Justiz

Verschärfung des Sexualstrafrechts: Mehr Schutz für die Opfer

Julia Korbik27. Juli 2015
Bundesjustizminister Heiko Maas will das Sexualstrafrecht verschärfen. Das wurde auch Zeit!

Man lernt ja immer wieder dazu. Ich habe zum Beispiel gelernt, dass enge Hosen Vergewaltigungen verhindern. Wirklich wahr! Zumindest sah das ein Gericht in Australien so und sprach 2008 einen angeklagten Vergewaltiger frei. Die logische Begründung: Da das Opfer, eine 24-jährige Frau, zum Zeitpunkt der angeblichen Tat sehr enge Jeans trug, sei eine Vergewaltigung unmöglich gewesen. Die Jury behauptete, die Frau hätte dem Täter assistieren müssen und der Sex deshalb einvernehmlich gewesen. Niemand glaubte dem Protest der jungen Frau, der Täter hätte ihr die Jeans brutal heruntergerissen.

Solche Fälle sind in Deutschland glücklicherweise nicht bekannt. Trotzdem haben es auch hierzulande Vergewaltigungs-Opfer schwer, vor Gericht Recht zu bekommen. Deshalb soll das Sexualstrafrecht nun verschärft werden, Bundesjustizminister Heiko Maas arbeitet an einem Entwurf. Das wurde auch Zeit, immerhin hat Deutschland die Europaratskonvention zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen unterzeichnet und sich dazu verpflichtet, jede „nicht einverständliche sexuelle bestimmte Handlung“ unter Strafe zu stellen.

Restriktives Sexualstrafrecht

Von diesen „Handlungen“ gibt es in Deutschland viele: Schätzungsweise jede achte Frau wird regelmäßig Opfer sexueller Gewalt. 2011 erfasste die Polizeiliche Kriminalstatistik 7539 Fälle von Vergewaltigung oder sexueller Nötigung – die Dunkelziffer dürfte deutlich höher liegen. 92,6 Prozent der Opfer waren weiblich.

Bisher sieht die strafrechtliche Situation in Deutschland so aus: Nach §177 des Strafgesetzbuches ist eine Vergewaltigung oder sexuelle Nötigung gegeben, wenn eine Person eine andere

  • mit Gewalt,
  • durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben oder
  • unter Ausnutzung einer Lage, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist

nötigt, sexuelle Handlungen des Täters oder eines Dritten an sich zu dulden oder an dem Täter oder einem Dritten vorzunehmen.

Ein „nein“ reicht nicht aus

Das geltende Sexualstrafrecht schützt die Opfer von Vergewaltigungen also nur, wenn der Täter gegen sie Gewalt anwendet, ihnen droht oder sie ihm ausgeliefert sind. Selbst wenn das Opfer klar und deutlich „nein“ gesagt und der Täter dies ignoriert hat, ist das im rechtlichen Sinne noch keine sexuelle Nötigung. Im Klartext: Der Vergewaltigungstatbestand ist sehr eng gefasst – zu eng, wie nun auch Maas eingesehen hat. Sexueller Missbrauch und Vergewaltigungen sollen künftig auch ausdrücklich in Fällen strafbar sein, in denen sich das Opfer nicht erkennbar wehrt oder dem Täter nicht hilflos ausgeliefert ist.

Damit erkennt die deutsche Justiz endlich die komplizierte Realität sexueller Gewalt an. Eine Vergewaltigung kann jederzeit passieren, an jedem Ort, und von Menschen verübt werden, die das Opfer kennt. Bei 23 Prozent der Sexualdelikte besteht zwischen Täter und Opfer ein verwandtschaftliches Verhältnis. In 33 Prozent der Fälle ist der Täter ein Bekannter des Opfers. 15 Prozent der Opfer befanden sich früher in einer Beziehung mit dem Täter. Das passt aber nicht in unser Klischee-Bild einer Vergewaltigung, bei dem ein Fremder nachts in dunklen Ecken Frauen auflauert und sie mit vorgehaltenem Messer zum Sex zwingt. Oft sind die Grenzen zwischen einvernehmlichem Sex und einer Vergewaltigung fließend. Viele Opfer sind deshalb unsicher, ob das, was sie erlebt haben, überhaupt als Vergewaltigung zählt. Sie fühlen vielleicht Solidarität für den Täter, wollen ihn schützen. Er ist doch eigentlich ein netter Kerl!

Ist nicht alles eine Vergewaltigung?

Die Verschärfung des Sexualstrafrechts ist also ein wichtiger Schritt – aber natürlich gibt es auch Bedenken. Strafverteidiger befürchten, dass künftig mehr Vergewaltigungen angezeigt werden könnten. Das wiederum könnte vermehrt zu Beweisproblemen führen: Wenn der Vergewaltigungstatbestand weiter gefasst wird, ist dann nicht irgendwann alles eine Vergewaltigung? Schon heute befördern Menschen wie der ehemalige Wetter-Moderator Jörg Kachelmann den Mythos, Frauen würden Vergewaltigungen erfinden und sie systematisch einsetzen, um sich an Männern zu rächen (Stichwort „Opfer-Abo“).

Ja, es gibt Falschbeschuldigungen. Aber keine massenhaften, strategischen. Die Fakten sehen eher so aus: Falschbeschuldigungen machen nur einen geringen Anteil aller Vergewaltigungs-Anschuldigungen aus. Eindeutig belegbar sind ungefähr 7,4 Prozent. Hinzu kommt, dass bisher schätzungsweise nur jede zehnte Frau, die Opfer einer Vergewaltigung wird, überhaupt Anzeige erstattet. Man könnte also sagen: Das bisherige, restriktive Sexualstrafrecht in Deutschland, hält Opfer aktiv davon ab, Anzeige gegen den Täter zu erstatten. Denn in den meisten Fällen besteht keine Aussicht auf Verurteilung.

Die gesellschaftliche Diskussion langfristig ändern

Wenn sich durch eine Verschärfung des Vergewaltigungsstrafbestands mehr Opfer trauen, die Täter anzuzeigen, dann ist das gut. Noch besser wäre, wenn sich dadurch die gesellschaftliche Diskussion über sexuelle Gewalt langfristig ändert. Wenn endlich erkannt wird, dass es so etwas wie eine „Mitschuld“ des Opfers an einer Vergewaltigung nicht gibt. Dass sexueller Missbrauch auf unterschiedliche Arten und Weisen geschehen kann. Und dass es dabei viele Grauzonen gibt.

 

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Kommentare

Aktionismus

Kriminologin Monika Frommel - Neues Sexualstrafrecht: "Der Gesetzentwurf ist Unsinn"

http://www.deutschlandradiokultur.de/kriminologin-monika-frommel-neues-s...

Ich glaube einer Praktikerin mehr als Politikern, die für was auch immer - und sich für unentbehrlich halten - gewählt werden wollen.

Es ist kein Mythos, dass

Es ist kein Mythos, dass Frauen Vergewaltigungen erfinden. Es passiert immer wieder.

Und Gleichberechtigung muss auch heißen, dass man Frauen genauso ein Verbrechen (hier: eine erfundene Vergewaltigung) zutraut wie den Männern. Und somit von vorneherein in beide Richtungen ermittelt. Und zwar gründlich.

Eine Frau ist nicht automatisch besser als ein Mann, nur weil sie eine Frau ist. Diese Denkweise ist genauso diskriminierend wie die frühere, dass Frauen minderwertiger sind.

Von meiner Partei (der SPD) hätte ich mir eine andere Herangehensweise gewünscht.

msg, Nadine

Warum wird hier mit Halbwahrheiten gespielt!

Es gibt keine eindeutig belegbaren Studien über Falschbeschuldigungen! Das ist eine Tatsache.
Die in Statistiken meist verfälschte, tatsächlich aber relativ hohe Falschaussagenquote gerade in Sexualstrafverfahren“, schreibt der Richter am Bundesgerichtshof, Ralf Eschelbach, in seinem Kommentar,“ wird nicht ausreichend beachtet. Stattdessen werde den zumeist weiblichen Opferzeugen ein unangebrachter moralischer Kredit eingeräumt.“

Der Kieler Psychologieprofessor Günter Köhnken schätzt die Quote der Falschbeschuldiger auf 30 bis 40 Prozent.

Dr. Siegrist vom Institut für Gerichtsmedizin in St. Gallen wird im St. Galler Tagblatt am 6.Juli 1995! mit der Aussage zitiert: „Zwei Drittel aller, von seinem Institut untersuchten Vergewaltigungsfälle, seien Fehlanzeigen.“

Klaus Püschel Direktor des Rechtmedizinischen Instituts Hamburg konstatiert alleine im Jahr 2009 hätten sich 27% der angeblich Vergewaltigten bei der ärztlichen Untersuchung als Scheinopfer erwiesen, die sich ihre Verletzungen selbst zugefügt hatten. Nur in 33% habe es sich erwiesenermassen um echte Opfer gehandelt.

Nur ein kleiner Auszug!

Wenn nur etwa jede 10. Frau Anzeige erstattet

müssen die Gründe der anderen 9 gewaltig sein, um nicht zur Polizei zu gehen, oder? Während meiner Schulzeit gab es zwei Schülerinnen, die erzählten, sie seien vergewaltigt worden. Die Eltern haben ihre Kinder (14 J.) nicht zur Polizei gebracht; warum auch immer. Lehrer und Schüler waren mit der Situation total überfordert. Hatten die Kinder Unsinn erzählt? 3 Jahre später hat sich eine der Beiden umgebracht. Die andere hat es auch versucht, wurde aber gerettet und verbrachte 2 Jahre in einer psychiatrischen Klinik. Die Familie ist dann weggezogen. Ich denke, Mädchen und Frauen brauchen viel mehr Unterstützung durch die Gesellschaft. Jedes Mädchen, jede Frau, die sich nicht traut, zur Polizei zu gehen, ist eine zuviel. Ja, ich glaube, das Sexualstrafrecht sollte reformiert werden. Vielleicht hätten die Eltern der Schulkolleginnen dann anders gehandelt. Massenhafte Falschbeschuldigungen, die Männer unschuldig ins Gefängnis bringen, halte ich für Geschichten aus dem Reich der Märchen.