdankung des Kaisers und der Ausrufung der Republik nahmen in Deutschland revolutionäre Ereignisse ihren Lauf. Bilder und Fotografien der damaligen Sonderausgaben des "Vorwärts" dokumentieren die dramatischen Ereignisse in einer Ausstellung, die am Sonntag vom vorwärts-Verlag, dem Freundeskreis Willy-Brandt-Haus e.V. und der SPD-Bundestagsfraktion eröffnet wurde.

Doch war die Revolution erfolgreich?, fragte die Historikerin Helga Grebing. Das hänge von den Erfolgsvorstellungen ab, die man mit der Revolution verbinde, antwortete sie. Sie sei getragen worden von den Soldaten- und Arbeitermassen, darunter viele Frauen und Jugendliche. Sie wollten die entmündigende Herrschaft von Kaiser, Adel und konservativem Bürgertum beenden.

Und warum die Eile der Sozialdemokraten unter Führung von Friedrich Ebert, die revolutionäre Massenbewegung in einen legalen Volksstaat einmünden lassen zu wollten?, fragte Grebing weiter. Vor allem weil die Mehrheit der Deutschen die Revolution ablehnte. Ob Adel oder Militär, Bauern oder Mittelstand, alle verziehen der "Revolution nicht die Beseitigung der Monarchie und die Absicht, eine freiheitlich-demokratische Republik zu errichten."

Beginn des modernen Sozialstaats

Bei aller Kritik wies die Historikerin darauf hin, dass die erste deutsche Republik die seinerzeit modernste demokratische Verfassung erhielt. Ihren Grundrechtsteil wertete sie geradezu als vorbildlich: Was damals, vor allem von Sozialdemokraten geschaffen wurde, könne also "mit Fug und Recht als Begründung des modernen Sozialstaats bezeichnet werden." Denn zwischen der Geburt der Republik und ihrem Ende geschah Grebing zufolge so manches, an das "wir nach 1945 wieder anknüpfen konnten".

Über die Neigung auch der Sozialdemokraten die Ereignisse von 1918 klein zu halten, sprach Kanzlerkandidat und Außenminister Frank-Walter Steinmeier. Zu wenig werde daran erinnert, dass mit der Weimarer Verfassung die formale Rechtsgleichheit auch mit sozialem Leben gefüllt wurde: "So verdanken wir ihr die Einführung des allgemeinen Wahlrechts auch für Frauen und den Acht-Stunden-Tag". Steinmeier erinnerte zudem an die zivile Außenpolitik der ersten deutschen Republik, an den Kampf gegen städtische Armut durch den sozialen Wohnungsbau und an weitreichende Reformen im Arbeitsrecht und Bildungswesen.

Auftrag an die Politik

Schon aus Respekt vor denjenigen, die diese Demokratie durchgesetzt und unter ihr gelitten haben, gelte es dieser Ereignisse zu erinnern. In einer Zeit der globalen Krise sollten sie die Sozialdemokratie auch und vor allem an ihre Verpflichtungen erinnern. So sei derzeit die finanzielle Rettung der Banken nicht alles, sagte Steinmeier. Es gehe auch darum, einen "Schutzschirm für Arbeitsplätze zu bieten", damit Arbeitnehmer nicht die Verlierer der Finanzkrise würden. Es gebe einen klaren Auftrag an die Politik: Lehren zu ziehen und weltweite Regeln festzulegen, damit sich Krisen nicht wiederholen könnten. Steinmeier: "Das sind wir den mutigen Frauen und Männern von 1918 schuldig."

Autor*in
Avatar
Vera Rosigkeit

hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.

0 Kommentare
Noch keine Kommentare